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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Hofleben und Staatsorganismus in Siam

Fuß den zierlichen Schlössern zu, die die Höhe krönen. Sie waren einst des Königs
Lieblingsaufenthalt, jetzt breitet sich der Hauch kahler Nüchternheit, resignierten
Ersterbens über den weiten Gemächern, während draußen die Symphonie
jauchzenden Lebens triumphiert. Nach Bcmgpain geht er wohl hin und wieder
noch, wenn eine just anwesende fremde Fürstlichkeit eine jener zauberhaften
Nächte, wie sie dieses Insel- und Gartenidyll mit seinen pittoresken Bau¬
werken in früherer Zeit so häusig gesehen hat, durchzukosten das Verlangen
trägt. Jetzt liebt es wohl der König, sich in ganz modernen Garten- und
Schloßanlagen aufzuhalten, und so entstand der Dusitpark, ein zweites Schön-
brunn. Hier bringt er gern den Sommer zu, wenn er nicht unterwegs ist.
Denn alljährlich pflegt er auf seiner Jacht eine Erholungs- und Regierungs¬
reise nach den Vasallenstaaten im Süden der Halbinsel Malakka zu unter¬
nehmen. Diese Jacht, die Maha Chakkri (großes Rad), hat den König schon
auf seinen großen Europareisen begleitet. Sie ist eine Art kleines Kriegs¬
schiff von etwa dreitausend Tonnen, mit Schnellfeuergeschützcn und etlichen
großkalibrigen Stücken armiert. Die Offiziere sind zum großen Teil Ausländer,
namentlich Skandinavier.

In dem anerkennenswerten Streben, Land und Volk auf ein höheres
Kulturniveau zu bringen, erstreckt er seine Reisen zunächst auf die benach¬
barten, hochentwickelten Kolonien Großbritanniens und der Niederlande, um von
ihnen zu lernen, wie unter den gleichen klimatischen Bedingungen durch eine
einsichtsvolle Verwaltung Großes zu erreichen sei.

Während es früher infolge der größern Reisen und der hiermit ver-
bundnen Mehrausgaben vorkommen konnte, daß der ganze Staatshaushaltungs¬
etat umgeworfen werden mußte, um die großen Unkosten zu decken, ist dies
jetzt dank einer straffem Finanzorganisation nicht mehr möglich. Die königliche
Gewalt ist zwar durch keinerlei Gegengewicht konstitutioneller Art beschränkt,
der Monarch ist absoluter Herrscher. Sein Absolutismus ist trotz der Mo¬
dernisierung des Landes heute sogar fester gegründet als zeitweise unter seinen
Vorgängern. Früher war die königliche Gewalt vielfach durch die Macht der
Großen, die in dem Senabodi ("Rat der Alten") verkörpert war, und durch
die Institution des zweiten Königs beschränkt worden. So ist noch der Vor¬
gänger des Monarchen, König Mongkut, gegen den Willen des frühern
Herrschers von den Großen aus seiner Klostereinsamkeit geholt und auf den
Thron gesetzt worden. Es herrschte damals ein Feudalismus, der sich nicht,
wie etwa in Europa, auf territorialen Besitz aufbaute, sondern auf der Zu¬
teilung großer Gefolgschaften und zahlloser Dienstmannen durch den König
beruht. Innerhalb dieser Beamtenaristokratie entwickelte sich dann eine Art
Erblichkeit, die diese Familien zu einer zweiten, teilweise bedenklichen Macht
erhob, von der auch das Schicksal der Könige abhängig werden konnte.

Auch die Institution des zweiten Königs scheint für immer geschwunden-
Ursprünglich als ein Gegenwinde gegen die Übermacht des ersten Königs


Hofleben und Staatsorganismus in Siam

Fuß den zierlichen Schlössern zu, die die Höhe krönen. Sie waren einst des Königs
Lieblingsaufenthalt, jetzt breitet sich der Hauch kahler Nüchternheit, resignierten
Ersterbens über den weiten Gemächern, während draußen die Symphonie
jauchzenden Lebens triumphiert. Nach Bcmgpain geht er wohl hin und wieder
noch, wenn eine just anwesende fremde Fürstlichkeit eine jener zauberhaften
Nächte, wie sie dieses Insel- und Gartenidyll mit seinen pittoresken Bau¬
werken in früherer Zeit so häusig gesehen hat, durchzukosten das Verlangen
trägt. Jetzt liebt es wohl der König, sich in ganz modernen Garten- und
Schloßanlagen aufzuhalten, und so entstand der Dusitpark, ein zweites Schön-
brunn. Hier bringt er gern den Sommer zu, wenn er nicht unterwegs ist.
Denn alljährlich pflegt er auf seiner Jacht eine Erholungs- und Regierungs¬
reise nach den Vasallenstaaten im Süden der Halbinsel Malakka zu unter¬
nehmen. Diese Jacht, die Maha Chakkri (großes Rad), hat den König schon
auf seinen großen Europareisen begleitet. Sie ist eine Art kleines Kriegs¬
schiff von etwa dreitausend Tonnen, mit Schnellfeuergeschützcn und etlichen
großkalibrigen Stücken armiert. Die Offiziere sind zum großen Teil Ausländer,
namentlich Skandinavier.

In dem anerkennenswerten Streben, Land und Volk auf ein höheres
Kulturniveau zu bringen, erstreckt er seine Reisen zunächst auf die benach¬
barten, hochentwickelten Kolonien Großbritanniens und der Niederlande, um von
ihnen zu lernen, wie unter den gleichen klimatischen Bedingungen durch eine
einsichtsvolle Verwaltung Großes zu erreichen sei.

Während es früher infolge der größern Reisen und der hiermit ver-
bundnen Mehrausgaben vorkommen konnte, daß der ganze Staatshaushaltungs¬
etat umgeworfen werden mußte, um die großen Unkosten zu decken, ist dies
jetzt dank einer straffem Finanzorganisation nicht mehr möglich. Die königliche
Gewalt ist zwar durch keinerlei Gegengewicht konstitutioneller Art beschränkt,
der Monarch ist absoluter Herrscher. Sein Absolutismus ist trotz der Mo¬
dernisierung des Landes heute sogar fester gegründet als zeitweise unter seinen
Vorgängern. Früher war die königliche Gewalt vielfach durch die Macht der
Großen, die in dem Senabodi („Rat der Alten") verkörpert war, und durch
die Institution des zweiten Königs beschränkt worden. So ist noch der Vor¬
gänger des Monarchen, König Mongkut, gegen den Willen des frühern
Herrschers von den Großen aus seiner Klostereinsamkeit geholt und auf den
Thron gesetzt worden. Es herrschte damals ein Feudalismus, der sich nicht,
wie etwa in Europa, auf territorialen Besitz aufbaute, sondern auf der Zu¬
teilung großer Gefolgschaften und zahlloser Dienstmannen durch den König
beruht. Innerhalb dieser Beamtenaristokratie entwickelte sich dann eine Art
Erblichkeit, die diese Familien zu einer zweiten, teilweise bedenklichen Macht
erhob, von der auch das Schicksal der Könige abhängig werden konnte.

Auch die Institution des zweiten Königs scheint für immer geschwunden-
Ursprünglich als ein Gegenwinde gegen die Übermacht des ersten Königs


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/548>, abgerufen am 24.07.2024.