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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Fälscherkiinste

seit langem nicht mehr erfreuen, denn über seinem Haupte schwebt gleich einem
Damoklesschwerte die Gefahr, durch eine mehr oder minder geschickte Fälschung
betrogen zu werden.

Solange die Menschen erlesene Werke der Kunst und des Kunstgewerbes
geschätzt und gekauft haben, hat es Leute gegeben, die solche Arbeiten nach¬
zuahmen und an den Mann zu bringen verstanden. Wir wissen zum Beispiel,
daß in Kampanien schon zweihundert Jahre vor unsrer Zeitrechnung etruskische
Vasen gefälscht wurden, die sich dem Kenner freilich durch die von den spekulativen
Apuliern mißverstandnen und daher sinnlos kopierten Schriftzeichen verraten.
Unzweifelhaft begünstigte auch die während der Renaissancezeit sehr allgemein
gewordne Sammelwut die Nachahmung antiker Kunstwerke zu betrügerischen
Zwecken, wie denn auch der Niedergang des Steinschnitts zu Ende des sieb¬
zehnten und zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts nicht zum wenigsten
auf die Überschwemmung des Marktes mit Fälschungen zurückzuführen ist.

Zu einer wohlorganisierten, weitverzweigten und gleichsam nach wissen¬
schaftlichen Prinzipien geleiteten Industrie hat sich jedoch die Gewerbstätigkeit,
die die Franzosen mit dem sicherlich von unserm guten deutschen Worte "be¬
trügen" abgeleiteten Ausdruck truaugM bezeichnen, erst in unsrer Zeit aus¬
bilden können. Der gehobne allgemeine Wohlstand, die Verbreitung der
Bildung und das durch die bequemer gewordnen Verkehrsverhältnisse, durch
die zahlreichen öffentlichen Sammlungen, durch Bücher und Presse geweckte
Interesse haben die Zahl der Sammler in einer so bedenklichen Weise vergrößert,
daß das Angebot guter echter Stücke der gewaltigen Nachfrage bei weitem
nicht mehr genügt. Ans der Liebhaberei ist ein Sport, eine Modesache ge¬
worden, wobei nicht mehr nach individuellen Neigungen gefragt, sondern den
Leuten, die das Geld dazu haben, diktatorisch dieses oder jenes Sammelgebiet
als das einzig wahre und zeitgemäße vorgeschrieben wird. Um das Unglück
voll zu machen, haben auch die amerikanischen Eisenbahn- und Petroleumkönige,
denen ja dank ihrer weitherzigen Geschüftsmaximen die Anhäufung von Millionen
keine sonderliche Mühe bereitet, die Entdeckung gemacht, daß das erheuchelte
Interesse für die Kunstleistun gen der Alten Welt und der massenhafte Ankauf
von Werken mit berühmten Namen wirksame Mittel seien, ihren Mangel an
Geistes- und Herzensbildung zu maskieren. Da sie von der Kunst meist keine
blasse Ahnung haben und. lediglich der Reklame wegen, die lächerlichsten
Phantasiepreise bezahlen, so sind sie recht eigentlich, wenn auch nicht die
Urheber, so doch die Schutzpatrone der jetzt über ganz Europa, ja über die
ganze Alte Welt verbreiteten berufsmäßigen Fälscher geworden. Man darf getrost
behaupten, daß heute alles gefälscht wird: prähistorische Objekte, ägyptische,
antike und mexikanische Altertümer. Glas. Münzen und Goldschmiedearbeiten,
Email, geschnittene Steine. Gemmen. Kameen und Edelsteine, alte und moderne
Bilder, Skizzen und Kunstblätter. Terrakotta. Faiencen und Steinzeug. Porzellan,
alte Bücher und Einbände. Autogramme, Möbel, Bronzen, Elfenbeinschnitzereien,


Fälscherkiinste

seit langem nicht mehr erfreuen, denn über seinem Haupte schwebt gleich einem
Damoklesschwerte die Gefahr, durch eine mehr oder minder geschickte Fälschung
betrogen zu werden.

Solange die Menschen erlesene Werke der Kunst und des Kunstgewerbes
geschätzt und gekauft haben, hat es Leute gegeben, die solche Arbeiten nach¬
zuahmen und an den Mann zu bringen verstanden. Wir wissen zum Beispiel,
daß in Kampanien schon zweihundert Jahre vor unsrer Zeitrechnung etruskische
Vasen gefälscht wurden, die sich dem Kenner freilich durch die von den spekulativen
Apuliern mißverstandnen und daher sinnlos kopierten Schriftzeichen verraten.
Unzweifelhaft begünstigte auch die während der Renaissancezeit sehr allgemein
gewordne Sammelwut die Nachahmung antiker Kunstwerke zu betrügerischen
Zwecken, wie denn auch der Niedergang des Steinschnitts zu Ende des sieb¬
zehnten und zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts nicht zum wenigsten
auf die Überschwemmung des Marktes mit Fälschungen zurückzuführen ist.

Zu einer wohlorganisierten, weitverzweigten und gleichsam nach wissen¬
schaftlichen Prinzipien geleiteten Industrie hat sich jedoch die Gewerbstätigkeit,
die die Franzosen mit dem sicherlich von unserm guten deutschen Worte „be¬
trügen" abgeleiteten Ausdruck truaugM bezeichnen, erst in unsrer Zeit aus¬
bilden können. Der gehobne allgemeine Wohlstand, die Verbreitung der
Bildung und das durch die bequemer gewordnen Verkehrsverhältnisse, durch
die zahlreichen öffentlichen Sammlungen, durch Bücher und Presse geweckte
Interesse haben die Zahl der Sammler in einer so bedenklichen Weise vergrößert,
daß das Angebot guter echter Stücke der gewaltigen Nachfrage bei weitem
nicht mehr genügt. Ans der Liebhaberei ist ein Sport, eine Modesache ge¬
worden, wobei nicht mehr nach individuellen Neigungen gefragt, sondern den
Leuten, die das Geld dazu haben, diktatorisch dieses oder jenes Sammelgebiet
als das einzig wahre und zeitgemäße vorgeschrieben wird. Um das Unglück
voll zu machen, haben auch die amerikanischen Eisenbahn- und Petroleumkönige,
denen ja dank ihrer weitherzigen Geschüftsmaximen die Anhäufung von Millionen
keine sonderliche Mühe bereitet, die Entdeckung gemacht, daß das erheuchelte
Interesse für die Kunstleistun gen der Alten Welt und der massenhafte Ankauf
von Werken mit berühmten Namen wirksame Mittel seien, ihren Mangel an
Geistes- und Herzensbildung zu maskieren. Da sie von der Kunst meist keine
blasse Ahnung haben und. lediglich der Reklame wegen, die lächerlichsten
Phantasiepreise bezahlen, so sind sie recht eigentlich, wenn auch nicht die
Urheber, so doch die Schutzpatrone der jetzt über ganz Europa, ja über die
ganze Alte Welt verbreiteten berufsmäßigen Fälscher geworden. Man darf getrost
behaupten, daß heute alles gefälscht wird: prähistorische Objekte, ägyptische,
antike und mexikanische Altertümer. Glas. Münzen und Goldschmiedearbeiten,
Email, geschnittene Steine. Gemmen. Kameen und Edelsteine, alte und moderne
Bilder, Skizzen und Kunstblätter. Terrakotta. Faiencen und Steinzeug. Porzellan,
alte Bücher und Einbände. Autogramme, Möbel, Bronzen, Elfenbeinschnitzereien,


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[0425] Fälscherkiinste seit langem nicht mehr erfreuen, denn über seinem Haupte schwebt gleich einem Damoklesschwerte die Gefahr, durch eine mehr oder minder geschickte Fälschung betrogen zu werden. Solange die Menschen erlesene Werke der Kunst und des Kunstgewerbes geschätzt und gekauft haben, hat es Leute gegeben, die solche Arbeiten nach¬ zuahmen und an den Mann zu bringen verstanden. Wir wissen zum Beispiel, daß in Kampanien schon zweihundert Jahre vor unsrer Zeitrechnung etruskische Vasen gefälscht wurden, die sich dem Kenner freilich durch die von den spekulativen Apuliern mißverstandnen und daher sinnlos kopierten Schriftzeichen verraten. Unzweifelhaft begünstigte auch die während der Renaissancezeit sehr allgemein gewordne Sammelwut die Nachahmung antiker Kunstwerke zu betrügerischen Zwecken, wie denn auch der Niedergang des Steinschnitts zu Ende des sieb¬ zehnten und zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts nicht zum wenigsten auf die Überschwemmung des Marktes mit Fälschungen zurückzuführen ist. Zu einer wohlorganisierten, weitverzweigten und gleichsam nach wissen¬ schaftlichen Prinzipien geleiteten Industrie hat sich jedoch die Gewerbstätigkeit, die die Franzosen mit dem sicherlich von unserm guten deutschen Worte „be¬ trügen" abgeleiteten Ausdruck truaugM bezeichnen, erst in unsrer Zeit aus¬ bilden können. Der gehobne allgemeine Wohlstand, die Verbreitung der Bildung und das durch die bequemer gewordnen Verkehrsverhältnisse, durch die zahlreichen öffentlichen Sammlungen, durch Bücher und Presse geweckte Interesse haben die Zahl der Sammler in einer so bedenklichen Weise vergrößert, daß das Angebot guter echter Stücke der gewaltigen Nachfrage bei weitem nicht mehr genügt. Ans der Liebhaberei ist ein Sport, eine Modesache ge¬ worden, wobei nicht mehr nach individuellen Neigungen gefragt, sondern den Leuten, die das Geld dazu haben, diktatorisch dieses oder jenes Sammelgebiet als das einzig wahre und zeitgemäße vorgeschrieben wird. Um das Unglück voll zu machen, haben auch die amerikanischen Eisenbahn- und Petroleumkönige, denen ja dank ihrer weitherzigen Geschüftsmaximen die Anhäufung von Millionen keine sonderliche Mühe bereitet, die Entdeckung gemacht, daß das erheuchelte Interesse für die Kunstleistun gen der Alten Welt und der massenhafte Ankauf von Werken mit berühmten Namen wirksame Mittel seien, ihren Mangel an Geistes- und Herzensbildung zu maskieren. Da sie von der Kunst meist keine blasse Ahnung haben und. lediglich der Reklame wegen, die lächerlichsten Phantasiepreise bezahlen, so sind sie recht eigentlich, wenn auch nicht die Urheber, so doch die Schutzpatrone der jetzt über ganz Europa, ja über die ganze Alte Welt verbreiteten berufsmäßigen Fälscher geworden. Man darf getrost behaupten, daß heute alles gefälscht wird: prähistorische Objekte, ägyptische, antike und mexikanische Altertümer. Glas. Münzen und Goldschmiedearbeiten, Email, geschnittene Steine. Gemmen. Kameen und Edelsteine, alte und moderne Bilder, Skizzen und Kunstblätter. Terrakotta. Faiencen und Steinzeug. Porzellan, alte Bücher und Einbände. Autogramme, Möbel, Bronzen, Elfenbeinschnitzereien,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/425>, abgerufen am 24.07.2024.