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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Breslau

erwähnt Wird. Unsre nicht im mindesten weltschmerzlich gestimmten Altvordern
ließen eben auch in der Schöpfung der Namen von Orten und Personen ihren
gesunden Humor walten, und manchmal nicht bloß diesen, sondern auch einen
derben Zynismus. Also, wer Baustile studieren will, der kann das in Breslau
ebensogut wie anderswo tun, wenn ihm an ältern Stilen des Monumental¬
baus gelegen ist, jedenfalls besser als in Berlin. In Warenhauspalästen ist
dieses freilich den Breslauer Gebrüdern Barrasch weit über. Leerbeutel liegt
am Scheitniger Park, dem größten der Breslauer öffentlichen Parks (101 Hektar)
und auch dem schönsten. Sein Schöpfer ist der Fürst Friedrich von Hohenlohe
gewesen, der gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts hier einen englischen
Garten anlegte und vom Magistrat die Erlaubnis erhielt, den daran stoßenden
städtischen Eichenwald durch Promenadenwege dem Publikum zugänglich zu
machen. Seit 1815 gehört auch die Hohenlohesche Besitzung der Stadt. Breslauer
Patrioten behaupten, ihr englischer Garten sei der erste in Deutschland gewesen;
sie hätten also die Bewegung eingeleitet, die den französischen verdrängt hat.
Nun, auch dieser kommt ja heute wieder zu Ehren.

Vielleicht veranlaßt diese Plauderei manchen Besucher des Riesengebirges,
auch unsrer Provinzialhauptstadt einen Tag zu widmen. Und verwendet er ein
paar Tage auf den Ausflug, so kann er auf der Hin- und Rückfahrt noch
viele Naturschönheiten kennen lernen, von denen manche, wie der Fürstensteiner
Grund und der Zobten, beliebte Sonntagspartien der Breslauer sind. Männer
aber, die zu Studienzwecken reisen, werden sich hoffentlich durch diese Zeilen
daran erinnern lassen, daß sie Breslau nicht übersehen dürfen. Im Sinne des
Vereins zur Hebung des Fremdenverkehrs, der den Touristenstrom nach Breslau
leiten möchte, schreibe ich nicht. Im Frühsommer dieses Jahres hat man nach
dieser Richtung hin große Anstrengungen gemacht. Eine Fest- und Sportwoche
wurde veranstaltet mit großartigem Kostümumzug und allerlei sportlichen und
sonstigen Volksvergnügen. Der Sport kam jedoch so wenig zur Geltung, daß
nur eine Art Münchner Oktoberfest oder Dresdner Vogelwiese, ein Jahrmarkt-
und Kirmesrummel daraus wurde. Andre Besucher als schlesische ließen sich
nicht sehen, und mit den eignen Provinzlern war man sehr unzufrieden; der
Festrausch ließ einen argen Katzenjammer zurück. Eine Zeitung, die das Unter¬
nehmen gefördert hatte, mußte bekennen: "In Breslau selbst haben weder die
Inhaber von größern Geschäften noch auch die meisten Gastwirte auch nur
den mindesten Vorteil gehabt. Ja, soweit unsre Informationen reichen, haben
fast alle hiesigen Geschäfte geringere Einnahmen gehabt als in den entsprechenden
Wochen früherer Jahre. Das erscheint auch ganz natürlich. Geld genug wurde
schon ausgegeben während der Festwoche, es floß nur in andre Kanäle als
die, für die man es gern bestimmt hätte. Ja das Geld wurde dort draußen,
auf der Scheitniger Festwiese, mit einer Leichtigkeit ausgegeben, die fast an
den süddeutschen sparen! westdeutschen muß es heißen) Karnevalsleichtsinn
erinnerte. sDie nordostdeutschen sind auch nicht alle das ganze Jahr hindurch


Breslau

erwähnt Wird. Unsre nicht im mindesten weltschmerzlich gestimmten Altvordern
ließen eben auch in der Schöpfung der Namen von Orten und Personen ihren
gesunden Humor walten, und manchmal nicht bloß diesen, sondern auch einen
derben Zynismus. Also, wer Baustile studieren will, der kann das in Breslau
ebensogut wie anderswo tun, wenn ihm an ältern Stilen des Monumental¬
baus gelegen ist, jedenfalls besser als in Berlin. In Warenhauspalästen ist
dieses freilich den Breslauer Gebrüdern Barrasch weit über. Leerbeutel liegt
am Scheitniger Park, dem größten der Breslauer öffentlichen Parks (101 Hektar)
und auch dem schönsten. Sein Schöpfer ist der Fürst Friedrich von Hohenlohe
gewesen, der gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts hier einen englischen
Garten anlegte und vom Magistrat die Erlaubnis erhielt, den daran stoßenden
städtischen Eichenwald durch Promenadenwege dem Publikum zugänglich zu
machen. Seit 1815 gehört auch die Hohenlohesche Besitzung der Stadt. Breslauer
Patrioten behaupten, ihr englischer Garten sei der erste in Deutschland gewesen;
sie hätten also die Bewegung eingeleitet, die den französischen verdrängt hat.
Nun, auch dieser kommt ja heute wieder zu Ehren.

Vielleicht veranlaßt diese Plauderei manchen Besucher des Riesengebirges,
auch unsrer Provinzialhauptstadt einen Tag zu widmen. Und verwendet er ein
paar Tage auf den Ausflug, so kann er auf der Hin- und Rückfahrt noch
viele Naturschönheiten kennen lernen, von denen manche, wie der Fürstensteiner
Grund und der Zobten, beliebte Sonntagspartien der Breslauer sind. Männer
aber, die zu Studienzwecken reisen, werden sich hoffentlich durch diese Zeilen
daran erinnern lassen, daß sie Breslau nicht übersehen dürfen. Im Sinne des
Vereins zur Hebung des Fremdenverkehrs, der den Touristenstrom nach Breslau
leiten möchte, schreibe ich nicht. Im Frühsommer dieses Jahres hat man nach
dieser Richtung hin große Anstrengungen gemacht. Eine Fest- und Sportwoche
wurde veranstaltet mit großartigem Kostümumzug und allerlei sportlichen und
sonstigen Volksvergnügen. Der Sport kam jedoch so wenig zur Geltung, daß
nur eine Art Münchner Oktoberfest oder Dresdner Vogelwiese, ein Jahrmarkt-
und Kirmesrummel daraus wurde. Andre Besucher als schlesische ließen sich
nicht sehen, und mit den eignen Provinzlern war man sehr unzufrieden; der
Festrausch ließ einen argen Katzenjammer zurück. Eine Zeitung, die das Unter¬
nehmen gefördert hatte, mußte bekennen: „In Breslau selbst haben weder die
Inhaber von größern Geschäften noch auch die meisten Gastwirte auch nur
den mindesten Vorteil gehabt. Ja, soweit unsre Informationen reichen, haben
fast alle hiesigen Geschäfte geringere Einnahmen gehabt als in den entsprechenden
Wochen früherer Jahre. Das erscheint auch ganz natürlich. Geld genug wurde
schon ausgegeben während der Festwoche, es floß nur in andre Kanäle als
die, für die man es gern bestimmt hätte. Ja das Geld wurde dort draußen,
auf der Scheitniger Festwiese, mit einer Leichtigkeit ausgegeben, die fast an
den süddeutschen sparen! westdeutschen muß es heißen) Karnevalsleichtsinn
erinnerte. sDie nordostdeutschen sind auch nicht alle das ganze Jahr hindurch


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[0316] Breslau erwähnt Wird. Unsre nicht im mindesten weltschmerzlich gestimmten Altvordern ließen eben auch in der Schöpfung der Namen von Orten und Personen ihren gesunden Humor walten, und manchmal nicht bloß diesen, sondern auch einen derben Zynismus. Also, wer Baustile studieren will, der kann das in Breslau ebensogut wie anderswo tun, wenn ihm an ältern Stilen des Monumental¬ baus gelegen ist, jedenfalls besser als in Berlin. In Warenhauspalästen ist dieses freilich den Breslauer Gebrüdern Barrasch weit über. Leerbeutel liegt am Scheitniger Park, dem größten der Breslauer öffentlichen Parks (101 Hektar) und auch dem schönsten. Sein Schöpfer ist der Fürst Friedrich von Hohenlohe gewesen, der gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts hier einen englischen Garten anlegte und vom Magistrat die Erlaubnis erhielt, den daran stoßenden städtischen Eichenwald durch Promenadenwege dem Publikum zugänglich zu machen. Seit 1815 gehört auch die Hohenlohesche Besitzung der Stadt. Breslauer Patrioten behaupten, ihr englischer Garten sei der erste in Deutschland gewesen; sie hätten also die Bewegung eingeleitet, die den französischen verdrängt hat. Nun, auch dieser kommt ja heute wieder zu Ehren. Vielleicht veranlaßt diese Plauderei manchen Besucher des Riesengebirges, auch unsrer Provinzialhauptstadt einen Tag zu widmen. Und verwendet er ein paar Tage auf den Ausflug, so kann er auf der Hin- und Rückfahrt noch viele Naturschönheiten kennen lernen, von denen manche, wie der Fürstensteiner Grund und der Zobten, beliebte Sonntagspartien der Breslauer sind. Männer aber, die zu Studienzwecken reisen, werden sich hoffentlich durch diese Zeilen daran erinnern lassen, daß sie Breslau nicht übersehen dürfen. Im Sinne des Vereins zur Hebung des Fremdenverkehrs, der den Touristenstrom nach Breslau leiten möchte, schreibe ich nicht. Im Frühsommer dieses Jahres hat man nach dieser Richtung hin große Anstrengungen gemacht. Eine Fest- und Sportwoche wurde veranstaltet mit großartigem Kostümumzug und allerlei sportlichen und sonstigen Volksvergnügen. Der Sport kam jedoch so wenig zur Geltung, daß nur eine Art Münchner Oktoberfest oder Dresdner Vogelwiese, ein Jahrmarkt- und Kirmesrummel daraus wurde. Andre Besucher als schlesische ließen sich nicht sehen, und mit den eignen Provinzlern war man sehr unzufrieden; der Festrausch ließ einen argen Katzenjammer zurück. Eine Zeitung, die das Unter¬ nehmen gefördert hatte, mußte bekennen: „In Breslau selbst haben weder die Inhaber von größern Geschäften noch auch die meisten Gastwirte auch nur den mindesten Vorteil gehabt. Ja, soweit unsre Informationen reichen, haben fast alle hiesigen Geschäfte geringere Einnahmen gehabt als in den entsprechenden Wochen früherer Jahre. Das erscheint auch ganz natürlich. Geld genug wurde schon ausgegeben während der Festwoche, es floß nur in andre Kanäle als die, für die man es gern bestimmt hätte. Ja das Geld wurde dort draußen, auf der Scheitniger Festwiese, mit einer Leichtigkeit ausgegeben, die fast an den süddeutschen sparen! westdeutschen muß es heißen) Karnevalsleichtsinn erinnerte. sDie nordostdeutschen sind auch nicht alle das ganze Jahr hindurch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/316>, abgerufen am 24.07.2024.