Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.![]() ")es"-oder "mein Vaterland"? meer dem Titel ..Zur Psychologie des Militarismus" ist unlängst ^Gleich in der Vorrede und sodann in einer Einleitung, me einen all¬ Grenzboten IV 1909
![]() „)es"-oder „mein Vaterland"? meer dem Titel ..Zur Psychologie des Militarismus" ist unlängst ^Gleich in der Vorrede und sodann in einer Einleitung, me einen all¬ Grenzboten IV 1909
<TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0493" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314840"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341889_314346/figures/grenzboten_341889_314346_314840_000.jpg"/><lb/> <div n="1"> <head> „)es"-oder „mein Vaterland"?</head><lb/> <p xml:id="ID_2312"> meer dem Titel ..Zur Psychologie des Militarismus" ist unlängst<lb/> im Verlag von Otto Wigand in Leipzig eine kleine Schrift von<lb/> 86 Seiten erschienen. Der Verfasser nennt sich nicht, er be¬<lb/> zeichnet sich nur als ..ein deutscher Soldat". Die Schuft will<lb/> keine Tendenzschrift gegen den..Militarismus" sein, ist es auch<lb/> nicht- sie will nur ..den Gefühlszustand Tausender nach eigensten Erlauschen<lb/> wiedergeben". Ist das wirklich der Fall? Sollte das. was dieses Schnftchen<lb/> Ma Ausdruck bringt, wirklich dem Denken und Empfinden weiter Kreise ent¬<lb/> sprechen, wäre das namentlich die Meinung eines namhaften Teils der<lb/> führenden Jungmannschaft in unserm Heere, der Einjährigfreiwilligen, die von<lb/> besonderm Einfluß auf den Geist der Truppe sein sollten, so wäre das em<lb/> übles Zeichen. Darum ist es wohl der Mühe wert, den Inhalt dieser kleinen<lb/> Schrift kurz vor der Öffentlichkeit zu erwähnen. </p><lb/> <p xml:id="ID_2313" next="#ID_2314"> ^Gleich in der Vorrede und sodann in einer Einleitung, me einen all¬<lb/> gemeinsten Aspekt" geben soll, legt der Verfasser, unser ..deutscher Soldat",<lb/> seine Abneigung gegen den Militarismus dar. Er bezeichnet den ..modernen<lb/> Militarismus seinem psychologischen Wertinhalt nach" als ..eine höchst frag¬<lb/> würdige Kulturerscheinung"; er hat es „nie recht versteh« können, wenn er<lb/> die designierten Vaterlandsverteidiger — die in der Generalmusterung zum<lb/> Einrücken im kommenden Herbst bestimmten Rekruten — singend und johlend<lb/> durchs Städtchen wanken sah". Die Aussicht auf die „Rangerhöhung" als<lb/> künftiger Uniformträger könne doch diese gehobne Stimmung nicht allem er¬<lb/> zeugt haben. Diese Juchzer seien vielmehr „die letzten Laute des zum Tode<lb/> Verurteilten Gefühls der persönlichen Freiheit", des „Opfertiers", des „Löwen",<lb/> dessen „Jchbewußtsein". ..Persönlichkeitsbewußtsein" sich noch einmal aufbäume,<lb/> bevor er in die Dressur gegeben werde. Der Eintritt ins Heer ist diesen<lb/> deutschen Soldaten im übrigen nur ein „Rock- und Rollenwechsel". Die neue<lb/> Rolle besteht darin, daß man „zu einem bloß funktionierenden Etwas herab¬<lb/> gedrückt wird", als eine selbsteigne Betätigung forderndes, als Glück und</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1909</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0493]
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„)es"-oder „mein Vaterland"?
meer dem Titel ..Zur Psychologie des Militarismus" ist unlängst
im Verlag von Otto Wigand in Leipzig eine kleine Schrift von
86 Seiten erschienen. Der Verfasser nennt sich nicht, er be¬
zeichnet sich nur als ..ein deutscher Soldat". Die Schuft will
keine Tendenzschrift gegen den..Militarismus" sein, ist es auch
nicht- sie will nur ..den Gefühlszustand Tausender nach eigensten Erlauschen
wiedergeben". Ist das wirklich der Fall? Sollte das. was dieses Schnftchen
Ma Ausdruck bringt, wirklich dem Denken und Empfinden weiter Kreise ent¬
sprechen, wäre das namentlich die Meinung eines namhaften Teils der
führenden Jungmannschaft in unserm Heere, der Einjährigfreiwilligen, die von
besonderm Einfluß auf den Geist der Truppe sein sollten, so wäre das em
übles Zeichen. Darum ist es wohl der Mühe wert, den Inhalt dieser kleinen
Schrift kurz vor der Öffentlichkeit zu erwähnen.
^Gleich in der Vorrede und sodann in einer Einleitung, me einen all¬
gemeinsten Aspekt" geben soll, legt der Verfasser, unser ..deutscher Soldat",
seine Abneigung gegen den Militarismus dar. Er bezeichnet den ..modernen
Militarismus seinem psychologischen Wertinhalt nach" als ..eine höchst frag¬
würdige Kulturerscheinung"; er hat es „nie recht versteh« können, wenn er
die designierten Vaterlandsverteidiger — die in der Generalmusterung zum
Einrücken im kommenden Herbst bestimmten Rekruten — singend und johlend
durchs Städtchen wanken sah". Die Aussicht auf die „Rangerhöhung" als
künftiger Uniformträger könne doch diese gehobne Stimmung nicht allem er¬
zeugt haben. Diese Juchzer seien vielmehr „die letzten Laute des zum Tode
Verurteilten Gefühls der persönlichen Freiheit", des „Opfertiers", des „Löwen",
dessen „Jchbewußtsein". ..Persönlichkeitsbewußtsein" sich noch einmal aufbäume,
bevor er in die Dressur gegeben werde. Der Eintritt ins Heer ist diesen
deutschen Soldaten im übrigen nur ein „Rock- und Rollenwechsel". Die neue
Rolle besteht darin, daß man „zu einem bloß funktionierenden Etwas herab¬
gedrückt wird", als eine selbsteigne Betätigung forderndes, als Glück und
Grenzboten IV 1909
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