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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Wie Bismarck Schutzzöllner wurde

natürlichste Anrecht habe, und daß sie des Schutzes bedürfe gegen die Kon¬
kurrenz solcher Länder, die infolge günstigerer Bedingungen unsre Produktion
überflügeln.

I. Januar 1879. Konferenz mit Varnbüler und Tiedemann in Friedrichsruh
über die Geschäftsbehandlung in der Zolltarifkommission.

II. Januar 1879. Bismarck erklärt in Friedrichsruh dem Geheimen Rat
von Tiedemann: Wenn seine Ideen über die Zollpolitik auf wirklichen Wider¬
stand bei den preußischen Ministern stießen (Friedenthal war gegen die Getreide¬
zölle), so wolle er nach Berlin kommen, eine Sitzung des Staatsministeriums
berufen und die Kabinettsfrage stellen. Gingen die Herren nicht mit ihm, so
werde er sie bitten, sich nach andern Posten umzusehen, und dann ein neues
Ministerium bilden, sollte er auch die neuen Ressortchefs aus deu Kreisen
der Assessoren wählen müssen. -- Bismarck beauftragt Tiedemann, Varnbüler
ausdrücklich zu sagen, daß er in der schutzzöllnerischen Bewegung nur so lange
mitschwimme, als der Landwirtschaft auch ein Schutz gewährt werde. Geschehe
dies nicht, so werde er es wieder mit den Freihändlern versuchen.

20. Januar 1879. Bismarck erklärt in Friedrichsruh, die Reform des
Zolltarifs sei eilig, weil er die Schäden, die dem Land aus dem bisherigen
Stande der Sache erwachsen, für zu groß halte, als daß er dem Lande und
seinem eignen Pflichtgefühl gegenüber die Unterlassung irgendeines Versuchs
zur Abhilfe, den seine amtliche Stellung ihm zu machen erlaube, verant¬
worten könnte.

Januar 1879. In Antworten auf zahlreiche Zustimmungsadressen aus
ländlichen Kreisen erklärt er seine Bemühungen darauf gerichtet, auch Zölle
auf die landwirtschaftlichen Produkte des Auslandes und fremdes Vieh ein¬
zuführen.

30. Januar 1879. Neue Beratung mit Freiherrn von Varnbüler in
Friedrichsruh.

3. April 1879. Bismarck präsidiert einer mehr als dreistündigen Sitzung
des Bundesrath zur Erledigung der Zollvorlage und tritt dabei lebhaft für
die Aufrechterhaltung der Tarifsätze, wie sie in der Zolltarifkommission fest¬
gestellt waren, ein.

19. April 1879. Er richtet an den Freiherrn von Thüngen in Roßbach
ein Schreiben, von dem die Freihändler (Laster) nicht ohne Übertreibung er¬
klären, der Kanzler habe darin alles überholt, was bisher an agrarischen Extra¬
vaganzen geleistet worden sei.

29. April 1879. Er ermutigt den Bremer Abgeordneten Mosle in seinen
Bestrebungen zum Schutze der deutschen Schiffahrt (surtaxe 6'kntrexöt).

2., 8., 21., 24., 27. Mai 1879. Bismarck führt den Zolltarif, sein
eigenstes Werk, in die parlamentarische Arena ein und entwickelt die großen
Ideen, die ihm bei der Reform vorgeschwebt. Er bleibt den Anfechtungen
der Freihändler gegenüber der Meister. , ,


Wie Bismarck Schutzzöllner wurde

natürlichste Anrecht habe, und daß sie des Schutzes bedürfe gegen die Kon¬
kurrenz solcher Länder, die infolge günstigerer Bedingungen unsre Produktion
überflügeln.

I. Januar 1879. Konferenz mit Varnbüler und Tiedemann in Friedrichsruh
über die Geschäftsbehandlung in der Zolltarifkommission.

II. Januar 1879. Bismarck erklärt in Friedrichsruh dem Geheimen Rat
von Tiedemann: Wenn seine Ideen über die Zollpolitik auf wirklichen Wider¬
stand bei den preußischen Ministern stießen (Friedenthal war gegen die Getreide¬
zölle), so wolle er nach Berlin kommen, eine Sitzung des Staatsministeriums
berufen und die Kabinettsfrage stellen. Gingen die Herren nicht mit ihm, so
werde er sie bitten, sich nach andern Posten umzusehen, und dann ein neues
Ministerium bilden, sollte er auch die neuen Ressortchefs aus deu Kreisen
der Assessoren wählen müssen. — Bismarck beauftragt Tiedemann, Varnbüler
ausdrücklich zu sagen, daß er in der schutzzöllnerischen Bewegung nur so lange
mitschwimme, als der Landwirtschaft auch ein Schutz gewährt werde. Geschehe
dies nicht, so werde er es wieder mit den Freihändlern versuchen.

20. Januar 1879. Bismarck erklärt in Friedrichsruh, die Reform des
Zolltarifs sei eilig, weil er die Schäden, die dem Land aus dem bisherigen
Stande der Sache erwachsen, für zu groß halte, als daß er dem Lande und
seinem eignen Pflichtgefühl gegenüber die Unterlassung irgendeines Versuchs
zur Abhilfe, den seine amtliche Stellung ihm zu machen erlaube, verant¬
worten könnte.

Januar 1879. In Antworten auf zahlreiche Zustimmungsadressen aus
ländlichen Kreisen erklärt er seine Bemühungen darauf gerichtet, auch Zölle
auf die landwirtschaftlichen Produkte des Auslandes und fremdes Vieh ein¬
zuführen.

30. Januar 1879. Neue Beratung mit Freiherrn von Varnbüler in
Friedrichsruh.

3. April 1879. Bismarck präsidiert einer mehr als dreistündigen Sitzung
des Bundesrath zur Erledigung der Zollvorlage und tritt dabei lebhaft für
die Aufrechterhaltung der Tarifsätze, wie sie in der Zolltarifkommission fest¬
gestellt waren, ein.

19. April 1879. Er richtet an den Freiherrn von Thüngen in Roßbach
ein Schreiben, von dem die Freihändler (Laster) nicht ohne Übertreibung er¬
klären, der Kanzler habe darin alles überholt, was bisher an agrarischen Extra¬
vaganzen geleistet worden sei.

29. April 1879. Er ermutigt den Bremer Abgeordneten Mosle in seinen
Bestrebungen zum Schutze der deutschen Schiffahrt (surtaxe 6'kntrexöt).

2., 8., 21., 24., 27. Mai 1879. Bismarck führt den Zolltarif, sein
eigenstes Werk, in die parlamentarische Arena ein und entwickelt die großen
Ideen, die ihm bei der Reform vorgeschwebt. Er bleibt den Anfechtungen
der Freihändler gegenüber der Meister. , ,


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[0353] Wie Bismarck Schutzzöllner wurde natürlichste Anrecht habe, und daß sie des Schutzes bedürfe gegen die Kon¬ kurrenz solcher Länder, die infolge günstigerer Bedingungen unsre Produktion überflügeln. I. Januar 1879. Konferenz mit Varnbüler und Tiedemann in Friedrichsruh über die Geschäftsbehandlung in der Zolltarifkommission. II. Januar 1879. Bismarck erklärt in Friedrichsruh dem Geheimen Rat von Tiedemann: Wenn seine Ideen über die Zollpolitik auf wirklichen Wider¬ stand bei den preußischen Ministern stießen (Friedenthal war gegen die Getreide¬ zölle), so wolle er nach Berlin kommen, eine Sitzung des Staatsministeriums berufen und die Kabinettsfrage stellen. Gingen die Herren nicht mit ihm, so werde er sie bitten, sich nach andern Posten umzusehen, und dann ein neues Ministerium bilden, sollte er auch die neuen Ressortchefs aus deu Kreisen der Assessoren wählen müssen. — Bismarck beauftragt Tiedemann, Varnbüler ausdrücklich zu sagen, daß er in der schutzzöllnerischen Bewegung nur so lange mitschwimme, als der Landwirtschaft auch ein Schutz gewährt werde. Geschehe dies nicht, so werde er es wieder mit den Freihändlern versuchen. 20. Januar 1879. Bismarck erklärt in Friedrichsruh, die Reform des Zolltarifs sei eilig, weil er die Schäden, die dem Land aus dem bisherigen Stande der Sache erwachsen, für zu groß halte, als daß er dem Lande und seinem eignen Pflichtgefühl gegenüber die Unterlassung irgendeines Versuchs zur Abhilfe, den seine amtliche Stellung ihm zu machen erlaube, verant¬ worten könnte. Januar 1879. In Antworten auf zahlreiche Zustimmungsadressen aus ländlichen Kreisen erklärt er seine Bemühungen darauf gerichtet, auch Zölle auf die landwirtschaftlichen Produkte des Auslandes und fremdes Vieh ein¬ zuführen. 30. Januar 1879. Neue Beratung mit Freiherrn von Varnbüler in Friedrichsruh. 3. April 1879. Bismarck präsidiert einer mehr als dreistündigen Sitzung des Bundesrath zur Erledigung der Zollvorlage und tritt dabei lebhaft für die Aufrechterhaltung der Tarifsätze, wie sie in der Zolltarifkommission fest¬ gestellt waren, ein. 19. April 1879. Er richtet an den Freiherrn von Thüngen in Roßbach ein Schreiben, von dem die Freihändler (Laster) nicht ohne Übertreibung er¬ klären, der Kanzler habe darin alles überholt, was bisher an agrarischen Extra¬ vaganzen geleistet worden sei. 29. April 1879. Er ermutigt den Bremer Abgeordneten Mosle in seinen Bestrebungen zum Schutze der deutschen Schiffahrt (surtaxe 6'kntrexöt). 2., 8., 21., 24., 27. Mai 1879. Bismarck führt den Zolltarif, sein eigenstes Werk, in die parlamentarische Arena ein und entwickelt die großen Ideen, die ihm bei der Reform vorgeschwebt. Er bleibt den Anfechtungen der Freihändler gegenüber der Meister. , ,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/353>, abgerufen am 24.07.2024.