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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Hofleben und Staatsorganismus in Siam

ihr Auge spiegelt solche reine, selbstlose Güte wider, daß man durchaus sym¬
pathisch berührt ist. Ihr Alter ist schwer zu bestimmen, aber allzu jung wird
sie nicht mehr sein.

Den König sieht man in seiner Hauptstadt sozusagen aller Nasen lang
bei den zahllosen Festen, die sich während der trocknen Jahreszeit unaufhörlich
abspielen, denn das Siamesische Leben geht größtenteils in der Öffentlichkeit
vor sich. Bei solcher Gelegenheit entfaltet er natürlich königlichen Prunk,
läßt sich wohl in goldner Sänfte tragen, wobei er sich gern als liebevollen
Familienvater zeigt, dem einige seiner jüngsten Sprossen zu Füßen hocken.
Dann verneigt sich alles Volk in ehrfurchtsvollem Schweigen, die Hände
gegen die Stirn zusammengelegt als Zeichen der Unterwürfigkeit. Früher
wagte keine Menschenseele, sich beim Erscheinen des Allgewaltigen blicken zu
lassen, später warf man sich vor ihm zu Boden, bis sich der König all solche
Zeichen sklavischer Unterwürfigkeit verbat, denn er hat von Anfang an das
Bestreben gezeigt, ein moderner Herrscher zu sein. Er gibt sich ganz unge¬
zwungen, so wenn er, wie bei seinem Aufenthalt in Deutschland vor zwei
Jahren, etwa im Kaufhause des Westens zu Berlin seine Einkäufe besorgt.
Oder er macht rasch eine photographische Aufnahme, stellt auch unbedenklich
bei besonderm Anlaß, so bei einem großen Basar zum Besten eines Tempel¬
baues, des für einen Buddhisten verdienstvollsten Werkes, seine Kunst der
guten Sache zur Verfügung -- die Aufnahme für fünfzig Tikal. Ich er¬
innere mich einer niedlichen Episode, die diese zwanglose Liebenswürdigkeit
des Königs kennzeichnet, und die bei einem orientalischen Herrscher doppelt
bemerkenswert ist. Es war bei einer jener seltnen, einzigartigen Elefanten¬
jagden im großen Kraal bei Ajuthia. Der Monarch stand auf einer erhöhten
Plattform, umgeben von photographischen Apparaten, um die spannendsten
Phasen der wechselnden Bilder aus dem Filu festzuhalten. In einer Pause
fällt ihm unten zu seiner Rechten die zierliche Gestalt einer anmutigen
Japanerin, der Gemahlin des bei ihm akkreditierten japanischen Gesandten auf.
vom Sonnenlicht hell überflutet, dahinter als wirkungsvolle Staffage das
diplomatische Korps. Wir hatten die kleine Frau, die in ihrem Kimono wie
ein buntes Vögelchen herumhüpfte, alle gern. Das "Genrebildchen" reizte
den König; geschwind richtete er den Kodak darauf, aber die kleine Frau,
nicht faul, zückte ebenso flink mit einem schalkhaften Lächeln ihren Apparat.
Der König lachte und ließ sich ruhig abtypen, worauf auch sein Gegenüber
willig standhielt. Einige Tage später, bei einem Gartenfeste des japanischen
Gesandten, wies unsre kleine oog,ut^ triumphierend das wohlgelungne Konterfei
des Königs vor und berichtete strahlend, daß der liebenswürdige Monarch ihr
soeben die von ihm aufgenommne, ganz famose Photographie übersandt und
um Gegenüberweisung gebeten habe. Das ist ganz König Chulalongkorn.

Als loyaler und liebenswürdiger Monarch ist er ja gerade in Deutsch¬
land von seinem letzten Aufenthalt her in bester Erinnerung. Seine Züge


Hofleben und Staatsorganismus in Siam

ihr Auge spiegelt solche reine, selbstlose Güte wider, daß man durchaus sym¬
pathisch berührt ist. Ihr Alter ist schwer zu bestimmen, aber allzu jung wird
sie nicht mehr sein.

Den König sieht man in seiner Hauptstadt sozusagen aller Nasen lang
bei den zahllosen Festen, die sich während der trocknen Jahreszeit unaufhörlich
abspielen, denn das Siamesische Leben geht größtenteils in der Öffentlichkeit
vor sich. Bei solcher Gelegenheit entfaltet er natürlich königlichen Prunk,
läßt sich wohl in goldner Sänfte tragen, wobei er sich gern als liebevollen
Familienvater zeigt, dem einige seiner jüngsten Sprossen zu Füßen hocken.
Dann verneigt sich alles Volk in ehrfurchtsvollem Schweigen, die Hände
gegen die Stirn zusammengelegt als Zeichen der Unterwürfigkeit. Früher
wagte keine Menschenseele, sich beim Erscheinen des Allgewaltigen blicken zu
lassen, später warf man sich vor ihm zu Boden, bis sich der König all solche
Zeichen sklavischer Unterwürfigkeit verbat, denn er hat von Anfang an das
Bestreben gezeigt, ein moderner Herrscher zu sein. Er gibt sich ganz unge¬
zwungen, so wenn er, wie bei seinem Aufenthalt in Deutschland vor zwei
Jahren, etwa im Kaufhause des Westens zu Berlin seine Einkäufe besorgt.
Oder er macht rasch eine photographische Aufnahme, stellt auch unbedenklich
bei besonderm Anlaß, so bei einem großen Basar zum Besten eines Tempel¬
baues, des für einen Buddhisten verdienstvollsten Werkes, seine Kunst der
guten Sache zur Verfügung — die Aufnahme für fünfzig Tikal. Ich er¬
innere mich einer niedlichen Episode, die diese zwanglose Liebenswürdigkeit
des Königs kennzeichnet, und die bei einem orientalischen Herrscher doppelt
bemerkenswert ist. Es war bei einer jener seltnen, einzigartigen Elefanten¬
jagden im großen Kraal bei Ajuthia. Der Monarch stand auf einer erhöhten
Plattform, umgeben von photographischen Apparaten, um die spannendsten
Phasen der wechselnden Bilder aus dem Filu festzuhalten. In einer Pause
fällt ihm unten zu seiner Rechten die zierliche Gestalt einer anmutigen
Japanerin, der Gemahlin des bei ihm akkreditierten japanischen Gesandten auf.
vom Sonnenlicht hell überflutet, dahinter als wirkungsvolle Staffage das
diplomatische Korps. Wir hatten die kleine Frau, die in ihrem Kimono wie
ein buntes Vögelchen herumhüpfte, alle gern. Das „Genrebildchen" reizte
den König; geschwind richtete er den Kodak darauf, aber die kleine Frau,
nicht faul, zückte ebenso flink mit einem schalkhaften Lächeln ihren Apparat.
Der König lachte und ließ sich ruhig abtypen, worauf auch sein Gegenüber
willig standhielt. Einige Tage später, bei einem Gartenfeste des japanischen
Gesandten, wies unsre kleine oog,ut^ triumphierend das wohlgelungne Konterfei
des Königs vor und berichtete strahlend, daß der liebenswürdige Monarch ihr
soeben die von ihm aufgenommne, ganz famose Photographie übersandt und
um Gegenüberweisung gebeten habe. Das ist ganz König Chulalongkorn.

Als loyaler und liebenswürdiger Monarch ist er ja gerade in Deutsch¬
land von seinem letzten Aufenthalt her in bester Erinnerung. Seine Züge


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[0543] Hofleben und Staatsorganismus in Siam ihr Auge spiegelt solche reine, selbstlose Güte wider, daß man durchaus sym¬ pathisch berührt ist. Ihr Alter ist schwer zu bestimmen, aber allzu jung wird sie nicht mehr sein. Den König sieht man in seiner Hauptstadt sozusagen aller Nasen lang bei den zahllosen Festen, die sich während der trocknen Jahreszeit unaufhörlich abspielen, denn das Siamesische Leben geht größtenteils in der Öffentlichkeit vor sich. Bei solcher Gelegenheit entfaltet er natürlich königlichen Prunk, läßt sich wohl in goldner Sänfte tragen, wobei er sich gern als liebevollen Familienvater zeigt, dem einige seiner jüngsten Sprossen zu Füßen hocken. Dann verneigt sich alles Volk in ehrfurchtsvollem Schweigen, die Hände gegen die Stirn zusammengelegt als Zeichen der Unterwürfigkeit. Früher wagte keine Menschenseele, sich beim Erscheinen des Allgewaltigen blicken zu lassen, später warf man sich vor ihm zu Boden, bis sich der König all solche Zeichen sklavischer Unterwürfigkeit verbat, denn er hat von Anfang an das Bestreben gezeigt, ein moderner Herrscher zu sein. Er gibt sich ganz unge¬ zwungen, so wenn er, wie bei seinem Aufenthalt in Deutschland vor zwei Jahren, etwa im Kaufhause des Westens zu Berlin seine Einkäufe besorgt. Oder er macht rasch eine photographische Aufnahme, stellt auch unbedenklich bei besonderm Anlaß, so bei einem großen Basar zum Besten eines Tempel¬ baues, des für einen Buddhisten verdienstvollsten Werkes, seine Kunst der guten Sache zur Verfügung — die Aufnahme für fünfzig Tikal. Ich er¬ innere mich einer niedlichen Episode, die diese zwanglose Liebenswürdigkeit des Königs kennzeichnet, und die bei einem orientalischen Herrscher doppelt bemerkenswert ist. Es war bei einer jener seltnen, einzigartigen Elefanten¬ jagden im großen Kraal bei Ajuthia. Der Monarch stand auf einer erhöhten Plattform, umgeben von photographischen Apparaten, um die spannendsten Phasen der wechselnden Bilder aus dem Filu festzuhalten. In einer Pause fällt ihm unten zu seiner Rechten die zierliche Gestalt einer anmutigen Japanerin, der Gemahlin des bei ihm akkreditierten japanischen Gesandten auf. vom Sonnenlicht hell überflutet, dahinter als wirkungsvolle Staffage das diplomatische Korps. Wir hatten die kleine Frau, die in ihrem Kimono wie ein buntes Vögelchen herumhüpfte, alle gern. Das „Genrebildchen" reizte den König; geschwind richtete er den Kodak darauf, aber die kleine Frau, nicht faul, zückte ebenso flink mit einem schalkhaften Lächeln ihren Apparat. Der König lachte und ließ sich ruhig abtypen, worauf auch sein Gegenüber willig standhielt. Einige Tage später, bei einem Gartenfeste des japanischen Gesandten, wies unsre kleine oog,ut^ triumphierend das wohlgelungne Konterfei des Königs vor und berichtete strahlend, daß der liebenswürdige Monarch ihr soeben die von ihm aufgenommne, ganz famose Photographie übersandt und um Gegenüberweisung gebeten habe. Das ist ganz König Chulalongkorn. Als loyaler und liebenswürdiger Monarch ist er ja gerade in Deutsch¬ land von seinem letzten Aufenthalt her in bester Erinnerung. Seine Züge

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/543>, abgerufen am 24.07.2024.