Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

von unzähligen, natürlichen Knollen und Kuppen durchsetzt. Das Tal von
el-deba selbst ist ebenfalls auf beiden Seiten von mächtig hohen weißen Kalk¬
steinfelsen eingerahmt. Von diesem weißschimmernden Gestein hat die Schlucht
Wohl den Namen "die weiße". Auch hier fanden sich noch manche, zum Teil
sehr schöne Zippen. Etwa nach einer halben Stunde zweigt westlich die sehr
viel engere Schlucht el-bärid ab. Ihren Namen "die kalte" trägt sie wohl
daher, weil die Sonne in die enge Schlucht nicht voll hineinstrahlen kann.
Man wird etwas an den Sit erinnert, nur ist es lange nicht so großartig.
Beide Vororte werden der Hauptstadt Petra als Handelsempvre gedient haben.
Sie waren günstig an einem Paß gelegen und boten guten Platz zur Unterkunft
von Karawanen, die in Petra selbst kaum Futter gefunden hätten.

Als wir die Höhe erklommen hatten, bot sich uns ein herrlicher Rückblick
auf die schwarze Masse des Nebi darum und die sich dahinter türmenden Berge,
bis zum Meerbusen von Akaba, ja bis zum fernen Sinai. Nach Norden, in
der Richtung auf Jerusalem, blitzte ein Schimmer des Toten Meeres auf.
Zur Rechten rauschen Eichen mit stattlichen Kronen. Sind sie mit ihrem
zwergenhaften Wuchs und mit ihren stachlichten Blättern auch kaum der herr¬
lichen Zierde unsrer deutschen Wälder zu vergleichen, so klingt es uns doch
wie ein heimatlich Grüßen. Zur Linken begleitet unsern Weg in ferner Tiefe
der Saum der Araba, die sich wie ein Strom gelben Sandes zum Toten
Meer ergießt.

Und wir gedachten der vergangnen eindrucksreicher Tage, die nicht nur
dem wissenschaftlichen Interesse Forderung, sondern auch dem ästhetischen und
künstlerischen einzigartigen Genuß verschafft hatten. Petra lag wie ein Märchen-
traurn hinter uns. Wir aber fühlten uns gehoben von dem Bewußtsein, etwas
Außerordentliches, nie Wiederkehrendes erlebt zu haben. Und noch lange
klangen mir die begeisterten Worte des Pere Lagrange im Ohr: Voir ?6er-l,
o'list un rßvs!")





*) Da vorliegende Arbeit schon vor mehr denn Jahresfrist abgeschlossen und der Redaktion
geliefert worden ist, so konnte das im vorigen Jahr erschienene Buch von Dalman, "Petra
und seine Felsheiligtümer" (Leipzig, 1908), leider nicht mehr dazu benutzt werden. Aber es
sei hier doch als auf ein für die wissenschaftliche Petraforschung grundlegendes Werk darauf
hingewiesen. -- Vgl. ferner für die kunstgeschichtliche Würdigung Petras den Aussatz von
I. Thoma, "Petriiische Kunst" in Memnon, Zeitschrift für Kunst und Kulturgeschichte des alten
Orients Bd. III, S. 49 ff.

von unzähligen, natürlichen Knollen und Kuppen durchsetzt. Das Tal von
el-deba selbst ist ebenfalls auf beiden Seiten von mächtig hohen weißen Kalk¬
steinfelsen eingerahmt. Von diesem weißschimmernden Gestein hat die Schlucht
Wohl den Namen „die weiße". Auch hier fanden sich noch manche, zum Teil
sehr schöne Zippen. Etwa nach einer halben Stunde zweigt westlich die sehr
viel engere Schlucht el-bärid ab. Ihren Namen „die kalte" trägt sie wohl
daher, weil die Sonne in die enge Schlucht nicht voll hineinstrahlen kann.
Man wird etwas an den Sit erinnert, nur ist es lange nicht so großartig.
Beide Vororte werden der Hauptstadt Petra als Handelsempvre gedient haben.
Sie waren günstig an einem Paß gelegen und boten guten Platz zur Unterkunft
von Karawanen, die in Petra selbst kaum Futter gefunden hätten.

Als wir die Höhe erklommen hatten, bot sich uns ein herrlicher Rückblick
auf die schwarze Masse des Nebi darum und die sich dahinter türmenden Berge,
bis zum Meerbusen von Akaba, ja bis zum fernen Sinai. Nach Norden, in
der Richtung auf Jerusalem, blitzte ein Schimmer des Toten Meeres auf.
Zur Rechten rauschen Eichen mit stattlichen Kronen. Sind sie mit ihrem
zwergenhaften Wuchs und mit ihren stachlichten Blättern auch kaum der herr¬
lichen Zierde unsrer deutschen Wälder zu vergleichen, so klingt es uns doch
wie ein heimatlich Grüßen. Zur Linken begleitet unsern Weg in ferner Tiefe
der Saum der Araba, die sich wie ein Strom gelben Sandes zum Toten
Meer ergießt.

Und wir gedachten der vergangnen eindrucksreicher Tage, die nicht nur
dem wissenschaftlichen Interesse Forderung, sondern auch dem ästhetischen und
künstlerischen einzigartigen Genuß verschafft hatten. Petra lag wie ein Märchen-
traurn hinter uns. Wir aber fühlten uns gehoben von dem Bewußtsein, etwas
Außerordentliches, nie Wiederkehrendes erlebt zu haben. Und noch lange
klangen mir die begeisterten Worte des Pere Lagrange im Ohr: Voir ?6er-l,
o'list un rßvs!")





*) Da vorliegende Arbeit schon vor mehr denn Jahresfrist abgeschlossen und der Redaktion
geliefert worden ist, so konnte das im vorigen Jahr erschienene Buch von Dalman, „Petra
und seine Felsheiligtümer" (Leipzig, 1908), leider nicht mehr dazu benutzt werden. Aber es
sei hier doch als auf ein für die wissenschaftliche Petraforschung grundlegendes Werk darauf
hingewiesen. — Vgl. ferner für die kunstgeschichtliche Würdigung Petras den Aussatz von
I. Thoma, „Petriiische Kunst" in Memnon, Zeitschrift für Kunst und Kulturgeschichte des alten
Orients Bd. III, S. 49 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0475" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314822"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_2225" prev="#ID_2224"> von unzähligen, natürlichen Knollen und Kuppen durchsetzt. Das Tal von<lb/>
el-deba selbst ist ebenfalls auf beiden Seiten von mächtig hohen weißen Kalk¬<lb/>
steinfelsen eingerahmt. Von diesem weißschimmernden Gestein hat die Schlucht<lb/>
Wohl den Namen &#x201E;die weiße". Auch hier fanden sich noch manche, zum Teil<lb/>
sehr schöne Zippen. Etwa nach einer halben Stunde zweigt westlich die sehr<lb/>
viel engere Schlucht el-bärid ab. Ihren Namen &#x201E;die kalte" trägt sie wohl<lb/>
daher, weil die Sonne in die enge Schlucht nicht voll hineinstrahlen kann.<lb/>
Man wird etwas an den Sit erinnert, nur ist es lange nicht so großartig.<lb/>
Beide Vororte werden der Hauptstadt Petra als Handelsempvre gedient haben.<lb/>
Sie waren günstig an einem Paß gelegen und boten guten Platz zur Unterkunft<lb/>
von Karawanen, die in Petra selbst kaum Futter gefunden hätten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2226"> Als wir die Höhe erklommen hatten, bot sich uns ein herrlicher Rückblick<lb/>
auf die schwarze Masse des Nebi darum und die sich dahinter türmenden Berge,<lb/>
bis zum Meerbusen von Akaba, ja bis zum fernen Sinai. Nach Norden, in<lb/>
der Richtung auf Jerusalem, blitzte ein Schimmer des Toten Meeres auf.<lb/>
Zur Rechten rauschen Eichen mit stattlichen Kronen. Sind sie mit ihrem<lb/>
zwergenhaften Wuchs und mit ihren stachlichten Blättern auch kaum der herr¬<lb/>
lichen Zierde unsrer deutschen Wälder zu vergleichen, so klingt es uns doch<lb/>
wie ein heimatlich Grüßen. Zur Linken begleitet unsern Weg in ferner Tiefe<lb/>
der Saum der Araba, die sich wie ein Strom gelben Sandes zum Toten<lb/>
Meer ergießt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2227"> Und wir gedachten der vergangnen eindrucksreicher Tage, die nicht nur<lb/>
dem wissenschaftlichen Interesse Forderung, sondern auch dem ästhetischen und<lb/>
künstlerischen einzigartigen Genuß verschafft hatten. Petra lag wie ein Märchen-<lb/>
traurn hinter uns. Wir aber fühlten uns gehoben von dem Bewußtsein, etwas<lb/>
Außerordentliches, nie Wiederkehrendes erlebt zu haben. Und noch lange<lb/>
klangen mir die begeisterten Worte des Pere Lagrange im Ohr: Voir ?6er-l,<lb/>
o'list un rßvs!")</p><lb/>
          <note xml:id="FID_62" place="foot"> *) Da vorliegende Arbeit schon vor mehr denn Jahresfrist abgeschlossen und der Redaktion<lb/>
geliefert worden ist, so konnte das im vorigen Jahr erschienene Buch von Dalman, &#x201E;Petra<lb/>
und seine Felsheiligtümer" (Leipzig, 1908), leider nicht mehr dazu benutzt werden. Aber es<lb/>
sei hier doch als auf ein für die wissenschaftliche Petraforschung grundlegendes Werk darauf<lb/>
hingewiesen. &#x2014; Vgl. ferner für die kunstgeschichtliche Würdigung Petras den Aussatz von<lb/>
I. Thoma, &#x201E;Petriiische Kunst" in Memnon, Zeitschrift für Kunst und Kulturgeschichte des alten<lb/>
Orients Bd. III, S. 49 ff.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0475] von unzähligen, natürlichen Knollen und Kuppen durchsetzt. Das Tal von el-deba selbst ist ebenfalls auf beiden Seiten von mächtig hohen weißen Kalk¬ steinfelsen eingerahmt. Von diesem weißschimmernden Gestein hat die Schlucht Wohl den Namen „die weiße". Auch hier fanden sich noch manche, zum Teil sehr schöne Zippen. Etwa nach einer halben Stunde zweigt westlich die sehr viel engere Schlucht el-bärid ab. Ihren Namen „die kalte" trägt sie wohl daher, weil die Sonne in die enge Schlucht nicht voll hineinstrahlen kann. Man wird etwas an den Sit erinnert, nur ist es lange nicht so großartig. Beide Vororte werden der Hauptstadt Petra als Handelsempvre gedient haben. Sie waren günstig an einem Paß gelegen und boten guten Platz zur Unterkunft von Karawanen, die in Petra selbst kaum Futter gefunden hätten. Als wir die Höhe erklommen hatten, bot sich uns ein herrlicher Rückblick auf die schwarze Masse des Nebi darum und die sich dahinter türmenden Berge, bis zum Meerbusen von Akaba, ja bis zum fernen Sinai. Nach Norden, in der Richtung auf Jerusalem, blitzte ein Schimmer des Toten Meeres auf. Zur Rechten rauschen Eichen mit stattlichen Kronen. Sind sie mit ihrem zwergenhaften Wuchs und mit ihren stachlichten Blättern auch kaum der herr¬ lichen Zierde unsrer deutschen Wälder zu vergleichen, so klingt es uns doch wie ein heimatlich Grüßen. Zur Linken begleitet unsern Weg in ferner Tiefe der Saum der Araba, die sich wie ein Strom gelben Sandes zum Toten Meer ergießt. Und wir gedachten der vergangnen eindrucksreicher Tage, die nicht nur dem wissenschaftlichen Interesse Forderung, sondern auch dem ästhetischen und künstlerischen einzigartigen Genuß verschafft hatten. Petra lag wie ein Märchen- traurn hinter uns. Wir aber fühlten uns gehoben von dem Bewußtsein, etwas Außerordentliches, nie Wiederkehrendes erlebt zu haben. Und noch lange klangen mir die begeisterten Worte des Pere Lagrange im Ohr: Voir ?6er-l, o'list un rßvs!") *) Da vorliegende Arbeit schon vor mehr denn Jahresfrist abgeschlossen und der Redaktion geliefert worden ist, so konnte das im vorigen Jahr erschienene Buch von Dalman, „Petra und seine Felsheiligtümer" (Leipzig, 1908), leider nicht mehr dazu benutzt werden. Aber es sei hier doch als auf ein für die wissenschaftliche Petraforschung grundlegendes Werk darauf hingewiesen. — Vgl. ferner für die kunstgeschichtliche Würdigung Petras den Aussatz von I. Thoma, „Petriiische Kunst" in Memnon, Zeitschrift für Kunst und Kulturgeschichte des alten Orients Bd. III, S. 49 ff.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/475
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/475>, abgerufen am 04.07.2024.