Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.Nach etwa halbstündigen Ritte kamen wir an ein breites Wasser ohne Höchst malerisch sind jene Brücken, die sich aus Steinen erbaut in zier¬ Nach einstündigem Marsche erreichten wir eine sogenannte Außenstatwn Grenzboten IV 1909 ^
Nach etwa halbstündigen Ritte kamen wir an ein breites Wasser ohne Höchst malerisch sind jene Brücken, die sich aus Steinen erbaut in zier¬ Nach einstündigem Marsche erreichten wir eine sogenannte Außenstatwn Grenzboten IV 1909 ^
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0453" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314800"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2153"> Nach etwa halbstündigen Ritte kamen wir an ein breites Wasser ohne<lb/> Brücke und Steg, aber ein in der Nähe liegendes Schiff brachte uns trocken<lb/> hinüber, nachdem sich die Schiffer erst hatten versprechen lassen, daß sie Lehm¬<lb/> erde von dieser Gegend für den Bau des Spitals liefern dürften. Nicht immer<lb/> trafen wir so gutwillige Fergen an den vielen Flüssen, über die wir zu setzen<lb/> hatten, und so mußten meine Begleiter eben oft durchwaten und mein Pferd<lb/> ebenso, wobei ich die Beine hochzog und meist dennoch naß wurde. Immerhin<lb/> überschritten wir auch manche Brücke, wenigstens die Träger, während ich vorzog,<lb/> dem Zentrum der Erde näher zu bleiben und die Gesetze des Falles und der<lb/> Schwerkraft praktisch nicht mehr auszuprobieren.</p><lb/> <p xml:id="ID_2154"> Höchst malerisch sind jene Brücken, die sich aus Steinen erbaut in zier¬<lb/> licher Wölbung von einem Ufer zum andern spannen; ohne Bedenken vertraut<lb/> mau sich denen an, die aus vier bis fünf Meter langen, zu zwei oder drei neben¬<lb/> einanderliegenden Granitsteinen gebildet sind, ebenso den Schiffsbrücken; aber<lb/> besonders gefährlich für das Pferd sind die Holzbrncken, weil sie schwanken<lb/> und wiegen, und weil man die Bretter meist im Zickzack über den Fluß gelegt<lb/> hat. um breite Pfeiler zu sparen. Am traurigsten aber sind doch die Brücken,<lb/> die ... nicht mehr sind! Noch ragen einige Pfeiler, vielleicht besteht auch noch<lb/> die eine Hälfte der Wölbung oder der Bretter, aber wer glaubt, daß eine solche<lb/> Brücke etwa wieder aufgebaut werde, der täuscht sich in der Mehrzahl der Fülle.<lb/> Denn wer wagte es, das Werk Verstorbner zu verbessern und etwas zu ändern<lb/> an dem, was die Ahnen getan haben? Nein, man fürchtet die Rache der<lb/> Brückenerbauer, deren Namen am Ufer eingraviert sind in einen Stein, der, so<lb/> sagen böse Leute, unter Umständen teurer herzustellen war als das Werk, dessen<lb/> Ruhm es kündet! Einstweilen kümmert sich in China die Regierung nicht um<lb/> Straßen- oder Brückenbau im weisen Vertrauen auf die Lehre des Konfuzius,<lb/> daß das ebenso wie Errichtung von Spitälern und Schulen ein frommes Werk<lb/> sei! Warum sollte da die Regierung guten Werken die Gelegenheit vorweg¬<lb/> nehmen? Da müßte sich die Regierung noch in vieles mischen, was bis jetzt<lb/> nicht ihre Sache war; nur einige Beispiele: ein Vater darf ohne weiteres seine<lb/> Kinder töten; der Mandarin sieht bei seinen Prozessen mehr aufs Geld als<lb/> aufs Recht; fällt jemand aus einem Passagierboot ins Wasser und ertrinkt, so<lb/> kümmert sich, wie ich selbst Zeuge war, kein Mensch vom Schiff darum und<lb/> ebensowenig die löbliche Polizei (außer einem andern Missionar und mir hat<lb/> keiner den Unglücklichen ans Ufer gezogen. Wiederbelebungsversuche gemacht<lb/> oder ihn auch nur angerührt! Das einzige, was sie taten, war zugucken und<lb/> am Ende, als ich des Toten Antlitz verdeckte, zu mir sagen: M Lira, das<lb/> heißt „haben Herz", oder „du bist sehr freundlich!").</p><lb/> <p xml:id="ID_2155" next="#ID_2156"> Nach einstündigem Marsche erreichten wir eine sogenannte Außenstatwn<lb/> von Ho-puer. das heißt das Hans eines Hilfskatechisten. Es besteht aus<lb/> drei Räumen: in der Mitte, nach vorn offen, ist die kleine Kapelle mit ein¬<lb/> fachem Altar und einigen Bibelsprüchen an der Wand; rechts und links</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1909 ^</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0453]
Nach etwa halbstündigen Ritte kamen wir an ein breites Wasser ohne
Brücke und Steg, aber ein in der Nähe liegendes Schiff brachte uns trocken
hinüber, nachdem sich die Schiffer erst hatten versprechen lassen, daß sie Lehm¬
erde von dieser Gegend für den Bau des Spitals liefern dürften. Nicht immer
trafen wir so gutwillige Fergen an den vielen Flüssen, über die wir zu setzen
hatten, und so mußten meine Begleiter eben oft durchwaten und mein Pferd
ebenso, wobei ich die Beine hochzog und meist dennoch naß wurde. Immerhin
überschritten wir auch manche Brücke, wenigstens die Träger, während ich vorzog,
dem Zentrum der Erde näher zu bleiben und die Gesetze des Falles und der
Schwerkraft praktisch nicht mehr auszuprobieren.
Höchst malerisch sind jene Brücken, die sich aus Steinen erbaut in zier¬
licher Wölbung von einem Ufer zum andern spannen; ohne Bedenken vertraut
mau sich denen an, die aus vier bis fünf Meter langen, zu zwei oder drei neben¬
einanderliegenden Granitsteinen gebildet sind, ebenso den Schiffsbrücken; aber
besonders gefährlich für das Pferd sind die Holzbrncken, weil sie schwanken
und wiegen, und weil man die Bretter meist im Zickzack über den Fluß gelegt
hat. um breite Pfeiler zu sparen. Am traurigsten aber sind doch die Brücken,
die ... nicht mehr sind! Noch ragen einige Pfeiler, vielleicht besteht auch noch
die eine Hälfte der Wölbung oder der Bretter, aber wer glaubt, daß eine solche
Brücke etwa wieder aufgebaut werde, der täuscht sich in der Mehrzahl der Fülle.
Denn wer wagte es, das Werk Verstorbner zu verbessern und etwas zu ändern
an dem, was die Ahnen getan haben? Nein, man fürchtet die Rache der
Brückenerbauer, deren Namen am Ufer eingraviert sind in einen Stein, der, so
sagen böse Leute, unter Umständen teurer herzustellen war als das Werk, dessen
Ruhm es kündet! Einstweilen kümmert sich in China die Regierung nicht um
Straßen- oder Brückenbau im weisen Vertrauen auf die Lehre des Konfuzius,
daß das ebenso wie Errichtung von Spitälern und Schulen ein frommes Werk
sei! Warum sollte da die Regierung guten Werken die Gelegenheit vorweg¬
nehmen? Da müßte sich die Regierung noch in vieles mischen, was bis jetzt
nicht ihre Sache war; nur einige Beispiele: ein Vater darf ohne weiteres seine
Kinder töten; der Mandarin sieht bei seinen Prozessen mehr aufs Geld als
aufs Recht; fällt jemand aus einem Passagierboot ins Wasser und ertrinkt, so
kümmert sich, wie ich selbst Zeuge war, kein Mensch vom Schiff darum und
ebensowenig die löbliche Polizei (außer einem andern Missionar und mir hat
keiner den Unglücklichen ans Ufer gezogen. Wiederbelebungsversuche gemacht
oder ihn auch nur angerührt! Das einzige, was sie taten, war zugucken und
am Ende, als ich des Toten Antlitz verdeckte, zu mir sagen: M Lira, das
heißt „haben Herz", oder „du bist sehr freundlich!").
Nach einstündigem Marsche erreichten wir eine sogenannte Außenstatwn
von Ho-puer. das heißt das Hans eines Hilfskatechisten. Es besteht aus
drei Räumen: in der Mitte, nach vorn offen, ist die kleine Kapelle mit ein¬
fachem Altar und einigen Bibelsprüchen an der Wand; rechts und links
Grenzboten IV 1909 ^
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