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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Drahtlose Telegraph!" und Telcphonie mittels elektrischer Wellen

suche so weit gediehen, daß der transatlantische drahtlose Nachrichtendienst in
beschränktem Umfange für Preßtelegramme aufgenommen werben konnte. An
eine Zeitung in Newyork wurden z. B. in den ersten fünf Monaten
68 404 Wörter aus England drahtlos übermittelt. Englische Zeitungen bringen
dagegen nur selten drahtlos übermittelte Nachrichten aus Amerika. Trotz des
sehr billigen Tarifs von 25 Pfennigen für das Wort hat sich die drahtlose
Berichterstattung für die Presse in der Richtung von Amerika nach Europa
bis jetzt nicht einbürgern können. In der Hauptsache liegt das wohl daran,
daß der Weiterbeförderung der drahtlosen Telegramme auf den zumeist in den
Händen der Kabelgesellschaften befindlichen Lautumien Schwierigkeiten ent¬
gegenstehen. Diese Schwierigkeiten sind indes durch den internationalen Tele¬
graphen- und Funkentelegraphenvertrag jetzt beseitigt. Schwerer wiegt die
Zeitdifferenz zwischen Amerika und Europa. Ein Zeitungstelegramm von
Newyork nach London ist z. B. fünf Stunden unterwegs; dazu tritt noch die
Zeitdifferenz zwischen Newyork und London mit fünf Stunden. Es müssen
also Preßnachrichten bereits um zwölf Uhr mittags in Newyork aufgegeben
werden, wenn sie noch in den am nächsten Morgen in London erscheinenden
Zeitungen Aufnahme finden sollen. In umgekehrter Richtung können Nach¬
richten unter Umständen bis zehn Uhr abends in London ausgeliefert werden,
um in den Newyorker Frühzeitungen zu erscheinen.

Nach Ausbau der vorhandnen ältern transatlantischen Versuchsstationen
in Poldhu und Cap Code und ihrer Ausrüstung mit größern Energie¬
quellen wird die Marconigesellschaft über zwei telegraphische transatlantische
Ätherlinien verfügen. Sie glaubt bei einem täglich zwölfstündigen Betriebe
dieser Linien mit einer Geschwindigkeit von zwanzig Wörtern in der Minute
und einer Worttaxe von 35 Pfennigen für gewöhnliche Telegramme nach Abzug
der Betriebskosten noch einen Reingewinn von rund 3 Millionen Mark jährlich
erzielen zu können. Das wäre den vielgeprüften Aktionären der Marconi¬
gesellschaft zu gönnen. Indes ist die Rechnung wohl zu optimistisch gehalten.
Eine Durchschnittsgeschwindigkeit von zwanzig Wörtern in der Minute ist
bis jetzt noch nicht erreicht worden; nach den Beobachtungen der Konkurrenz¬
gesellschaften beträgt sie unter Berücksichtigung der vielfach wegen undeutlicher
Zeichen erforderlich werdenden Wiederholungen noch nicht einmal die Hälfte.

Von größter Bedeutung für die weitere Entwicklung und einen gedeih¬
lichen Aufschwung der Marconigesellschaft wird deren Stellungnahme zu den
Beschlüssen der internationalen Funkentelegraphenkonferenz sein. Wenn auch
der letzte Geschäftsbericht der Gesellschaft hierüber keine Auskunft gibt, so ist
man doch nach den Erklärungen des Vorstandes bereit, die bisherige feindliche
Stellung einer Revision zu unterziehen. Das ergibt sich auch aus dem Aus¬
scheiden des bisherigen Chefdirektors der Gesellschaft Cuthbert Hall, der das
Prinzip der strengen Ablehnung des Verkehrs der Marconistationen mit allen
Stationen andern Systems rückhaltlos verfochten hatte; wie man jetzt sagen kann,


Drahtlose Telegraph!« und Telcphonie mittels elektrischer Wellen

suche so weit gediehen, daß der transatlantische drahtlose Nachrichtendienst in
beschränktem Umfange für Preßtelegramme aufgenommen werben konnte. An
eine Zeitung in Newyork wurden z. B. in den ersten fünf Monaten
68 404 Wörter aus England drahtlos übermittelt. Englische Zeitungen bringen
dagegen nur selten drahtlos übermittelte Nachrichten aus Amerika. Trotz des
sehr billigen Tarifs von 25 Pfennigen für das Wort hat sich die drahtlose
Berichterstattung für die Presse in der Richtung von Amerika nach Europa
bis jetzt nicht einbürgern können. In der Hauptsache liegt das wohl daran,
daß der Weiterbeförderung der drahtlosen Telegramme auf den zumeist in den
Händen der Kabelgesellschaften befindlichen Lautumien Schwierigkeiten ent¬
gegenstehen. Diese Schwierigkeiten sind indes durch den internationalen Tele¬
graphen- und Funkentelegraphenvertrag jetzt beseitigt. Schwerer wiegt die
Zeitdifferenz zwischen Amerika und Europa. Ein Zeitungstelegramm von
Newyork nach London ist z. B. fünf Stunden unterwegs; dazu tritt noch die
Zeitdifferenz zwischen Newyork und London mit fünf Stunden. Es müssen
also Preßnachrichten bereits um zwölf Uhr mittags in Newyork aufgegeben
werden, wenn sie noch in den am nächsten Morgen in London erscheinenden
Zeitungen Aufnahme finden sollen. In umgekehrter Richtung können Nach¬
richten unter Umständen bis zehn Uhr abends in London ausgeliefert werden,
um in den Newyorker Frühzeitungen zu erscheinen.

Nach Ausbau der vorhandnen ältern transatlantischen Versuchsstationen
in Poldhu und Cap Code und ihrer Ausrüstung mit größern Energie¬
quellen wird die Marconigesellschaft über zwei telegraphische transatlantische
Ätherlinien verfügen. Sie glaubt bei einem täglich zwölfstündigen Betriebe
dieser Linien mit einer Geschwindigkeit von zwanzig Wörtern in der Minute
und einer Worttaxe von 35 Pfennigen für gewöhnliche Telegramme nach Abzug
der Betriebskosten noch einen Reingewinn von rund 3 Millionen Mark jährlich
erzielen zu können. Das wäre den vielgeprüften Aktionären der Marconi¬
gesellschaft zu gönnen. Indes ist die Rechnung wohl zu optimistisch gehalten.
Eine Durchschnittsgeschwindigkeit von zwanzig Wörtern in der Minute ist
bis jetzt noch nicht erreicht worden; nach den Beobachtungen der Konkurrenz¬
gesellschaften beträgt sie unter Berücksichtigung der vielfach wegen undeutlicher
Zeichen erforderlich werdenden Wiederholungen noch nicht einmal die Hälfte.

Von größter Bedeutung für die weitere Entwicklung und einen gedeih¬
lichen Aufschwung der Marconigesellschaft wird deren Stellungnahme zu den
Beschlüssen der internationalen Funkentelegraphenkonferenz sein. Wenn auch
der letzte Geschäftsbericht der Gesellschaft hierüber keine Auskunft gibt, so ist
man doch nach den Erklärungen des Vorstandes bereit, die bisherige feindliche
Stellung einer Revision zu unterziehen. Das ergibt sich auch aus dem Aus¬
scheiden des bisherigen Chefdirektors der Gesellschaft Cuthbert Hall, der das
Prinzip der strengen Ablehnung des Verkehrs der Marconistationen mit allen
Stationen andern Systems rückhaltlos verfochten hatte; wie man jetzt sagen kann,


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[0514] Drahtlose Telegraph!« und Telcphonie mittels elektrischer Wellen suche so weit gediehen, daß der transatlantische drahtlose Nachrichtendienst in beschränktem Umfange für Preßtelegramme aufgenommen werben konnte. An eine Zeitung in Newyork wurden z. B. in den ersten fünf Monaten 68 404 Wörter aus England drahtlos übermittelt. Englische Zeitungen bringen dagegen nur selten drahtlos übermittelte Nachrichten aus Amerika. Trotz des sehr billigen Tarifs von 25 Pfennigen für das Wort hat sich die drahtlose Berichterstattung für die Presse in der Richtung von Amerika nach Europa bis jetzt nicht einbürgern können. In der Hauptsache liegt das wohl daran, daß der Weiterbeförderung der drahtlosen Telegramme auf den zumeist in den Händen der Kabelgesellschaften befindlichen Lautumien Schwierigkeiten ent¬ gegenstehen. Diese Schwierigkeiten sind indes durch den internationalen Tele¬ graphen- und Funkentelegraphenvertrag jetzt beseitigt. Schwerer wiegt die Zeitdifferenz zwischen Amerika und Europa. Ein Zeitungstelegramm von Newyork nach London ist z. B. fünf Stunden unterwegs; dazu tritt noch die Zeitdifferenz zwischen Newyork und London mit fünf Stunden. Es müssen also Preßnachrichten bereits um zwölf Uhr mittags in Newyork aufgegeben werden, wenn sie noch in den am nächsten Morgen in London erscheinenden Zeitungen Aufnahme finden sollen. In umgekehrter Richtung können Nach¬ richten unter Umständen bis zehn Uhr abends in London ausgeliefert werden, um in den Newyorker Frühzeitungen zu erscheinen. Nach Ausbau der vorhandnen ältern transatlantischen Versuchsstationen in Poldhu und Cap Code und ihrer Ausrüstung mit größern Energie¬ quellen wird die Marconigesellschaft über zwei telegraphische transatlantische Ätherlinien verfügen. Sie glaubt bei einem täglich zwölfstündigen Betriebe dieser Linien mit einer Geschwindigkeit von zwanzig Wörtern in der Minute und einer Worttaxe von 35 Pfennigen für gewöhnliche Telegramme nach Abzug der Betriebskosten noch einen Reingewinn von rund 3 Millionen Mark jährlich erzielen zu können. Das wäre den vielgeprüften Aktionären der Marconi¬ gesellschaft zu gönnen. Indes ist die Rechnung wohl zu optimistisch gehalten. Eine Durchschnittsgeschwindigkeit von zwanzig Wörtern in der Minute ist bis jetzt noch nicht erreicht worden; nach den Beobachtungen der Konkurrenz¬ gesellschaften beträgt sie unter Berücksichtigung der vielfach wegen undeutlicher Zeichen erforderlich werdenden Wiederholungen noch nicht einmal die Hälfte. Von größter Bedeutung für die weitere Entwicklung und einen gedeih¬ lichen Aufschwung der Marconigesellschaft wird deren Stellungnahme zu den Beschlüssen der internationalen Funkentelegraphenkonferenz sein. Wenn auch der letzte Geschäftsbericht der Gesellschaft hierüber keine Auskunft gibt, so ist man doch nach den Erklärungen des Vorstandes bereit, die bisherige feindliche Stellung einer Revision zu unterziehen. Das ergibt sich auch aus dem Aus¬ scheiden des bisherigen Chefdirektors der Gesellschaft Cuthbert Hall, der das Prinzip der strengen Ablehnung des Verkehrs der Marconistationen mit allen Stationen andern Systems rückhaltlos verfochten hatte; wie man jetzt sagen kann,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/514>, abgerufen am 24.07.2024.