Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Versöhnung der Aonfessionen

aber wer im Leben steht, weiß: durchführen läßt sich solches nicht. Ja die
Durchführung würde nur neue Gefahren heraufbeschwören. Keiner der beiden
Kirchengemeinschaften wäre damit gedient. Nein, ein jeder bleibe bei seinem
Bekenntnis. Je treuer, je gewissenhafter einer bei seiner Kirche in, um so mehr
wird er zur Toleranz neigen, um so leichter wird es ihm sein, den Glauben, die
religiöse Überzeugung des andern Teils zu achten und zu ehren. Wer in äußer¬
licher Weise die Verschmelzung der Konfessionen anstrebt, steht zuletzt vor drei
Bekenntnissen, und die Verwirrung ist danach größer als vorher. Mit dem Zu¬
sammenschieben von Formeln und Dogmen wird nichts erreicht. Der Breslauer
Domherr Dr. Soltmann hat wohl den Vorschlag gemacht, in Verhandlungen ein¬
zutreten, deren Grundlagen die lutherischen Bekenntnisschriften und die Beschlüsse
des Konzils von Trient bilden sollten. Die Absicht war gewiß wohlgemeint.
Aber der Vorschlag war doch eine Utopie. ^

Ein andrer ^-- ich glaube Professor Hieber -- möchte die Anregung geben,
einen konfessionellen Friedenskongreß einzuberufen 5 la Haag. Nun, an Themen
wurde es da nicht fehlen. Aber Generale ohne maßgebende Truppen können
nicht viel ausrichten. Und das notwendigste ist ein neuer Geist im deutschen
Volke. Dann stellt sich der Friede von selbst ein. Auch Professor Harnack hat
sich mit unsrer Frage viel beschäftigt. Er weist die Aufgabe, an der Beseitigung
oder doch Milderung der konfessionellen Spaltung zu arbeiten, der Religion so¬
wohl wie der Wissenschaft zu. In der bekannten Rede, die er bei der Kaiserfeier
(Januar 1907) hielt, wirft er die Fragen auf: Wird der Protestantismus nicht
gut tun, sich zu fragen, ob die Form des Gottesdienstes, die er im sechzehnten
Jahrhundert im Gegensatz zum Katholizismus festgestellt hat, in jeder Hinsicht
zureichend und befriedigend ist? Steckt nicht in der katholischen Messe ein Moment
und eine Ausgestaltung der Anbetung, wie sie der evangelische Gottesdienst nicht
leicht erreicht? Ist nicht der Opferbegriff bei seiner Reinigung im Protestantismus
zu stark zurückgedrängt worden? Ist endlich nicht die Herbeiziehung des ästhe¬
tischen Elements, der Kunst, im Gottesdienst im größern Stile wünschenswert?
Wer wie Harnack mit solchem Freimut auf Lücken, die sich in der evangelischen
Kirche finden, den Finger legt, trägt sicher zum Verständnis der fremden Kon¬
fession bei. In jedem Verständnis liegt ein Keim des Friedens, und die Geist¬
lichen in beiden Lagern sollten sich die Kirchenhistoriker der zwei Konfessionen
zum Vorbild und Muster Nehmen, die sich schon lange friedlich die Hände reichen"
um große wissenschaftliche Aufgaben gemeinsam zu erledigen. - s

Man lasse doch auch endlich begraben und in die Versenkung verschwinden,
was in der Vergangenheit konfessionell gefehlt und gesündigt worden ist. Wozu
den alten Kram immer wieder hervorholen? Glaubt man doch bei so manchen
Festrednern, wir stünden Mitten in der Zeit eines Gregor des Siebenten oder
Jnnozenz des Dritten? Als ob der moderne Staat nicht Machtmittel genug
hätte und auch anwendete, wenn er der Ansicht ist, daß seine Rechte ange¬
griffen werden. ^ ' ' >


Zur Versöhnung der Aonfessionen

aber wer im Leben steht, weiß: durchführen läßt sich solches nicht. Ja die
Durchführung würde nur neue Gefahren heraufbeschwören. Keiner der beiden
Kirchengemeinschaften wäre damit gedient. Nein, ein jeder bleibe bei seinem
Bekenntnis. Je treuer, je gewissenhafter einer bei seiner Kirche in, um so mehr
wird er zur Toleranz neigen, um so leichter wird es ihm sein, den Glauben, die
religiöse Überzeugung des andern Teils zu achten und zu ehren. Wer in äußer¬
licher Weise die Verschmelzung der Konfessionen anstrebt, steht zuletzt vor drei
Bekenntnissen, und die Verwirrung ist danach größer als vorher. Mit dem Zu¬
sammenschieben von Formeln und Dogmen wird nichts erreicht. Der Breslauer
Domherr Dr. Soltmann hat wohl den Vorschlag gemacht, in Verhandlungen ein¬
zutreten, deren Grundlagen die lutherischen Bekenntnisschriften und die Beschlüsse
des Konzils von Trient bilden sollten. Die Absicht war gewiß wohlgemeint.
Aber der Vorschlag war doch eine Utopie. ^

Ein andrer ^— ich glaube Professor Hieber — möchte die Anregung geben,
einen konfessionellen Friedenskongreß einzuberufen 5 la Haag. Nun, an Themen
wurde es da nicht fehlen. Aber Generale ohne maßgebende Truppen können
nicht viel ausrichten. Und das notwendigste ist ein neuer Geist im deutschen
Volke. Dann stellt sich der Friede von selbst ein. Auch Professor Harnack hat
sich mit unsrer Frage viel beschäftigt. Er weist die Aufgabe, an der Beseitigung
oder doch Milderung der konfessionellen Spaltung zu arbeiten, der Religion so¬
wohl wie der Wissenschaft zu. In der bekannten Rede, die er bei der Kaiserfeier
(Januar 1907) hielt, wirft er die Fragen auf: Wird der Protestantismus nicht
gut tun, sich zu fragen, ob die Form des Gottesdienstes, die er im sechzehnten
Jahrhundert im Gegensatz zum Katholizismus festgestellt hat, in jeder Hinsicht
zureichend und befriedigend ist? Steckt nicht in der katholischen Messe ein Moment
und eine Ausgestaltung der Anbetung, wie sie der evangelische Gottesdienst nicht
leicht erreicht? Ist nicht der Opferbegriff bei seiner Reinigung im Protestantismus
zu stark zurückgedrängt worden? Ist endlich nicht die Herbeiziehung des ästhe¬
tischen Elements, der Kunst, im Gottesdienst im größern Stile wünschenswert?
Wer wie Harnack mit solchem Freimut auf Lücken, die sich in der evangelischen
Kirche finden, den Finger legt, trägt sicher zum Verständnis der fremden Kon¬
fession bei. In jedem Verständnis liegt ein Keim des Friedens, und die Geist¬
lichen in beiden Lagern sollten sich die Kirchenhistoriker der zwei Konfessionen
zum Vorbild und Muster Nehmen, die sich schon lange friedlich die Hände reichen»
um große wissenschaftliche Aufgaben gemeinsam zu erledigen. - s

Man lasse doch auch endlich begraben und in die Versenkung verschwinden,
was in der Vergangenheit konfessionell gefehlt und gesündigt worden ist. Wozu
den alten Kram immer wieder hervorholen? Glaubt man doch bei so manchen
Festrednern, wir stünden Mitten in der Zeit eines Gregor des Siebenten oder
Jnnozenz des Dritten? Als ob der moderne Staat nicht Machtmittel genug
hätte und auch anwendete, wenn er der Ansicht ist, daß seine Rechte ange¬
griffen werden. ^ ' ' >


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0059" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314406"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Versöhnung der Aonfessionen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_217" prev="#ID_216"> aber wer im Leben steht, weiß: durchführen läßt sich solches nicht. Ja die<lb/>
Durchführung würde nur neue Gefahren heraufbeschwören. Keiner der beiden<lb/>
Kirchengemeinschaften wäre damit gedient. Nein, ein jeder bleibe bei seinem<lb/>
Bekenntnis. Je treuer, je gewissenhafter einer bei seiner Kirche in, um so mehr<lb/>
wird er zur Toleranz neigen, um so leichter wird es ihm sein, den Glauben, die<lb/>
religiöse Überzeugung des andern Teils zu achten und zu ehren. Wer in äußer¬<lb/>
licher Weise die Verschmelzung der Konfessionen anstrebt, steht zuletzt vor drei<lb/>
Bekenntnissen, und die Verwirrung ist danach größer als vorher. Mit dem Zu¬<lb/>
sammenschieben von Formeln und Dogmen wird nichts erreicht. Der Breslauer<lb/>
Domherr Dr. Soltmann hat wohl den Vorschlag gemacht, in Verhandlungen ein¬<lb/>
zutreten, deren Grundlagen die lutherischen Bekenntnisschriften und die Beschlüsse<lb/>
des Konzils von Trient bilden sollten. Die Absicht war gewiß wohlgemeint.<lb/>
Aber der Vorschlag war doch eine Utopie. ^</p><lb/>
          <p xml:id="ID_218"> Ein andrer ^&#x2014; ich glaube Professor Hieber &#x2014; möchte die Anregung geben,<lb/>
einen konfessionellen Friedenskongreß einzuberufen 5 la Haag. Nun, an Themen<lb/>
wurde es da nicht fehlen. Aber Generale ohne maßgebende Truppen können<lb/>
nicht viel ausrichten. Und das notwendigste ist ein neuer Geist im deutschen<lb/>
Volke. Dann stellt sich der Friede von selbst ein. Auch Professor Harnack hat<lb/>
sich mit unsrer Frage viel beschäftigt. Er weist die Aufgabe, an der Beseitigung<lb/>
oder doch Milderung der konfessionellen Spaltung zu arbeiten, der Religion so¬<lb/>
wohl wie der Wissenschaft zu. In der bekannten Rede, die er bei der Kaiserfeier<lb/>
(Januar 1907) hielt, wirft er die Fragen auf: Wird der Protestantismus nicht<lb/>
gut tun, sich zu fragen, ob die Form des Gottesdienstes, die er im sechzehnten<lb/>
Jahrhundert im Gegensatz zum Katholizismus festgestellt hat, in jeder Hinsicht<lb/>
zureichend und befriedigend ist? Steckt nicht in der katholischen Messe ein Moment<lb/>
und eine Ausgestaltung der Anbetung, wie sie der evangelische Gottesdienst nicht<lb/>
leicht erreicht? Ist nicht der Opferbegriff bei seiner Reinigung im Protestantismus<lb/>
zu stark zurückgedrängt worden? Ist endlich nicht die Herbeiziehung des ästhe¬<lb/>
tischen Elements, der Kunst, im Gottesdienst im größern Stile wünschenswert?<lb/>
Wer wie Harnack mit solchem Freimut auf Lücken, die sich in der evangelischen<lb/>
Kirche finden, den Finger legt, trägt sicher zum Verständnis der fremden Kon¬<lb/>
fession bei. In jedem Verständnis liegt ein Keim des Friedens, und die Geist¬<lb/>
lichen in beiden Lagern sollten sich die Kirchenhistoriker der zwei Konfessionen<lb/>
zum Vorbild und Muster Nehmen, die sich schon lange friedlich die Hände reichen»<lb/>
um große wissenschaftliche Aufgaben gemeinsam zu erledigen. - s</p><lb/>
          <p xml:id="ID_219"> Man lasse doch auch endlich begraben und in die Versenkung verschwinden,<lb/>
was in der Vergangenheit konfessionell gefehlt und gesündigt worden ist. Wozu<lb/>
den alten Kram immer wieder hervorholen? Glaubt man doch bei so manchen<lb/>
Festrednern, wir stünden Mitten in der Zeit eines Gregor des Siebenten oder<lb/>
Jnnozenz des Dritten? Als ob der moderne Staat nicht Machtmittel genug<lb/>
hätte und auch anwendete, wenn er der Ansicht ist, daß seine Rechte ange¬<lb/>
griffen werden. ^ '  ' &gt;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0059] Zur Versöhnung der Aonfessionen aber wer im Leben steht, weiß: durchführen läßt sich solches nicht. Ja die Durchführung würde nur neue Gefahren heraufbeschwören. Keiner der beiden Kirchengemeinschaften wäre damit gedient. Nein, ein jeder bleibe bei seinem Bekenntnis. Je treuer, je gewissenhafter einer bei seiner Kirche in, um so mehr wird er zur Toleranz neigen, um so leichter wird es ihm sein, den Glauben, die religiöse Überzeugung des andern Teils zu achten und zu ehren. Wer in äußer¬ licher Weise die Verschmelzung der Konfessionen anstrebt, steht zuletzt vor drei Bekenntnissen, und die Verwirrung ist danach größer als vorher. Mit dem Zu¬ sammenschieben von Formeln und Dogmen wird nichts erreicht. Der Breslauer Domherr Dr. Soltmann hat wohl den Vorschlag gemacht, in Verhandlungen ein¬ zutreten, deren Grundlagen die lutherischen Bekenntnisschriften und die Beschlüsse des Konzils von Trient bilden sollten. Die Absicht war gewiß wohlgemeint. Aber der Vorschlag war doch eine Utopie. ^ Ein andrer ^— ich glaube Professor Hieber — möchte die Anregung geben, einen konfessionellen Friedenskongreß einzuberufen 5 la Haag. Nun, an Themen wurde es da nicht fehlen. Aber Generale ohne maßgebende Truppen können nicht viel ausrichten. Und das notwendigste ist ein neuer Geist im deutschen Volke. Dann stellt sich der Friede von selbst ein. Auch Professor Harnack hat sich mit unsrer Frage viel beschäftigt. Er weist die Aufgabe, an der Beseitigung oder doch Milderung der konfessionellen Spaltung zu arbeiten, der Religion so¬ wohl wie der Wissenschaft zu. In der bekannten Rede, die er bei der Kaiserfeier (Januar 1907) hielt, wirft er die Fragen auf: Wird der Protestantismus nicht gut tun, sich zu fragen, ob die Form des Gottesdienstes, die er im sechzehnten Jahrhundert im Gegensatz zum Katholizismus festgestellt hat, in jeder Hinsicht zureichend und befriedigend ist? Steckt nicht in der katholischen Messe ein Moment und eine Ausgestaltung der Anbetung, wie sie der evangelische Gottesdienst nicht leicht erreicht? Ist nicht der Opferbegriff bei seiner Reinigung im Protestantismus zu stark zurückgedrängt worden? Ist endlich nicht die Herbeiziehung des ästhe¬ tischen Elements, der Kunst, im Gottesdienst im größern Stile wünschenswert? Wer wie Harnack mit solchem Freimut auf Lücken, die sich in der evangelischen Kirche finden, den Finger legt, trägt sicher zum Verständnis der fremden Kon¬ fession bei. In jedem Verständnis liegt ein Keim des Friedens, und die Geist¬ lichen in beiden Lagern sollten sich die Kirchenhistoriker der zwei Konfessionen zum Vorbild und Muster Nehmen, die sich schon lange friedlich die Hände reichen» um große wissenschaftliche Aufgaben gemeinsam zu erledigen. - s Man lasse doch auch endlich begraben und in die Versenkung verschwinden, was in der Vergangenheit konfessionell gefehlt und gesündigt worden ist. Wozu den alten Kram immer wieder hervorholen? Glaubt man doch bei so manchen Festrednern, wir stünden Mitten in der Zeit eines Gregor des Siebenten oder Jnnozenz des Dritten? Als ob der moderne Staat nicht Machtmittel genug hätte und auch anwendete, wenn er der Ansicht ist, daß seine Rechte ange¬ griffen werden. ^ ' ' >

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/59
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/59>, abgerufen am 24.07.2024.