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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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was ist Monismus?

keit und seiner mehr oder minder schroffen Gegensätzlichkeit dennoch aus einem
einzigen Grunde abzuleiten sucht, aus einem alleinigen Prinzip erklären will.

In diesem allgemeinsten Sinne gefaßt, liegt der Monismus dem Menschen
überhaupt im Blute. Denn der Mensch ist ein denkendes Wesen, und das mensch¬
liche Denken strebt nach Einheitlichkeit in allem, was es erfaßt. Das Kind hat
die Sehempfindung ..weiß", die Tastempfindung ..hart", die Geschmacksempfindung
..süß". Es begnügt sich nicht damit, daß diese verschiedenartigen Empfindungen
neben oder nacheinander bestehen, es bleibt auch nicht dabei stehen, daß sie
erfahrungsgemäß miteinander verbunden vorkommen. Sein primitives Denken
ist erst dann befriedigt, wenn es die verschiedenartigen Empfindungen auf ein
Ding, den Zucker, zurückgeführt hat. das ihr Grund und. zugleich Grund chrer
Verknüpfung ist. Auf dem vorläufigen, halbinstiuktiven Denken des täglichen
Lebens baut das wissenschaftliche Denken und sucht höhere Einheiten. Es ruht
nicht, bis es die verschiedenartigen Erscheinungen des Magnetismus, der Elektrizität
und des Lichts verknüpft hat. und jeder Fortschritt ihrer Zurückfllhrung auf em
einheitliches Erklärungsprinzip gilt als ein Triumph des Menschengeistes Die
stofflichen Erscheinungen führte schon ein frühes Denken auf höhere Einheiten
zurück: die vier Elemente Feuer. Wasser. Luft und Erde. Schon träumte sich
die kindliche Philosophie der alten griechischen Weisen am Ael. wenn sie die
vier Elemente als Umwandlungen eines Urftoffes zu erkennen glaubten. Alles
entsteht aus dem Wasser, sagte der eine, alles ist Luft, alles ist Feuer, behauptete
ein zweiter und dritter. Diese zu frühzeitig gewonnenen Einheiten mußten dem
Denken bei weiterin Fortschreiten wieder unter den Händen zerfallen. Mehr als
siebzig Elemente zählt die heutige Chemie, aber sie ruht und rastet nicht auf der
Suche nach dem einen Urelement. aus dem die Vielheit als seine Abwandlungen
abgeleitet werden könnte. ... .. "

,
Es wäre verwunderlich, wenn sich das Streben nach Einheit^auf der höchsten
Stufe des Denkens, dort wo es nach einer Weltanschauung sucht, nicht geltend
machen sollte. Ja hier wird es naturgemäß mit einer ganz besondern Macht
durchbrechen. Verstärkt wird der im gesamten Denken liegende Zug zur Einheit
an dieser Stelle noch durch die Verbindung mit religiösen Motiven. Solche
fehlen bei dem Suchen nach Gewinnung einer Weltanschauung selbst da nicht,
wo man einen Abschluß ohne den Gottesgedanken anstrebt. Das zeigt die
Leidenschaftlichkeit, mit der an diesem Punkte von jeder Partei gestritten ^wird.
Der Drang zur Einheit im religiösen Leben des Menschen offenbart sich dann,
daß der Polytheismus bei höherer Kultur stets in den Monotheismus"der ihm im Kampfe unterliegt, zeigt sich in den streng blaute.schen MigiMien.
wie zum Beispiel in der parsischen in dem Glauben an den schließt.chen ^leg
des guten Gottes über den bösen. Verstärkt durch den religiösen Impuls ver¬
langt das Denken gebieterisch eine oberste Einheit in der Betrachtung der Welt

Zwei letzte Gegensätze findet das Denken ans dem Wege zu dem ersehnten
Ziel, die es zu versöhnen gilt. Woher sein Weg auch komme, zuletzt tut sich


was ist Monismus?

keit und seiner mehr oder minder schroffen Gegensätzlichkeit dennoch aus einem
einzigen Grunde abzuleiten sucht, aus einem alleinigen Prinzip erklären will.

In diesem allgemeinsten Sinne gefaßt, liegt der Monismus dem Menschen
überhaupt im Blute. Denn der Mensch ist ein denkendes Wesen, und das mensch¬
liche Denken strebt nach Einheitlichkeit in allem, was es erfaßt. Das Kind hat
die Sehempfindung ..weiß", die Tastempfindung ..hart", die Geschmacksempfindung
..süß". Es begnügt sich nicht damit, daß diese verschiedenartigen Empfindungen
neben oder nacheinander bestehen, es bleibt auch nicht dabei stehen, daß sie
erfahrungsgemäß miteinander verbunden vorkommen. Sein primitives Denken
ist erst dann befriedigt, wenn es die verschiedenartigen Empfindungen auf ein
Ding, den Zucker, zurückgeführt hat. das ihr Grund und. zugleich Grund chrer
Verknüpfung ist. Auf dem vorläufigen, halbinstiuktiven Denken des täglichen
Lebens baut das wissenschaftliche Denken und sucht höhere Einheiten. Es ruht
nicht, bis es die verschiedenartigen Erscheinungen des Magnetismus, der Elektrizität
und des Lichts verknüpft hat. und jeder Fortschritt ihrer Zurückfllhrung auf em
einheitliches Erklärungsprinzip gilt als ein Triumph des Menschengeistes Die
stofflichen Erscheinungen führte schon ein frühes Denken auf höhere Einheiten
zurück: die vier Elemente Feuer. Wasser. Luft und Erde. Schon träumte sich
die kindliche Philosophie der alten griechischen Weisen am Ael. wenn sie die
vier Elemente als Umwandlungen eines Urftoffes zu erkennen glaubten. Alles
entsteht aus dem Wasser, sagte der eine, alles ist Luft, alles ist Feuer, behauptete
ein zweiter und dritter. Diese zu frühzeitig gewonnenen Einheiten mußten dem
Denken bei weiterin Fortschreiten wieder unter den Händen zerfallen. Mehr als
siebzig Elemente zählt die heutige Chemie, aber sie ruht und rastet nicht auf der
Suche nach dem einen Urelement. aus dem die Vielheit als seine Abwandlungen
abgeleitet werden könnte. ... .. „

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Es wäre verwunderlich, wenn sich das Streben nach Einheit^auf der höchsten
Stufe des Denkens, dort wo es nach einer Weltanschauung sucht, nicht geltend
machen sollte. Ja hier wird es naturgemäß mit einer ganz besondern Macht
durchbrechen. Verstärkt wird der im gesamten Denken liegende Zug zur Einheit
an dieser Stelle noch durch die Verbindung mit religiösen Motiven. Solche
fehlen bei dem Suchen nach Gewinnung einer Weltanschauung selbst da nicht,
wo man einen Abschluß ohne den Gottesgedanken anstrebt. Das zeigt die
Leidenschaftlichkeit, mit der an diesem Punkte von jeder Partei gestritten ^wird.
Der Drang zur Einheit im religiösen Leben des Menschen offenbart sich dann,
daß der Polytheismus bei höherer Kultur stets in den Monotheismus»der ihm im Kampfe unterliegt, zeigt sich in den streng blaute.schen MigiMien.
wie zum Beispiel in der parsischen in dem Glauben an den schließt.chen ^leg
des guten Gottes über den bösen. Verstärkt durch den religiösen Impuls ver¬
langt das Denken gebieterisch eine oberste Einheit in der Betrachtung der Welt

Zwei letzte Gegensätze findet das Denken ans dem Wege zu dem ersehnten
Ziel, die es zu versöhnen gilt. Woher sein Weg auch komme, zuletzt tut sich


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[0551] was ist Monismus? keit und seiner mehr oder minder schroffen Gegensätzlichkeit dennoch aus einem einzigen Grunde abzuleiten sucht, aus einem alleinigen Prinzip erklären will. In diesem allgemeinsten Sinne gefaßt, liegt der Monismus dem Menschen überhaupt im Blute. Denn der Mensch ist ein denkendes Wesen, und das mensch¬ liche Denken strebt nach Einheitlichkeit in allem, was es erfaßt. Das Kind hat die Sehempfindung ..weiß", die Tastempfindung ..hart", die Geschmacksempfindung ..süß". Es begnügt sich nicht damit, daß diese verschiedenartigen Empfindungen neben oder nacheinander bestehen, es bleibt auch nicht dabei stehen, daß sie erfahrungsgemäß miteinander verbunden vorkommen. Sein primitives Denken ist erst dann befriedigt, wenn es die verschiedenartigen Empfindungen auf ein Ding, den Zucker, zurückgeführt hat. das ihr Grund und. zugleich Grund chrer Verknüpfung ist. Auf dem vorläufigen, halbinstiuktiven Denken des täglichen Lebens baut das wissenschaftliche Denken und sucht höhere Einheiten. Es ruht nicht, bis es die verschiedenartigen Erscheinungen des Magnetismus, der Elektrizität und des Lichts verknüpft hat. und jeder Fortschritt ihrer Zurückfllhrung auf em einheitliches Erklärungsprinzip gilt als ein Triumph des Menschengeistes Die stofflichen Erscheinungen führte schon ein frühes Denken auf höhere Einheiten zurück: die vier Elemente Feuer. Wasser. Luft und Erde. Schon träumte sich die kindliche Philosophie der alten griechischen Weisen am Ael. wenn sie die vier Elemente als Umwandlungen eines Urftoffes zu erkennen glaubten. Alles entsteht aus dem Wasser, sagte der eine, alles ist Luft, alles ist Feuer, behauptete ein zweiter und dritter. Diese zu frühzeitig gewonnenen Einheiten mußten dem Denken bei weiterin Fortschreiten wieder unter den Händen zerfallen. Mehr als siebzig Elemente zählt die heutige Chemie, aber sie ruht und rastet nicht auf der Suche nach dem einen Urelement. aus dem die Vielheit als seine Abwandlungen abgeleitet werden könnte. ... .. „ , Es wäre verwunderlich, wenn sich das Streben nach Einheit^auf der höchsten Stufe des Denkens, dort wo es nach einer Weltanschauung sucht, nicht geltend machen sollte. Ja hier wird es naturgemäß mit einer ganz besondern Macht durchbrechen. Verstärkt wird der im gesamten Denken liegende Zug zur Einheit an dieser Stelle noch durch die Verbindung mit religiösen Motiven. Solche fehlen bei dem Suchen nach Gewinnung einer Weltanschauung selbst da nicht, wo man einen Abschluß ohne den Gottesgedanken anstrebt. Das zeigt die Leidenschaftlichkeit, mit der an diesem Punkte von jeder Partei gestritten ^wird. Der Drang zur Einheit im religiösen Leben des Menschen offenbart sich dann, daß der Polytheismus bei höherer Kultur stets in den Monotheismus»der ihm im Kampfe unterliegt, zeigt sich in den streng blaute.schen MigiMien. wie zum Beispiel in der parsischen in dem Glauben an den schließt.chen ^leg des guten Gottes über den bösen. Verstärkt durch den religiösen Impuls ver¬ langt das Denken gebieterisch eine oberste Einheit in der Betrachtung der Welt Zwei letzte Gegensätze findet das Denken ans dem Wege zu dem ersehnten Ziel, die es zu versöhnen gilt. Woher sein Weg auch komme, zuletzt tut sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/551>, abgerufen am 24.07.2024.