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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Drahtlose Telegraphie und Telephonie mittels elektrischer Wellen

nicht zum Segen der Marconigesellschaft. Die Einsicht, daß ihre Politik
verfehlt war, kommt der Marconigesellschaft zu spät. Sobald noch Gro߬
britannien dem Zusatzabkommen zu dem internationalen Funkentelegraphenver-
trage beigetreten sein wird, das zum Verkehr der Schiffe untereinander ohne
Rücksicht auf das verwandte System verpflichtet, kann das Marconimonopol
als erloschen angesehen werden. Auch Italien wird sich nach Ablauf seiner
mit Marconi geschlossenen Verträge dem Beitritt zu dem internationalen Funken-
telegraphenvertrage wohl nicht entziehn. Es kann der Marconigesellschaft nur
angeraten werden, ihre noch jetzt ablehnende Haltung bei der Vermittlung des
Verkehrs von Schiff zu Schiff in den atlantischen Gewässern aufzugeben.
Privatmonopole, die den Weltverkehr hemmen, haben keine Daseinsberechtigung;
sie müssen im Interesse des Kulturfortschritts beseitigt werden.

Es ist wohl kaum anzunehmen, daß deutsches Kapital an den Gründungen
der Marconigesellschaft beteiligt ist. wenigstens ist in den Zeitungen mehrfach
vor einer solchen Beteiligung gewarnt worden. Trotz der nicht ungünstigen
Aussichten der transatlantischen Funkentelegwphie muß diese Warnung als be¬
rechtigt angesehen werden. Die Marconigesellschaft hat kürzlich durch Ausgabe
von 5 Millionen Mark Vorzugsaktien ihr Aktienkapital von 10 Millionen Mark
auf 15 Millionen Mark erhöht. Ein Teil der neuen Mittel soll zur Lösung
bestehender Verbindlichkeiten benntzt werden, sodaß anscheinend nur wenig zur
Durchführung neuer Unternehmungen übrig bleiben wird. Die Vorzugsaktien
sollen zunächst 7 Prozent Dividende erhalten; die alten Aktionäre werden also
das Nachsehen haben. Trotz der unverkennbaren Fortschritte, die in der Ent¬
wicklung der Marconigesellschaft in den letzten Jahren zu verzeichnen sind - sie
hat jetzt über 120 Stationen in Betrieb und eine Jahreseinnahme von rund
800000 Mark -. erscheint doch ein finanzielles Gedeihen der Gesellschaft kaum
möglich. Die Gründung ist ttberkapitalisiert und der Wettbewerb andrer Ge¬
sellschaften zu groß. Diesem Umstände Rechnung tragend hat auch die Marconi¬
gesellschaft den seither mit nahezu 50 Millionen Mark angegebnen Wert der
Patente Marconis auf rund 5 Millionen Mark herabgesetzt.

Sämtliche Küstenstationen der Marconigesellschaft in Großbritannien, mit
Ausnahme der Großstationen für den transatlantischen Dienst, sind jetzt gegen
eine verhältnismäßig geringe Kaufsumme in das Eigentum des britischen
Staates übergegangen. Andrerseits Wird die britische PostVerwaltung ihren
transatlantischen Verkehr der Gesellschaft zuwenden, sobald die Regelmäßigkeit
des funkentelegraphischen Dienstes sichergestellt ist. Das dürfte aber wohl noch
eine geraume Zeit dauern.

Während früher die Einrichtung der transatlantischen Stationen sorgsam
geheimgehalten wurde, sind über die Anlage und den Betrieb der neuen
Riesenstationen in Glace Bay und Clifden sofort zuverlässige Angaben zu er¬
halten gewesen. Die Luftleiter, die bei den alten Stationen zum größten Teil
senkrecht aufgehängt waren, bilden bei den neuen Stationen ein winkelförmiges


Drahtlose Telegraphie und Telephonie mittels elektrischer Wellen

nicht zum Segen der Marconigesellschaft. Die Einsicht, daß ihre Politik
verfehlt war, kommt der Marconigesellschaft zu spät. Sobald noch Gro߬
britannien dem Zusatzabkommen zu dem internationalen Funkentelegraphenver-
trage beigetreten sein wird, das zum Verkehr der Schiffe untereinander ohne
Rücksicht auf das verwandte System verpflichtet, kann das Marconimonopol
als erloschen angesehen werden. Auch Italien wird sich nach Ablauf seiner
mit Marconi geschlossenen Verträge dem Beitritt zu dem internationalen Funken-
telegraphenvertrage wohl nicht entziehn. Es kann der Marconigesellschaft nur
angeraten werden, ihre noch jetzt ablehnende Haltung bei der Vermittlung des
Verkehrs von Schiff zu Schiff in den atlantischen Gewässern aufzugeben.
Privatmonopole, die den Weltverkehr hemmen, haben keine Daseinsberechtigung;
sie müssen im Interesse des Kulturfortschritts beseitigt werden.

Es ist wohl kaum anzunehmen, daß deutsches Kapital an den Gründungen
der Marconigesellschaft beteiligt ist. wenigstens ist in den Zeitungen mehrfach
vor einer solchen Beteiligung gewarnt worden. Trotz der nicht ungünstigen
Aussichten der transatlantischen Funkentelegwphie muß diese Warnung als be¬
rechtigt angesehen werden. Die Marconigesellschaft hat kürzlich durch Ausgabe
von 5 Millionen Mark Vorzugsaktien ihr Aktienkapital von 10 Millionen Mark
auf 15 Millionen Mark erhöht. Ein Teil der neuen Mittel soll zur Lösung
bestehender Verbindlichkeiten benntzt werden, sodaß anscheinend nur wenig zur
Durchführung neuer Unternehmungen übrig bleiben wird. Die Vorzugsaktien
sollen zunächst 7 Prozent Dividende erhalten; die alten Aktionäre werden also
das Nachsehen haben. Trotz der unverkennbaren Fortschritte, die in der Ent¬
wicklung der Marconigesellschaft in den letzten Jahren zu verzeichnen sind - sie
hat jetzt über 120 Stationen in Betrieb und eine Jahreseinnahme von rund
800000 Mark -. erscheint doch ein finanzielles Gedeihen der Gesellschaft kaum
möglich. Die Gründung ist ttberkapitalisiert und der Wettbewerb andrer Ge¬
sellschaften zu groß. Diesem Umstände Rechnung tragend hat auch die Marconi¬
gesellschaft den seither mit nahezu 50 Millionen Mark angegebnen Wert der
Patente Marconis auf rund 5 Millionen Mark herabgesetzt.

Sämtliche Küstenstationen der Marconigesellschaft in Großbritannien, mit
Ausnahme der Großstationen für den transatlantischen Dienst, sind jetzt gegen
eine verhältnismäßig geringe Kaufsumme in das Eigentum des britischen
Staates übergegangen. Andrerseits Wird die britische PostVerwaltung ihren
transatlantischen Verkehr der Gesellschaft zuwenden, sobald die Regelmäßigkeit
des funkentelegraphischen Dienstes sichergestellt ist. Das dürfte aber wohl noch
eine geraume Zeit dauern.

Während früher die Einrichtung der transatlantischen Stationen sorgsam
geheimgehalten wurde, sind über die Anlage und den Betrieb der neuen
Riesenstationen in Glace Bay und Clifden sofort zuverlässige Angaben zu er¬
halten gewesen. Die Luftleiter, die bei den alten Stationen zum größten Teil
senkrecht aufgehängt waren, bilden bei den neuen Stationen ein winkelförmiges


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[0515] Drahtlose Telegraphie und Telephonie mittels elektrischer Wellen nicht zum Segen der Marconigesellschaft. Die Einsicht, daß ihre Politik verfehlt war, kommt der Marconigesellschaft zu spät. Sobald noch Gro߬ britannien dem Zusatzabkommen zu dem internationalen Funkentelegraphenver- trage beigetreten sein wird, das zum Verkehr der Schiffe untereinander ohne Rücksicht auf das verwandte System verpflichtet, kann das Marconimonopol als erloschen angesehen werden. Auch Italien wird sich nach Ablauf seiner mit Marconi geschlossenen Verträge dem Beitritt zu dem internationalen Funken- telegraphenvertrage wohl nicht entziehn. Es kann der Marconigesellschaft nur angeraten werden, ihre noch jetzt ablehnende Haltung bei der Vermittlung des Verkehrs von Schiff zu Schiff in den atlantischen Gewässern aufzugeben. Privatmonopole, die den Weltverkehr hemmen, haben keine Daseinsberechtigung; sie müssen im Interesse des Kulturfortschritts beseitigt werden. Es ist wohl kaum anzunehmen, daß deutsches Kapital an den Gründungen der Marconigesellschaft beteiligt ist. wenigstens ist in den Zeitungen mehrfach vor einer solchen Beteiligung gewarnt worden. Trotz der nicht ungünstigen Aussichten der transatlantischen Funkentelegwphie muß diese Warnung als be¬ rechtigt angesehen werden. Die Marconigesellschaft hat kürzlich durch Ausgabe von 5 Millionen Mark Vorzugsaktien ihr Aktienkapital von 10 Millionen Mark auf 15 Millionen Mark erhöht. Ein Teil der neuen Mittel soll zur Lösung bestehender Verbindlichkeiten benntzt werden, sodaß anscheinend nur wenig zur Durchführung neuer Unternehmungen übrig bleiben wird. Die Vorzugsaktien sollen zunächst 7 Prozent Dividende erhalten; die alten Aktionäre werden also das Nachsehen haben. Trotz der unverkennbaren Fortschritte, die in der Ent¬ wicklung der Marconigesellschaft in den letzten Jahren zu verzeichnen sind - sie hat jetzt über 120 Stationen in Betrieb und eine Jahreseinnahme von rund 800000 Mark -. erscheint doch ein finanzielles Gedeihen der Gesellschaft kaum möglich. Die Gründung ist ttberkapitalisiert und der Wettbewerb andrer Ge¬ sellschaften zu groß. Diesem Umstände Rechnung tragend hat auch die Marconi¬ gesellschaft den seither mit nahezu 50 Millionen Mark angegebnen Wert der Patente Marconis auf rund 5 Millionen Mark herabgesetzt. Sämtliche Küstenstationen der Marconigesellschaft in Großbritannien, mit Ausnahme der Großstationen für den transatlantischen Dienst, sind jetzt gegen eine verhältnismäßig geringe Kaufsumme in das Eigentum des britischen Staates übergegangen. Andrerseits Wird die britische PostVerwaltung ihren transatlantischen Verkehr der Gesellschaft zuwenden, sobald die Regelmäßigkeit des funkentelegraphischen Dienstes sichergestellt ist. Das dürfte aber wohl noch eine geraume Zeit dauern. Während früher die Einrichtung der transatlantischen Stationen sorgsam geheimgehalten wurde, sind über die Anlage und den Betrieb der neuen Riesenstationen in Glace Bay und Clifden sofort zuverlässige Angaben zu er¬ halten gewesen. Die Luftleiter, die bei den alten Stationen zum größten Teil senkrecht aufgehängt waren, bilden bei den neuen Stationen ein winkelförmiges

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/515>, abgerufen am 24.07.2024.