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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Jugendschriften

im Herbst das Laub von den Bäumen fallen muß. und wie jedes Ding MI
Haushalt der Natur seine Pflicht und sein Recht hat, und wir es darum als
nützliches Mitglied im Weltall zu respektieren haben. Bei alledem finden wir
auf keiner Seite ein lehrhaftes Erziehen, nirgends ein schematiches Besser¬
wissen, wir hören nur aus jedem Wort heraus: "Ich bin in der Natur so
glücklich, die Pflanzen und Tiere sind meine besten Freunde, kommt, Kinder,
wollt ihr nicht ein Gleiches haben!"

Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch auf ein Buch hinweisen, dessen
Verfasser beim Schreiben keineswegs an Kinder gedacht hat, und das sich doch
für fortgeschrittene Schüler, die sich für Naturwissenschaften interessieren, wie
kaum eines eignet. Professor Lassar-Cohns "Chemie des täglichen Lebens"*)
ist jetzt in sechster Auflage erschienen, und diese Verbreitung zeugt vielleicht
dafür, daß eine neue Empfehlung Eulen nach Athen tragen hieße. Im großen
und ganzen lesen dieses überaus interessant geschriebn? Buch ja nur Erwachsne;
man sollte aber ruhig den Versuch machen, es der reifen Jugend in die Hand
zu geben. Trotz gründlicher Wissenschaftlichkeit ist es so leichtverständlich, daß
es jeder Schüler der Oberstufe mit Freude lesen wird.

Von der schon halberwachsnen Jugend nun zu unsern Allerkleinsten! Nach
der Zeit unsrer Großeltern, denen man im kindlichsten Alter die Kupferstiche
aus Geßners Idyllen oder die schönen Holzschnitte aus Blockes Irdischem
Vergnügen in Gott zum Anschauen gab, weil man andres Gutes nicht hatte,
kam eine lange, öde Zeit schlechtester Kinderbilderbücher, aus der im Grunde
nur Ludwig Richters und Otto Speckters schöne Bilder emporragen. Aus dieser
Not heraus dichtete und zeichnete Heinrich Hoffmann seinen Struwwelpeter für
seinen Sohn. Der ungeheure Erfolg beweist, wie richtig Hoffmann heraus¬
gefunden hatte, was da fehlte, doch leider wurden bald die unschönen und
sehr minderwertigen Nachahmungen des Struwwelpeters ebenso stark gekauft
wie dieser selbst. Erst den beiden letzten Jahrzehnten ist es gelungen, wieder
gute Bilderbücher zu schaffen, die inhaltlich und der Ausstattung nach an erster
Stelle stehen, und zwar dadurch, daß sich auch unsre großen Meister nicht zu
hoch erachteten, ihre Kunst den Kindern dienstbar zu machen.

Das Abc-Bilderbuch von Hans Thoma**) gezeichnet und mit Text von
Mathilde Koester versehen wird den Kleinen ein lieber Freund und Spiel¬
gefährte sein. Wer Hans Thoma kennt, der weiß, wie er Kinder darzustellen
vermag, und in demselben Maße ist ihm die Gabe verliehen, Kindliches für
Kinder zu geben. Die kleinen Geschichten und Gedichte von Mathilde Koester
passen sich den Bildern aufs beste an und erklären sie. wo es not tut, auf
hübsche Weise.

Kindersang -- Heimatklang***) ist eine Sammlung von bekannten Kinder¬
liedern, die den Gesang im Hause und beim Spiel im Freien pflegen soll.





. -- *") Verlag von Jos, Scholz in Mainz.
*) Leopold Vob in Hamburg
Verlag von Jos. Scholz in Mainz.
Jugendschriften

im Herbst das Laub von den Bäumen fallen muß. und wie jedes Ding MI
Haushalt der Natur seine Pflicht und sein Recht hat, und wir es darum als
nützliches Mitglied im Weltall zu respektieren haben. Bei alledem finden wir
auf keiner Seite ein lehrhaftes Erziehen, nirgends ein schematiches Besser¬
wissen, wir hören nur aus jedem Wort heraus: „Ich bin in der Natur so
glücklich, die Pflanzen und Tiere sind meine besten Freunde, kommt, Kinder,
wollt ihr nicht ein Gleiches haben!"

Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch auf ein Buch hinweisen, dessen
Verfasser beim Schreiben keineswegs an Kinder gedacht hat, und das sich doch
für fortgeschrittene Schüler, die sich für Naturwissenschaften interessieren, wie
kaum eines eignet. Professor Lassar-Cohns „Chemie des täglichen Lebens"*)
ist jetzt in sechster Auflage erschienen, und diese Verbreitung zeugt vielleicht
dafür, daß eine neue Empfehlung Eulen nach Athen tragen hieße. Im großen
und ganzen lesen dieses überaus interessant geschriebn? Buch ja nur Erwachsne;
man sollte aber ruhig den Versuch machen, es der reifen Jugend in die Hand
zu geben. Trotz gründlicher Wissenschaftlichkeit ist es so leichtverständlich, daß
es jeder Schüler der Oberstufe mit Freude lesen wird.

Von der schon halberwachsnen Jugend nun zu unsern Allerkleinsten! Nach
der Zeit unsrer Großeltern, denen man im kindlichsten Alter die Kupferstiche
aus Geßners Idyllen oder die schönen Holzschnitte aus Blockes Irdischem
Vergnügen in Gott zum Anschauen gab, weil man andres Gutes nicht hatte,
kam eine lange, öde Zeit schlechtester Kinderbilderbücher, aus der im Grunde
nur Ludwig Richters und Otto Speckters schöne Bilder emporragen. Aus dieser
Not heraus dichtete und zeichnete Heinrich Hoffmann seinen Struwwelpeter für
seinen Sohn. Der ungeheure Erfolg beweist, wie richtig Hoffmann heraus¬
gefunden hatte, was da fehlte, doch leider wurden bald die unschönen und
sehr minderwertigen Nachahmungen des Struwwelpeters ebenso stark gekauft
wie dieser selbst. Erst den beiden letzten Jahrzehnten ist es gelungen, wieder
gute Bilderbücher zu schaffen, die inhaltlich und der Ausstattung nach an erster
Stelle stehen, und zwar dadurch, daß sich auch unsre großen Meister nicht zu
hoch erachteten, ihre Kunst den Kindern dienstbar zu machen.

Das Abc-Bilderbuch von Hans Thoma**) gezeichnet und mit Text von
Mathilde Koester versehen wird den Kleinen ein lieber Freund und Spiel¬
gefährte sein. Wer Hans Thoma kennt, der weiß, wie er Kinder darzustellen
vermag, und in demselben Maße ist ihm die Gabe verliehen, Kindliches für
Kinder zu geben. Die kleinen Geschichten und Gedichte von Mathilde Koester
passen sich den Bildern aufs beste an und erklären sie. wo es not tut, auf
hübsche Weise.

Kindersang — Heimatklang***) ist eine Sammlung von bekannten Kinder¬
liedern, die den Gesang im Hause und beim Spiel im Freien pflegen soll.





. — *») Verlag von Jos, Scholz in Mainz.
*) Leopold Vob in Hamburg
Verlag von Jos. Scholz in Mainz.
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[0371] Jugendschriften im Herbst das Laub von den Bäumen fallen muß. und wie jedes Ding MI Haushalt der Natur seine Pflicht und sein Recht hat, und wir es darum als nützliches Mitglied im Weltall zu respektieren haben. Bei alledem finden wir auf keiner Seite ein lehrhaftes Erziehen, nirgends ein schematiches Besser¬ wissen, wir hören nur aus jedem Wort heraus: „Ich bin in der Natur so glücklich, die Pflanzen und Tiere sind meine besten Freunde, kommt, Kinder, wollt ihr nicht ein Gleiches haben!" Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch auf ein Buch hinweisen, dessen Verfasser beim Schreiben keineswegs an Kinder gedacht hat, und das sich doch für fortgeschrittene Schüler, die sich für Naturwissenschaften interessieren, wie kaum eines eignet. Professor Lassar-Cohns „Chemie des täglichen Lebens"*) ist jetzt in sechster Auflage erschienen, und diese Verbreitung zeugt vielleicht dafür, daß eine neue Empfehlung Eulen nach Athen tragen hieße. Im großen und ganzen lesen dieses überaus interessant geschriebn? Buch ja nur Erwachsne; man sollte aber ruhig den Versuch machen, es der reifen Jugend in die Hand zu geben. Trotz gründlicher Wissenschaftlichkeit ist es so leichtverständlich, daß es jeder Schüler der Oberstufe mit Freude lesen wird. Von der schon halberwachsnen Jugend nun zu unsern Allerkleinsten! Nach der Zeit unsrer Großeltern, denen man im kindlichsten Alter die Kupferstiche aus Geßners Idyllen oder die schönen Holzschnitte aus Blockes Irdischem Vergnügen in Gott zum Anschauen gab, weil man andres Gutes nicht hatte, kam eine lange, öde Zeit schlechtester Kinderbilderbücher, aus der im Grunde nur Ludwig Richters und Otto Speckters schöne Bilder emporragen. Aus dieser Not heraus dichtete und zeichnete Heinrich Hoffmann seinen Struwwelpeter für seinen Sohn. Der ungeheure Erfolg beweist, wie richtig Hoffmann heraus¬ gefunden hatte, was da fehlte, doch leider wurden bald die unschönen und sehr minderwertigen Nachahmungen des Struwwelpeters ebenso stark gekauft wie dieser selbst. Erst den beiden letzten Jahrzehnten ist es gelungen, wieder gute Bilderbücher zu schaffen, die inhaltlich und der Ausstattung nach an erster Stelle stehen, und zwar dadurch, daß sich auch unsre großen Meister nicht zu hoch erachteten, ihre Kunst den Kindern dienstbar zu machen. Das Abc-Bilderbuch von Hans Thoma**) gezeichnet und mit Text von Mathilde Koester versehen wird den Kleinen ein lieber Freund und Spiel¬ gefährte sein. Wer Hans Thoma kennt, der weiß, wie er Kinder darzustellen vermag, und in demselben Maße ist ihm die Gabe verliehen, Kindliches für Kinder zu geben. Die kleinen Geschichten und Gedichte von Mathilde Koester passen sich den Bildern aufs beste an und erklären sie. wo es not tut, auf hübsche Weise. Kindersang — Heimatklang***) ist eine Sammlung von bekannten Kinder¬ liedern, die den Gesang im Hause und beim Spiel im Freien pflegen soll. . — *») Verlag von Jos, Scholz in Mainz. *) Leopold Vob in Hamburg Verlag von Jos. Scholz in Mainz.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/371>, abgerufen am 24.07.2024.