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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Fälscherkimste

Verrat zugleich auch, wie der Betrug entdeckt wird. Darin liegt der Wert des
Buches für den Sammler.

Hätte sich der Herausgeber auf diese eine Seite der Behandlung seines
Stoffes beschränkt, so wäre seine Arbeit schon ein Verdienst gewesen. Aber er
geht weiter und rückt der Materie auch als Historiker zu Leibe, indem er eine
geschichtliche Darstellung aller berühmten Fälschungen von allgemeinem Interesse
bietet. Wir erinnern nur an den russischen Graveur Rouchomowski, für dessen
vielbesprochne "Tiara des Smtaphaernes" -- eine Abbildung dieses merk¬
würdigen Kunstwerkes ist dem Buche beigefügt! -- das Direktorium des
Louvre die Kleinigkeit von 200000 Franken bezahlte. Durch die Fülle der
berühmten Fälschcrgcschichten wird das Buch auch für den Laien wertvoll,
denn man kommt bei der Lektüre der einzelnen "Fülle" gar nicht aus der
Spannung heraus und bewundert den Scharfsinn, mit dem die Betrüger die
gefälschten Gegenstünde nicht nur anfertigen, sondern auch, was häufig das
schwierigere ist, in die Hände der Interessenten spielen. Von der "vornehmen,
leider völlig verarmten" Familie, die "aus Not gezwungen" ist, "kostbare
alte Stücke" ihres "ererbten Besitzes" zu veräußern, bis zu dem mit "Alter¬
tümern" vollgepfropften "verlassenen" Kastell im Val d'Elsa bei Florenz, das
man von Fremden "entdecken" läßt, gibt es schier unzählige Kanäle, durch die
die Produkte eines unheimlichen Gewerbefleißes in den Gesichtskreis und damit
leider auch meist in die Sammlungen der Liebhaber gelangen.

Man würde den Fälschern übrigens Unrecht tun, wenn man sie alle über
einen Kamm scheren wollte. Man kann sie in verschiedne Gruppen klassi¬
fizieren, wie man bei ihren Arbeiten selbst eine Stufenfolge vom Naiv-Primi¬
tiven bis zum Raffiniert-Vollendeten feststellen muß. Auch als Beweggrund
zum Falschen ergibt sich keineswegs immer schnöde Habsucht; viele der Be¬
trüger haben harmlos angefangen, sei es, daß sie bei berechtigten Nestaumtions-
arbeiten in die Technik eines alten Kunstwerkes eindrangen und von der er¬
gänzenden Arbeit allmählich zur selbstschöpferischen übergingen, sei es, daß sie
Zum Zweck einer Mystifikation oder bloß zum Zeitvertreib ein wertvolles Objekt
kopierten und solcher Tätigkeit Geschmack abgewannen. Ja die Kunstgeschichte
kennt Fälschungen, denen geradezu edlere Motive zugrunde liegen, und die bei
objektiver Betrachtung beinahe verzeihlich erscheinen. So erzählt Roeßler fol¬
genden, schon von Thausing berichteten Fall: Als der kunstsinnige Herzog von
Mantua. Federigo von Gonzaga der Zweite, im Jahre 1523 nach Rom reiste,
um Giulio dei Medici, der soeben als Klemens der Siebente den päpstlichen
Stuhl bestiegen hatte, zu beglückwünschen, sah er auf der Durchreise im Me-
diceerpalast zu Florenz das berühmte Bildnis des Papstes Leo des Zehnten
und seiner beiden Nepoten, der Kardinäle de' Rossi und Giulio dei Medici, ein
Meisterwerk Raffaels. Der Herzog faßte ein heftiges Verlangen, das Gemälde
zu besitzen, das ihm um so wertvoller erscheinen mußte, als Raffael schon nicht
mehr unter den Lebenden weilte, und sprach den Papst darum an. Dieser


Fälscherkimste

Verrat zugleich auch, wie der Betrug entdeckt wird. Darin liegt der Wert des
Buches für den Sammler.

Hätte sich der Herausgeber auf diese eine Seite der Behandlung seines
Stoffes beschränkt, so wäre seine Arbeit schon ein Verdienst gewesen. Aber er
geht weiter und rückt der Materie auch als Historiker zu Leibe, indem er eine
geschichtliche Darstellung aller berühmten Fälschungen von allgemeinem Interesse
bietet. Wir erinnern nur an den russischen Graveur Rouchomowski, für dessen
vielbesprochne „Tiara des Smtaphaernes" — eine Abbildung dieses merk¬
würdigen Kunstwerkes ist dem Buche beigefügt! — das Direktorium des
Louvre die Kleinigkeit von 200000 Franken bezahlte. Durch die Fülle der
berühmten Fälschcrgcschichten wird das Buch auch für den Laien wertvoll,
denn man kommt bei der Lektüre der einzelnen „Fülle" gar nicht aus der
Spannung heraus und bewundert den Scharfsinn, mit dem die Betrüger die
gefälschten Gegenstünde nicht nur anfertigen, sondern auch, was häufig das
schwierigere ist, in die Hände der Interessenten spielen. Von der „vornehmen,
leider völlig verarmten" Familie, die „aus Not gezwungen" ist, „kostbare
alte Stücke" ihres „ererbten Besitzes" zu veräußern, bis zu dem mit „Alter¬
tümern" vollgepfropften „verlassenen" Kastell im Val d'Elsa bei Florenz, das
man von Fremden „entdecken" läßt, gibt es schier unzählige Kanäle, durch die
die Produkte eines unheimlichen Gewerbefleißes in den Gesichtskreis und damit
leider auch meist in die Sammlungen der Liebhaber gelangen.

Man würde den Fälschern übrigens Unrecht tun, wenn man sie alle über
einen Kamm scheren wollte. Man kann sie in verschiedne Gruppen klassi¬
fizieren, wie man bei ihren Arbeiten selbst eine Stufenfolge vom Naiv-Primi¬
tiven bis zum Raffiniert-Vollendeten feststellen muß. Auch als Beweggrund
zum Falschen ergibt sich keineswegs immer schnöde Habsucht; viele der Be¬
trüger haben harmlos angefangen, sei es, daß sie bei berechtigten Nestaumtions-
arbeiten in die Technik eines alten Kunstwerkes eindrangen und von der er¬
gänzenden Arbeit allmählich zur selbstschöpferischen übergingen, sei es, daß sie
Zum Zweck einer Mystifikation oder bloß zum Zeitvertreib ein wertvolles Objekt
kopierten und solcher Tätigkeit Geschmack abgewannen. Ja die Kunstgeschichte
kennt Fälschungen, denen geradezu edlere Motive zugrunde liegen, und die bei
objektiver Betrachtung beinahe verzeihlich erscheinen. So erzählt Roeßler fol¬
genden, schon von Thausing berichteten Fall: Als der kunstsinnige Herzog von
Mantua. Federigo von Gonzaga der Zweite, im Jahre 1523 nach Rom reiste,
um Giulio dei Medici, der soeben als Klemens der Siebente den päpstlichen
Stuhl bestiegen hatte, zu beglückwünschen, sah er auf der Durchreise im Me-
diceerpalast zu Florenz das berühmte Bildnis des Papstes Leo des Zehnten
und seiner beiden Nepoten, der Kardinäle de' Rossi und Giulio dei Medici, ein
Meisterwerk Raffaels. Der Herzog faßte ein heftiges Verlangen, das Gemälde
zu besitzen, das ihm um so wertvoller erscheinen mußte, als Raffael schon nicht
mehr unter den Lebenden weilte, und sprach den Papst darum an. Dieser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/427>, abgerufen am 24.07.2024.