Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Drahtlose Telegraphie "ut Telephonie mittels elektrischer Wellen

Den Ausgangspunkt für das von Poulscn angewandte Verfahren zur Er¬
zeugung ungedämpfter elektrischer Schwingungen bilden der Simonsche tönende
Flammenbogen und die Untersuchungen Simons und des englischen Physikers
Duddell über dieses Phänomen. schaltet man parallel zu einem durch Gleich¬
strom gespeisten elektrischen Lichtbogen einen Wechselstromkreis mit passender
Kapazität und Selbstinduktion, so wird der Lichtbogen ertönen und im Wechsel¬
stromkreise ein Wechselstrom auftreten, der dieselbe Wechselzahl hat wie der des
elektrischen Lichtbogens. Duddell hat bereits 1900 mit einer solchen Anordnung
Wechselströme von 30000 bis 40000 Schwingungen in der Sekunde erzeugt.
Solche Zahlen genügen aber noch nicht für die drahtlose Telegraphie. Hier
setzt die Poulsensche Erfindung ein. Poulsen fand 1903, daß man mit dem
elektrischen Lichtbogen weit höhere Schwingungszahlen, und zwar eine Million
Schwingungen und mehr in der Sekunde erzeugen kann, wenn man den Licht¬
bogen in eine init Wasserstoff oder Leuchtgas gefüllte Hülle einschließt und ihn
zwischen einer kalten Mctallelektrode als positivem und einer großen Kohlen-
elektrode als negativem Pol übergehen läßt, während zugleich ein starkes trans¬
versales Magnetfeld auf den Bogen wirkt. Von diesen Neuerungen nimmt Elihu
Thomson die Verwendung der abgekühlten Mctallelektrode als sein geistiges
Eigentum in Anspruch; er will mit einer ihm 1892 patentierten derartigen An¬
ordnung schon Schwingungen bis zu 50000 in der Sekunde erhalten haben.
Die eigentliche Erfindung Poulsens bestünde also lediglich in der Verwendung
von Wasserstoff oder einer wasserstoffhaltigen Atmosphäre, in der er den elek¬
trischen Lichtbogen brennen läßt. Die Anwendung des Magnetfeldes hat nur
nebensächliche Bedeutung; es ist auch schon 1894 von Nikola Testa zur Er¬
zeugung von Hochfrequenzschwingungen angewandt worden.

Im Empfänger nutzt Poulsen das Nesonanzprinzip in vollstem Maße
aus. Er benutzt für den Wellenanzeiger einen Schwingungskreis mit geringster
Dämpfung und koppelt diesen so lose wie möglich mit dem Luftleiter. Da die
Wellen in unaufhörlicher Folge eintreffen, so darf der Wellenanzeiger nicht
dauernd, sondern nur intermittierend in den Empfangsschwingungskreis ein¬
geschaltet werden. Dem Apparat für die Herstellung des intermittierenden Kontakts
gibt Poulsen den Namen Tikker; er besteht aus einem kleinen elektromagnetisch
angetriebnen Unterbrecher oder einem Zahnrad. Durch die in unaufhörlicher
Folge eintreffenden Wellen gerät der Empfangskreis gut in Schwingungen; nun
wird plötzlich durch den Tikker der Wellenanzeiger eingeschaltet und in ihm die
während einer kleinen Spanne Zeit angesammelte Energie zur Wirkung gebracht.
Darauf wird der Wellenanzeiger durch den Tikker wieder ausgeschaltet, und das
Spiel beginnt von neuem. Der Tikker wirkt also hier auf der Empfangsstation
in ähnlicher Weise wie die Anordnung von Erhöhungen auf der Mittelscheibe
des Marconisenders der transatlantischen Stationen.

Für den transatlantischen Dienst wird der Marconigesellschaft durch die im
Bau befindliche Großstation in Knockroe (England) und eine Gegenstativn in


Drahtlose Telegraphie »ut Telephonie mittels elektrischer Wellen

Den Ausgangspunkt für das von Poulscn angewandte Verfahren zur Er¬
zeugung ungedämpfter elektrischer Schwingungen bilden der Simonsche tönende
Flammenbogen und die Untersuchungen Simons und des englischen Physikers
Duddell über dieses Phänomen. schaltet man parallel zu einem durch Gleich¬
strom gespeisten elektrischen Lichtbogen einen Wechselstromkreis mit passender
Kapazität und Selbstinduktion, so wird der Lichtbogen ertönen und im Wechsel¬
stromkreise ein Wechselstrom auftreten, der dieselbe Wechselzahl hat wie der des
elektrischen Lichtbogens. Duddell hat bereits 1900 mit einer solchen Anordnung
Wechselströme von 30000 bis 40000 Schwingungen in der Sekunde erzeugt.
Solche Zahlen genügen aber noch nicht für die drahtlose Telegraphie. Hier
setzt die Poulsensche Erfindung ein. Poulsen fand 1903, daß man mit dem
elektrischen Lichtbogen weit höhere Schwingungszahlen, und zwar eine Million
Schwingungen und mehr in der Sekunde erzeugen kann, wenn man den Licht¬
bogen in eine init Wasserstoff oder Leuchtgas gefüllte Hülle einschließt und ihn
zwischen einer kalten Mctallelektrode als positivem und einer großen Kohlen-
elektrode als negativem Pol übergehen läßt, während zugleich ein starkes trans¬
versales Magnetfeld auf den Bogen wirkt. Von diesen Neuerungen nimmt Elihu
Thomson die Verwendung der abgekühlten Mctallelektrode als sein geistiges
Eigentum in Anspruch; er will mit einer ihm 1892 patentierten derartigen An¬
ordnung schon Schwingungen bis zu 50000 in der Sekunde erhalten haben.
Die eigentliche Erfindung Poulsens bestünde also lediglich in der Verwendung
von Wasserstoff oder einer wasserstoffhaltigen Atmosphäre, in der er den elek¬
trischen Lichtbogen brennen läßt. Die Anwendung des Magnetfeldes hat nur
nebensächliche Bedeutung; es ist auch schon 1894 von Nikola Testa zur Er¬
zeugung von Hochfrequenzschwingungen angewandt worden.

Im Empfänger nutzt Poulsen das Nesonanzprinzip in vollstem Maße
aus. Er benutzt für den Wellenanzeiger einen Schwingungskreis mit geringster
Dämpfung und koppelt diesen so lose wie möglich mit dem Luftleiter. Da die
Wellen in unaufhörlicher Folge eintreffen, so darf der Wellenanzeiger nicht
dauernd, sondern nur intermittierend in den Empfangsschwingungskreis ein¬
geschaltet werden. Dem Apparat für die Herstellung des intermittierenden Kontakts
gibt Poulsen den Namen Tikker; er besteht aus einem kleinen elektromagnetisch
angetriebnen Unterbrecher oder einem Zahnrad. Durch die in unaufhörlicher
Folge eintreffenden Wellen gerät der Empfangskreis gut in Schwingungen; nun
wird plötzlich durch den Tikker der Wellenanzeiger eingeschaltet und in ihm die
während einer kleinen Spanne Zeit angesammelte Energie zur Wirkung gebracht.
Darauf wird der Wellenanzeiger durch den Tikker wieder ausgeschaltet, und das
Spiel beginnt von neuem. Der Tikker wirkt also hier auf der Empfangsstation
in ähnlicher Weise wie die Anordnung von Erhöhungen auf der Mittelscheibe
des Marconisenders der transatlantischen Stationen.

Für den transatlantischen Dienst wird der Marconigesellschaft durch die im
Bau befindliche Großstation in Knockroe (England) und eine Gegenstativn in


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0518" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314865"/>
          <fw type="header" place="top"> Drahtlose Telegraphie »ut Telephonie mittels elektrischer Wellen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2370"> Den Ausgangspunkt für das von Poulscn angewandte Verfahren zur Er¬<lb/>
zeugung ungedämpfter elektrischer Schwingungen bilden der Simonsche tönende<lb/>
Flammenbogen und die Untersuchungen Simons und des englischen Physikers<lb/>
Duddell über dieses Phänomen. schaltet man parallel zu einem durch Gleich¬<lb/>
strom gespeisten elektrischen Lichtbogen einen Wechselstromkreis mit passender<lb/>
Kapazität und Selbstinduktion, so wird der Lichtbogen ertönen und im Wechsel¬<lb/>
stromkreise ein Wechselstrom auftreten, der dieselbe Wechselzahl hat wie der des<lb/>
elektrischen Lichtbogens. Duddell hat bereits 1900 mit einer solchen Anordnung<lb/>
Wechselströme von 30000 bis 40000 Schwingungen in der Sekunde erzeugt.<lb/>
Solche Zahlen genügen aber noch nicht für die drahtlose Telegraphie. Hier<lb/>
setzt die Poulsensche Erfindung ein. Poulsen fand 1903, daß man mit dem<lb/>
elektrischen Lichtbogen weit höhere Schwingungszahlen, und zwar eine Million<lb/>
Schwingungen und mehr in der Sekunde erzeugen kann, wenn man den Licht¬<lb/>
bogen in eine init Wasserstoff oder Leuchtgas gefüllte Hülle einschließt und ihn<lb/>
zwischen einer kalten Mctallelektrode als positivem und einer großen Kohlen-<lb/>
elektrode als negativem Pol übergehen läßt, während zugleich ein starkes trans¬<lb/>
versales Magnetfeld auf den Bogen wirkt. Von diesen Neuerungen nimmt Elihu<lb/>
Thomson die Verwendung der abgekühlten Mctallelektrode als sein geistiges<lb/>
Eigentum in Anspruch; er will mit einer ihm 1892 patentierten derartigen An¬<lb/>
ordnung schon Schwingungen bis zu 50000 in der Sekunde erhalten haben.<lb/>
Die eigentliche Erfindung Poulsens bestünde also lediglich in der Verwendung<lb/>
von Wasserstoff oder einer wasserstoffhaltigen Atmosphäre, in der er den elek¬<lb/>
trischen Lichtbogen brennen läßt. Die Anwendung des Magnetfeldes hat nur<lb/>
nebensächliche Bedeutung; es ist auch schon 1894 von Nikola Testa zur Er¬<lb/>
zeugung von Hochfrequenzschwingungen angewandt worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2371"> Im Empfänger nutzt Poulsen das Nesonanzprinzip in vollstem Maße<lb/>
aus. Er benutzt für den Wellenanzeiger einen Schwingungskreis mit geringster<lb/>
Dämpfung und koppelt diesen so lose wie möglich mit dem Luftleiter. Da die<lb/>
Wellen in unaufhörlicher Folge eintreffen, so darf der Wellenanzeiger nicht<lb/>
dauernd, sondern nur intermittierend in den Empfangsschwingungskreis ein¬<lb/>
geschaltet werden. Dem Apparat für die Herstellung des intermittierenden Kontakts<lb/>
gibt Poulsen den Namen Tikker; er besteht aus einem kleinen elektromagnetisch<lb/>
angetriebnen Unterbrecher oder einem Zahnrad. Durch die in unaufhörlicher<lb/>
Folge eintreffenden Wellen gerät der Empfangskreis gut in Schwingungen; nun<lb/>
wird plötzlich durch den Tikker der Wellenanzeiger eingeschaltet und in ihm die<lb/>
während einer kleinen Spanne Zeit angesammelte Energie zur Wirkung gebracht.<lb/>
Darauf wird der Wellenanzeiger durch den Tikker wieder ausgeschaltet, und das<lb/>
Spiel beginnt von neuem. Der Tikker wirkt also hier auf der Empfangsstation<lb/>
in ähnlicher Weise wie die Anordnung von Erhöhungen auf der Mittelscheibe<lb/>
des Marconisenders der transatlantischen Stationen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2372" next="#ID_2373"> Für den transatlantischen Dienst wird der Marconigesellschaft durch die im<lb/>
Bau befindliche Großstation in Knockroe (England) und eine Gegenstativn in</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0518] Drahtlose Telegraphie »ut Telephonie mittels elektrischer Wellen Den Ausgangspunkt für das von Poulscn angewandte Verfahren zur Er¬ zeugung ungedämpfter elektrischer Schwingungen bilden der Simonsche tönende Flammenbogen und die Untersuchungen Simons und des englischen Physikers Duddell über dieses Phänomen. schaltet man parallel zu einem durch Gleich¬ strom gespeisten elektrischen Lichtbogen einen Wechselstromkreis mit passender Kapazität und Selbstinduktion, so wird der Lichtbogen ertönen und im Wechsel¬ stromkreise ein Wechselstrom auftreten, der dieselbe Wechselzahl hat wie der des elektrischen Lichtbogens. Duddell hat bereits 1900 mit einer solchen Anordnung Wechselströme von 30000 bis 40000 Schwingungen in der Sekunde erzeugt. Solche Zahlen genügen aber noch nicht für die drahtlose Telegraphie. Hier setzt die Poulsensche Erfindung ein. Poulsen fand 1903, daß man mit dem elektrischen Lichtbogen weit höhere Schwingungszahlen, und zwar eine Million Schwingungen und mehr in der Sekunde erzeugen kann, wenn man den Licht¬ bogen in eine init Wasserstoff oder Leuchtgas gefüllte Hülle einschließt und ihn zwischen einer kalten Mctallelektrode als positivem und einer großen Kohlen- elektrode als negativem Pol übergehen läßt, während zugleich ein starkes trans¬ versales Magnetfeld auf den Bogen wirkt. Von diesen Neuerungen nimmt Elihu Thomson die Verwendung der abgekühlten Mctallelektrode als sein geistiges Eigentum in Anspruch; er will mit einer ihm 1892 patentierten derartigen An¬ ordnung schon Schwingungen bis zu 50000 in der Sekunde erhalten haben. Die eigentliche Erfindung Poulsens bestünde also lediglich in der Verwendung von Wasserstoff oder einer wasserstoffhaltigen Atmosphäre, in der er den elek¬ trischen Lichtbogen brennen läßt. Die Anwendung des Magnetfeldes hat nur nebensächliche Bedeutung; es ist auch schon 1894 von Nikola Testa zur Er¬ zeugung von Hochfrequenzschwingungen angewandt worden. Im Empfänger nutzt Poulsen das Nesonanzprinzip in vollstem Maße aus. Er benutzt für den Wellenanzeiger einen Schwingungskreis mit geringster Dämpfung und koppelt diesen so lose wie möglich mit dem Luftleiter. Da die Wellen in unaufhörlicher Folge eintreffen, so darf der Wellenanzeiger nicht dauernd, sondern nur intermittierend in den Empfangsschwingungskreis ein¬ geschaltet werden. Dem Apparat für die Herstellung des intermittierenden Kontakts gibt Poulsen den Namen Tikker; er besteht aus einem kleinen elektromagnetisch angetriebnen Unterbrecher oder einem Zahnrad. Durch die in unaufhörlicher Folge eintreffenden Wellen gerät der Empfangskreis gut in Schwingungen; nun wird plötzlich durch den Tikker der Wellenanzeiger eingeschaltet und in ihm die während einer kleinen Spanne Zeit angesammelte Energie zur Wirkung gebracht. Darauf wird der Wellenanzeiger durch den Tikker wieder ausgeschaltet, und das Spiel beginnt von neuem. Der Tikker wirkt also hier auf der Empfangsstation in ähnlicher Weise wie die Anordnung von Erhöhungen auf der Mittelscheibe des Marconisenders der transatlantischen Stationen. Für den transatlantischen Dienst wird der Marconigesellschaft durch die im Bau befindliche Großstation in Knockroe (England) und eine Gegenstativn in

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/518
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/518>, abgerufen am 24.07.2024.