Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.Peirä Giebel. Dazwischen, also über der Spitze des Hauptgiebels, ruht ein schlanker Wenn neuere Beurteiler aus der kunsthistorischen Analyse heraus dem Ge¬ In wenigen Minuten sind wir am Ende der engen Felsschlucht, wo der *) Zum Beispiel Ad. Michaelis in der Deutschen Rundschau 190S, S, 226. Grenzboten IV 1909 59
Peirä Giebel. Dazwischen, also über der Spitze des Hauptgiebels, ruht ein schlanker Wenn neuere Beurteiler aus der kunsthistorischen Analyse heraus dem Ge¬ In wenigen Minuten sind wir am Ende der engen Felsschlucht, wo der *) Zum Beispiel Ad. Michaelis in der Deutschen Rundschau 190S, S, 226. Grenzboten IV 1909 59
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0469" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314816"/> <fw type="header" place="top"> Peirä</fw><lb/> <p xml:id="ID_2203" prev="#ID_2202"> Giebel. Dazwischen, also über der Spitze des Hauptgiebels, ruht ein schlanker<lb/> viersäuliger Rundbau mit reich verziertem Architrav, stark an das Lysistratos-<lb/> denkmal in Athen erinnernd, der sich zu einem kegelförmigen Aufbau mit<lb/> Urnenaufsatz zuspitzt. Die mächtige Steinurne soll nach dem Glauben der Be¬<lb/> duinen den Schatz Pharaos enthalten, woraus sich der arabische Name<lb/> ein>,2n6 Lr'inn l,^ Schatzkammer Pharaos) erklärt. Die Nischen und Wand¬<lb/> füllungen sind mit Skulpturen, meist weiblichen Gestalten, geschmückt, die Enden<lb/> der Giebel mit Adlern, die Friese und das Hauptgiebelfeld mit reichem Ranken¬<lb/> werk. Mit Ausnahme einer ausgebrochnen Vordersäule und den Verstümmlungen<lb/> an den Relieffiguren ist das ganze Bauwerk bis ins kleinste noch heute<lb/> herrlich erhalten. Daß hier nicht blinde Zerstörungswut gewaltet, sondern nur<lb/> der irregeleitete religiöse Glaube der Moslims, die die Nachbildung lebender<lb/> Wesen nicht dulden zu können glaubten, zeigt sich daran, daß der ornamentale<lb/> Schmuck nicht angerührt ist. Auffallend ist der Gegensatz zwischen dem Äußern<lb/> und Innern: die Fassade so künstlerisch vollendet, und innen nur drei rohe Stein¬<lb/> gemächer. Zu beiden Seiten des Denkmals sind noch die in regelrechter Reihe<lb/> bis zum obern Rand eingemeißelten Balkenlöcher zu sehen, in denen die Arbeiter<lb/> ihre Gerüstbalken befestigt haben werden. Der Streit, ob wir es hier mit<lb/> einem Tempel oder einer Grabanlage zu tun haben, wird schwer zu entscheiden<lb/> sein, zumal da beides ineinander übergeht, haben doch alle großen petrüischen<lb/> Grabbauten bei den Gedächtnisfeiern zu Ehren der Verstorbnen zugleich kul¬<lb/> tischen Zwecken gedient. Aber das eine ist nach eingehendem Studium des<lb/> Neliefschmuckes sicher, daß das Gebäude der ägyptischen Göttin Isis geweiht<lb/> war und unter ihrem Schutze stand. Viele ägyptische Motive machen das<lb/> Chazne zum einzigen Vertreter ägyptisch-hellenistischer Baukunst in Petra. Als<lb/> Urheber vermutet man Kaiser Hadrian, der im Jahre 131 Petra besuchte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2204"> Wenn neuere Beurteiler aus der kunsthistorischen Analyse heraus dem Ge¬<lb/> bäude Stillosigkeit und Oberflächlichkeit vorgeworfen haben,*) so waren es wohl<lb/> immer nur solche, die es nicht an Ort und Stelle in seiner Farbenpracht und<lb/> wundersamen Umgebung haben auf sich wirken lassen können. Wir möchten<lb/> uns vielmehr zu den begeisterten Worten des erwähnten Lagrange bekennen:<lb/> u'est xa8 an'on xuisss vomvaror 1e Xb.g.2red g.v.x vliöks-ä'cLuvre 6e 1'art<lb/> Al'co. Ums on n'z? 80nZ<z pÄS, 1» b^Fuettö an mgZieien n's8t xa8<lb/> Sonini8e sux inßme8 loi8 <zns 1a röAle. et l'^uerrv.</p><lb/> <p xml:id="ID_2205" next="#ID_2206"> In wenigen Minuten sind wir am Ende der engen Felsschlucht, wo der<lb/> Bach in den offnen Talkessel tritt, an dessen Westseite das Theater liegt. Zur<lb/> Linken türmt sich die Felsmasse des Obeliskenberges, zur Rechten die von<lb/> el-chubze. Bis zum Theater zieht sich an der westlichen Seite Grab an Grab,<lb/> meist im alten Pylonenstil, aber auch solche im Hedschr-Typus. An der<lb/> andern östlichen Seite sind die Prachtgräber aus der römischen Zeit, die man<lb/> vom Theater aus übersehen sollte. Um den Schutz der mächtigen Bergwand<lb/> zu genießen, ließen wir unser Zeltlager im Theater selbst aufschlagen. Hinter<lb/> uns stiegen in dem roten Gestein in mächtigen Stufen die dreiunddreißig Stein¬<lb/> barke auf, teils ganz erhalten, teils geborsten. Die oberste Bank maß neunzig<lb/> Schritt im Halbkreis. Unten der Szcnenraum ist jetzt freilich von Grün über¬<lb/> wuchert und von Steinen zum Teil überschüttet. Man könnte meinen, daß<lb/> die Stufen auch heute noch mit einem prachtvollen roten Teppich bedeckt seien.<lb/> So wirkt auch hier das Not des Sandsteins. Es waren unvergeßliche Ein-</p><lb/> <note xml:id="FID_59" place="foot"> *) Zum Beispiel Ad. Michaelis in der Deutschen Rundschau 190S, S, 226.</note><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1909 59</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0469]
Peirä
Giebel. Dazwischen, also über der Spitze des Hauptgiebels, ruht ein schlanker
viersäuliger Rundbau mit reich verziertem Architrav, stark an das Lysistratos-
denkmal in Athen erinnernd, der sich zu einem kegelförmigen Aufbau mit
Urnenaufsatz zuspitzt. Die mächtige Steinurne soll nach dem Glauben der Be¬
duinen den Schatz Pharaos enthalten, woraus sich der arabische Name
ein>,2n6 Lr'inn l,^ Schatzkammer Pharaos) erklärt. Die Nischen und Wand¬
füllungen sind mit Skulpturen, meist weiblichen Gestalten, geschmückt, die Enden
der Giebel mit Adlern, die Friese und das Hauptgiebelfeld mit reichem Ranken¬
werk. Mit Ausnahme einer ausgebrochnen Vordersäule und den Verstümmlungen
an den Relieffiguren ist das ganze Bauwerk bis ins kleinste noch heute
herrlich erhalten. Daß hier nicht blinde Zerstörungswut gewaltet, sondern nur
der irregeleitete religiöse Glaube der Moslims, die die Nachbildung lebender
Wesen nicht dulden zu können glaubten, zeigt sich daran, daß der ornamentale
Schmuck nicht angerührt ist. Auffallend ist der Gegensatz zwischen dem Äußern
und Innern: die Fassade so künstlerisch vollendet, und innen nur drei rohe Stein¬
gemächer. Zu beiden Seiten des Denkmals sind noch die in regelrechter Reihe
bis zum obern Rand eingemeißelten Balkenlöcher zu sehen, in denen die Arbeiter
ihre Gerüstbalken befestigt haben werden. Der Streit, ob wir es hier mit
einem Tempel oder einer Grabanlage zu tun haben, wird schwer zu entscheiden
sein, zumal da beides ineinander übergeht, haben doch alle großen petrüischen
Grabbauten bei den Gedächtnisfeiern zu Ehren der Verstorbnen zugleich kul¬
tischen Zwecken gedient. Aber das eine ist nach eingehendem Studium des
Neliefschmuckes sicher, daß das Gebäude der ägyptischen Göttin Isis geweiht
war und unter ihrem Schutze stand. Viele ägyptische Motive machen das
Chazne zum einzigen Vertreter ägyptisch-hellenistischer Baukunst in Petra. Als
Urheber vermutet man Kaiser Hadrian, der im Jahre 131 Petra besuchte.
Wenn neuere Beurteiler aus der kunsthistorischen Analyse heraus dem Ge¬
bäude Stillosigkeit und Oberflächlichkeit vorgeworfen haben,*) so waren es wohl
immer nur solche, die es nicht an Ort und Stelle in seiner Farbenpracht und
wundersamen Umgebung haben auf sich wirken lassen können. Wir möchten
uns vielmehr zu den begeisterten Worten des erwähnten Lagrange bekennen:
u'est xa8 an'on xuisss vomvaror 1e Xb.g.2red g.v.x vliöks-ä'cLuvre 6e 1'art
Al'co. Ums on n'z? 80nZ<z pÄS, 1» b^Fuettö an mgZieien n's8t xa8
Sonini8e sux inßme8 loi8 <zns 1a röAle. et l'^uerrv.
In wenigen Minuten sind wir am Ende der engen Felsschlucht, wo der
Bach in den offnen Talkessel tritt, an dessen Westseite das Theater liegt. Zur
Linken türmt sich die Felsmasse des Obeliskenberges, zur Rechten die von
el-chubze. Bis zum Theater zieht sich an der westlichen Seite Grab an Grab,
meist im alten Pylonenstil, aber auch solche im Hedschr-Typus. An der
andern östlichen Seite sind die Prachtgräber aus der römischen Zeit, die man
vom Theater aus übersehen sollte. Um den Schutz der mächtigen Bergwand
zu genießen, ließen wir unser Zeltlager im Theater selbst aufschlagen. Hinter
uns stiegen in dem roten Gestein in mächtigen Stufen die dreiunddreißig Stein¬
barke auf, teils ganz erhalten, teils geborsten. Die oberste Bank maß neunzig
Schritt im Halbkreis. Unten der Szcnenraum ist jetzt freilich von Grün über¬
wuchert und von Steinen zum Teil überschüttet. Man könnte meinen, daß
die Stufen auch heute noch mit einem prachtvollen roten Teppich bedeckt seien.
So wirkt auch hier das Not des Sandsteins. Es waren unvergeßliche Ein-
*) Zum Beispiel Ad. Michaelis in der Deutschen Rundschau 190S, S, 226.
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