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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

solche zugleich die innern Gegensätze allmählich zu versöhnen, wurde nicht erkannt
und sogar die Möglichkeit zu einer solchen Befestigung der geschaffnen Zustände
abgeschnitten durch die Aufhebung der oktroyierten, obwohl niemals in Kraft
getretner Verfassung vom 31. Dezember 1849. Die Darstellung der Verhältnisse
und Kämpfe wird belebt durch eine Reihe von Charakterbildern der leitenden Männer
dieser Neformzeit; weitaus die bedeutendsten waren Alexander Bach und Karl Brück,
von denen der erste einer niederösterreichischen Bauernfamilie, der zweite dem kleinen
Bürgerstande (Elberfeld) entstammte, neben ihnen standen Graf Philipp Stadion,
Fürst Felix Schwarzenberg, Graf Leo Thun u. c>. in. Die Forderung der sogenannten
Objektivität weist der Verfasser in der Einleitung als unerfüllbar ab, aber strenge
Wahrhaftigkeit erstrebt er. Ein Richteramt über Menschen und Dinge nimmt er
nicht in Anspruch, aber sein persönliches Urteil verhehlt er nicht. Die Aufhebung der
Verfassung von 1849 erscheint ihm als ein schwerer Fehler, weil er die Konsolidation
der neuen Verhältnisse hinderte, aber er will das Große und Verdienstliche dieser
Zeit nicht verkannt wissen und spricht sich scharf gegen den alten österreichischen
Pessimismus aus, der davon nichts sehen wolle. In Ungarn wägt er besonnen die
hier miteinander ringenden Kräfte ab, die während des Kampfes um die Unab¬
hängigkeit zu einem erbitterten Rassenkriege der Nationalitäten führten, da die
siebenbürger Sachsen, die Rumänen, die Kroaten und die Serben zum Kaiserhause,
die deutsch-ungarischen Städte und die Banater Schwaben zu den Magyaren standen,
aber die massenhaften Bluturteile nach dem Siege erscheinen ihm nicht nur grausam,
sondern auch unklug und unnütz. Jedenfalls ist nach seinem Urteil die Aufgabe, an
die Stelle des beseitigten patriarchalischen Absolutismus ein freieres politisches Leben
ohne die Gefahr der Zersetzung und Zerrüttung durch die losgebundnen Kräfte zu setzen,
noch heute nicht gelöst, und nur die Zukunft kann zeigen, wie weit sie lösbar ist. Ob
sie aber besser gelöst worden wäre, wenn Deutsch-Österreich oder die Gesamtmonarchie
nach dem alten "großdeutschen" Programm im Staatsverbande mit Deutschland ge¬
blieben wäre? Daß dieser Staatsverband nur ein staatenbündischer, kein bundes¬
staatlicher hätte sein können, das haben doch 1848/49 erwiesen; dann aber wären
die Bedrängnisse der Deutschen in Österreich kaum zu vermeiden gewesen. Denn
diese entspringen doch aus dem Erwachen der undeutschen Nationalitäten, das schon
vor 1843 unter dem Beifall der Deutschen begonnen hatte, wie gerade Friedjung
nachweist, und aus dem schweren Versäumnis der deutschen Liberalen, die 1867 es
weder verstanden, Galizien in eine Sonderstellung zu schieben, etwa wie die Magyaren
Kroatien, noch den Umfang der deutschen Staatssprache festzulegen. Dem hoffentlich
bald erscheinenden zweiten Teile, der die Herrschaft und den Zusammenbruch des
zentralistischen Absolutismus schildern wird, sehen wir mit Spannung entgegen.

Einen interessanten zeitgenössischen Beitrag zur Geschichte dieser Zeit hat
Friedjung schon früher aus dem Nachlasse eines österreichischen Offiziers mit einer
Einleitung herausgegeben: Moriz von Angeli, k. und k. Oberst, Wien
nach 1848, Wien und Leipzig, W. Braumüller, 1905, XVI und 234 Seiten.
Angeli stammte aus einer alten venezianischen Patrizierfamilie, war aber in
Wien 1829 geboren und hatte seine Vorbildung auf der Militärakademie in Wiener
Neustadt und auf der Pionierschule in Tukiu erhalten. Als junger Offizier machte
er 1849 den Feldzug in Ungarn mit. stand dann in venezianischen Garnisonen, war
1850 bei der im nördlichen Böhmen gegen Preußen aufgestellten Armee, 1854
bis 1857 bei den Okkupatioustruppen in der Walachei und Moldau, focht 1859
bei Magenta und Solferino mit und nahm nach mehreren Garnisonjahren in Galizien
und Ungarn am Kriege von 1866 im 4. Armeekorps (Graf Festetics) teil. Später
hatte er 1869 in Budapest die ersten ungarischen Einjährig-Freiwilligen auszubilden.
So fast an allen Kriegen Österreichs in dieser Zeit beteiligt und bekannt geworden
mit den verschiedensten Kronländern trat er schon 1871 aus Gesundheitsrücksichten
als Major in den Ruhestand und wurde militärischer Schriftsteller, zuerst als Redakteur,


Maßgebliches und Unmaßgebliches

solche zugleich die innern Gegensätze allmählich zu versöhnen, wurde nicht erkannt
und sogar die Möglichkeit zu einer solchen Befestigung der geschaffnen Zustände
abgeschnitten durch die Aufhebung der oktroyierten, obwohl niemals in Kraft
getretner Verfassung vom 31. Dezember 1849. Die Darstellung der Verhältnisse
und Kämpfe wird belebt durch eine Reihe von Charakterbildern der leitenden Männer
dieser Neformzeit; weitaus die bedeutendsten waren Alexander Bach und Karl Brück,
von denen der erste einer niederösterreichischen Bauernfamilie, der zweite dem kleinen
Bürgerstande (Elberfeld) entstammte, neben ihnen standen Graf Philipp Stadion,
Fürst Felix Schwarzenberg, Graf Leo Thun u. c>. in. Die Forderung der sogenannten
Objektivität weist der Verfasser in der Einleitung als unerfüllbar ab, aber strenge
Wahrhaftigkeit erstrebt er. Ein Richteramt über Menschen und Dinge nimmt er
nicht in Anspruch, aber sein persönliches Urteil verhehlt er nicht. Die Aufhebung der
Verfassung von 1849 erscheint ihm als ein schwerer Fehler, weil er die Konsolidation
der neuen Verhältnisse hinderte, aber er will das Große und Verdienstliche dieser
Zeit nicht verkannt wissen und spricht sich scharf gegen den alten österreichischen
Pessimismus aus, der davon nichts sehen wolle. In Ungarn wägt er besonnen die
hier miteinander ringenden Kräfte ab, die während des Kampfes um die Unab¬
hängigkeit zu einem erbitterten Rassenkriege der Nationalitäten führten, da die
siebenbürger Sachsen, die Rumänen, die Kroaten und die Serben zum Kaiserhause,
die deutsch-ungarischen Städte und die Banater Schwaben zu den Magyaren standen,
aber die massenhaften Bluturteile nach dem Siege erscheinen ihm nicht nur grausam,
sondern auch unklug und unnütz. Jedenfalls ist nach seinem Urteil die Aufgabe, an
die Stelle des beseitigten patriarchalischen Absolutismus ein freieres politisches Leben
ohne die Gefahr der Zersetzung und Zerrüttung durch die losgebundnen Kräfte zu setzen,
noch heute nicht gelöst, und nur die Zukunft kann zeigen, wie weit sie lösbar ist. Ob
sie aber besser gelöst worden wäre, wenn Deutsch-Österreich oder die Gesamtmonarchie
nach dem alten „großdeutschen" Programm im Staatsverbande mit Deutschland ge¬
blieben wäre? Daß dieser Staatsverband nur ein staatenbündischer, kein bundes¬
staatlicher hätte sein können, das haben doch 1848/49 erwiesen; dann aber wären
die Bedrängnisse der Deutschen in Österreich kaum zu vermeiden gewesen. Denn
diese entspringen doch aus dem Erwachen der undeutschen Nationalitäten, das schon
vor 1843 unter dem Beifall der Deutschen begonnen hatte, wie gerade Friedjung
nachweist, und aus dem schweren Versäumnis der deutschen Liberalen, die 1867 es
weder verstanden, Galizien in eine Sonderstellung zu schieben, etwa wie die Magyaren
Kroatien, noch den Umfang der deutschen Staatssprache festzulegen. Dem hoffentlich
bald erscheinenden zweiten Teile, der die Herrschaft und den Zusammenbruch des
zentralistischen Absolutismus schildern wird, sehen wir mit Spannung entgegen.

Einen interessanten zeitgenössischen Beitrag zur Geschichte dieser Zeit hat
Friedjung schon früher aus dem Nachlasse eines österreichischen Offiziers mit einer
Einleitung herausgegeben: Moriz von Angeli, k. und k. Oberst, Wien
nach 1848, Wien und Leipzig, W. Braumüller, 1905, XVI und 234 Seiten.
Angeli stammte aus einer alten venezianischen Patrizierfamilie, war aber in
Wien 1829 geboren und hatte seine Vorbildung auf der Militärakademie in Wiener
Neustadt und auf der Pionierschule in Tukiu erhalten. Als junger Offizier machte
er 1849 den Feldzug in Ungarn mit. stand dann in venezianischen Garnisonen, war
1850 bei der im nördlichen Böhmen gegen Preußen aufgestellten Armee, 1854
bis 1857 bei den Okkupatioustruppen in der Walachei und Moldau, focht 1859
bei Magenta und Solferino mit und nahm nach mehreren Garnisonjahren in Galizien
und Ungarn am Kriege von 1866 im 4. Armeekorps (Graf Festetics) teil. Später
hatte er 1869 in Budapest die ersten ungarischen Einjährig-Freiwilligen auszubilden.
So fast an allen Kriegen Österreichs in dieser Zeit beteiligt und bekannt geworden
mit den verschiedensten Kronländern trat er schon 1871 aus Gesundheitsrücksichten
als Major in den Ruhestand und wurde militärischer Schriftsteller, zuerst als Redakteur,


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[0486] Maßgebliches und Unmaßgebliches solche zugleich die innern Gegensätze allmählich zu versöhnen, wurde nicht erkannt und sogar die Möglichkeit zu einer solchen Befestigung der geschaffnen Zustände abgeschnitten durch die Aufhebung der oktroyierten, obwohl niemals in Kraft getretner Verfassung vom 31. Dezember 1849. Die Darstellung der Verhältnisse und Kämpfe wird belebt durch eine Reihe von Charakterbildern der leitenden Männer dieser Neformzeit; weitaus die bedeutendsten waren Alexander Bach und Karl Brück, von denen der erste einer niederösterreichischen Bauernfamilie, der zweite dem kleinen Bürgerstande (Elberfeld) entstammte, neben ihnen standen Graf Philipp Stadion, Fürst Felix Schwarzenberg, Graf Leo Thun u. c>. in. Die Forderung der sogenannten Objektivität weist der Verfasser in der Einleitung als unerfüllbar ab, aber strenge Wahrhaftigkeit erstrebt er. Ein Richteramt über Menschen und Dinge nimmt er nicht in Anspruch, aber sein persönliches Urteil verhehlt er nicht. Die Aufhebung der Verfassung von 1849 erscheint ihm als ein schwerer Fehler, weil er die Konsolidation der neuen Verhältnisse hinderte, aber er will das Große und Verdienstliche dieser Zeit nicht verkannt wissen und spricht sich scharf gegen den alten österreichischen Pessimismus aus, der davon nichts sehen wolle. In Ungarn wägt er besonnen die hier miteinander ringenden Kräfte ab, die während des Kampfes um die Unab¬ hängigkeit zu einem erbitterten Rassenkriege der Nationalitäten führten, da die siebenbürger Sachsen, die Rumänen, die Kroaten und die Serben zum Kaiserhause, die deutsch-ungarischen Städte und die Banater Schwaben zu den Magyaren standen, aber die massenhaften Bluturteile nach dem Siege erscheinen ihm nicht nur grausam, sondern auch unklug und unnütz. Jedenfalls ist nach seinem Urteil die Aufgabe, an die Stelle des beseitigten patriarchalischen Absolutismus ein freieres politisches Leben ohne die Gefahr der Zersetzung und Zerrüttung durch die losgebundnen Kräfte zu setzen, noch heute nicht gelöst, und nur die Zukunft kann zeigen, wie weit sie lösbar ist. Ob sie aber besser gelöst worden wäre, wenn Deutsch-Österreich oder die Gesamtmonarchie nach dem alten „großdeutschen" Programm im Staatsverbande mit Deutschland ge¬ blieben wäre? Daß dieser Staatsverband nur ein staatenbündischer, kein bundes¬ staatlicher hätte sein können, das haben doch 1848/49 erwiesen; dann aber wären die Bedrängnisse der Deutschen in Österreich kaum zu vermeiden gewesen. Denn diese entspringen doch aus dem Erwachen der undeutschen Nationalitäten, das schon vor 1843 unter dem Beifall der Deutschen begonnen hatte, wie gerade Friedjung nachweist, und aus dem schweren Versäumnis der deutschen Liberalen, die 1867 es weder verstanden, Galizien in eine Sonderstellung zu schieben, etwa wie die Magyaren Kroatien, noch den Umfang der deutschen Staatssprache festzulegen. Dem hoffentlich bald erscheinenden zweiten Teile, der die Herrschaft und den Zusammenbruch des zentralistischen Absolutismus schildern wird, sehen wir mit Spannung entgegen. Einen interessanten zeitgenössischen Beitrag zur Geschichte dieser Zeit hat Friedjung schon früher aus dem Nachlasse eines österreichischen Offiziers mit einer Einleitung herausgegeben: Moriz von Angeli, k. und k. Oberst, Wien nach 1848, Wien und Leipzig, W. Braumüller, 1905, XVI und 234 Seiten. Angeli stammte aus einer alten venezianischen Patrizierfamilie, war aber in Wien 1829 geboren und hatte seine Vorbildung auf der Militärakademie in Wiener Neustadt und auf der Pionierschule in Tukiu erhalten. Als junger Offizier machte er 1849 den Feldzug in Ungarn mit. stand dann in venezianischen Garnisonen, war 1850 bei der im nördlichen Böhmen gegen Preußen aufgestellten Armee, 1854 bis 1857 bei den Okkupatioustruppen in der Walachei und Moldau, focht 1859 bei Magenta und Solferino mit und nahm nach mehreren Garnisonjahren in Galizien und Ungarn am Kriege von 1866 im 4. Armeekorps (Graf Festetics) teil. Später hatte er 1869 in Budapest die ersten ungarischen Einjährig-Freiwilligen auszubilden. So fast an allen Kriegen Österreichs in dieser Zeit beteiligt und bekannt geworden mit den verschiedensten Kronländern trat er schon 1871 aus Gesundheitsrücksichten als Major in den Ruhestand und wurde militärischer Schriftsteller, zuerst als Redakteur,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/486>, abgerufen am 24.07.2024.