Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.Vreslau Fresken- und Skulpturenschmuck eine Prachthalle, in der man sich behaglich Vreslau Fresken- und Skulpturenschmuck eine Prachthalle, in der man sich behaglich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0315" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314662"/> <fw type="header" place="top"> Vreslau</fw><lb/> <p xml:id="ID_1469" prev="#ID_1468" next="#ID_1470"> Fresken- und Skulpturenschmuck eine Prachthalle, in der man sich behaglich<lb/> fühlt, sodaß man sich auf ihrem obersten Treppenabsatze gern häuslich nieder¬<lb/> lassen möchte. Johann Schalter, Otto Lessing und Hermann Prell haben diese<lb/> Pracht geschaffen. Ob die Gemäldegalerie Stücke enthält, die in Gefahr stehen,<lb/> von amerikanischen Milliardären fortgeschleppt zu werden, kann ich nicht be¬<lb/> urteilen. Ich sehe nur so viel, daß das Kuratorium den Zweck verfolgt hat,<lb/> den Besuchern einen Überblick über die Entwicklung der neuern deutschen<lb/> Malerei zu gewähren, und diesen Zweck scheint es mir erreicht zu haben. Ältere<lb/> Perioden sind hauptsächlich dnrch einige gute Niederländer vertreten. Das<lb/> Museum liegt im südlichen Teile der Neustadt. Dort liegen auch die Bahn¬<lb/> höfe; der Hauptbahnhof hat durch einen großartigen, in den letzten Jahren<lb/> wunderbarerweise ohne jede Störung des Verkehrs durchgeführten Umbau eine<lb/> zwar nicht durch architektonische Schönheit hervorragende aber ungemein bequem<lb/> und praktisch eingerichtete Schalter- und Bahnsteighalle bekommen. Nach Süden<lb/> hat sich die Stadt zuerst ausgedehnt, und die Achse dieser Südvorstadt ist die<lb/> den Blücherplatz kreuzende Verlängerung der Schweidnitzer Straße, die südlich<lb/> von der Stadtbahn in die lange, mit Alleen, Anlagen und Vorgärten geschmückte<lb/> Kaiser Wilhelmstraße übergeht. An diese auf beiden Seiten sich anlehnend und<lb/> darüber hinausgreifend wächst der südliche Teil des allerneusten Breslau ins<lb/> Land hinein. Der Kaiser Wilhelmplatz, die Hohenzollern-, Höfchen-, Kron¬<lb/> prinzenstraße, die Kirschen-, Linden-, Ahorn-, Akazien-, Ebereschen-, Eichen-,<lb/> Rüsternallee (diese Alleen sind das, was ihr Name besagt) zeigen die Architekturen<lb/> aller Zeiten und Völker. Ein wunderschöner und unterhaltender Anblick! Statt<lb/> dessen wollen uns die Stilfanatikcr einen Einheitstil bescheren; ich danke schön<lb/> für den Tausch! Mitten drin in dieser Architekturansstellung liegt der Südpark.<lb/> Das Terrain dafür hat der Rittergutsbesitzer Schottländer unter gewissen<lb/> Bedingungen, um die viel gestritten worden ist, der Stadt geschenkt. Der<lb/> genannte, durch Militürlieferungeu und Bodenspekulation reich gewordne Herr<lb/> repräsentiert mit dem größten Brauer, dem Kommerzienrat Haase zusammen<lb/> das jüngste Breslauer Patriziat, während die schon genannten Familien Korn,<lb/> Molinari und Eichborn im achtzehnten Jahrhundert emporgestiegen sind. In<lb/> dieser südwestlichen Gegend findet man, wie gesagt, alle Architekturformen von<lb/> den jonischen Säulen bis zu den im — wie sagt man wohl korrekt? Darm¬<lb/> städter-, Muthesius-, Heimatknnststil? — gebauten Bauernhäusern, das heißt<lb/> Häusern, wie die Bauern sie früher gehabt haben, jetzt aber nicht mehr mögen.<lb/> Das eine Verdienst haben diese Häuser ohne Zweifel, daß sie dem Namen<lb/> Villa, Landhaus, die Wahrheit wiedergeben, die ihm abhanden gekommen war,<lb/> seitdem man jedes freistehende Kommerzienratpalais so nannte. Am entgegen¬<lb/> gesetzten Ende der Stadt, im Nordosten, ist nun plötzlich eine Villenkolonie<lb/> aus dem Boden emporgeschossen, die ausschließlich aus solchen Einfamilien¬<lb/> häusern besteht. Sie heißt Leerbeutel, nach einem Gute, das mit Süßwinkel<lb/> zusammen schon im vierzehnten Jahrhundert als Eigentum des Sandstifts</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0315]
Vreslau
Fresken- und Skulpturenschmuck eine Prachthalle, in der man sich behaglich
fühlt, sodaß man sich auf ihrem obersten Treppenabsatze gern häuslich nieder¬
lassen möchte. Johann Schalter, Otto Lessing und Hermann Prell haben diese
Pracht geschaffen. Ob die Gemäldegalerie Stücke enthält, die in Gefahr stehen,
von amerikanischen Milliardären fortgeschleppt zu werden, kann ich nicht be¬
urteilen. Ich sehe nur so viel, daß das Kuratorium den Zweck verfolgt hat,
den Besuchern einen Überblick über die Entwicklung der neuern deutschen
Malerei zu gewähren, und diesen Zweck scheint es mir erreicht zu haben. Ältere
Perioden sind hauptsächlich dnrch einige gute Niederländer vertreten. Das
Museum liegt im südlichen Teile der Neustadt. Dort liegen auch die Bahn¬
höfe; der Hauptbahnhof hat durch einen großartigen, in den letzten Jahren
wunderbarerweise ohne jede Störung des Verkehrs durchgeführten Umbau eine
zwar nicht durch architektonische Schönheit hervorragende aber ungemein bequem
und praktisch eingerichtete Schalter- und Bahnsteighalle bekommen. Nach Süden
hat sich die Stadt zuerst ausgedehnt, und die Achse dieser Südvorstadt ist die
den Blücherplatz kreuzende Verlängerung der Schweidnitzer Straße, die südlich
von der Stadtbahn in die lange, mit Alleen, Anlagen und Vorgärten geschmückte
Kaiser Wilhelmstraße übergeht. An diese auf beiden Seiten sich anlehnend und
darüber hinausgreifend wächst der südliche Teil des allerneusten Breslau ins
Land hinein. Der Kaiser Wilhelmplatz, die Hohenzollern-, Höfchen-, Kron¬
prinzenstraße, die Kirschen-, Linden-, Ahorn-, Akazien-, Ebereschen-, Eichen-,
Rüsternallee (diese Alleen sind das, was ihr Name besagt) zeigen die Architekturen
aller Zeiten und Völker. Ein wunderschöner und unterhaltender Anblick! Statt
dessen wollen uns die Stilfanatikcr einen Einheitstil bescheren; ich danke schön
für den Tausch! Mitten drin in dieser Architekturansstellung liegt der Südpark.
Das Terrain dafür hat der Rittergutsbesitzer Schottländer unter gewissen
Bedingungen, um die viel gestritten worden ist, der Stadt geschenkt. Der
genannte, durch Militürlieferungeu und Bodenspekulation reich gewordne Herr
repräsentiert mit dem größten Brauer, dem Kommerzienrat Haase zusammen
das jüngste Breslauer Patriziat, während die schon genannten Familien Korn,
Molinari und Eichborn im achtzehnten Jahrhundert emporgestiegen sind. In
dieser südwestlichen Gegend findet man, wie gesagt, alle Architekturformen von
den jonischen Säulen bis zu den im — wie sagt man wohl korrekt? Darm¬
städter-, Muthesius-, Heimatknnststil? — gebauten Bauernhäusern, das heißt
Häusern, wie die Bauern sie früher gehabt haben, jetzt aber nicht mehr mögen.
Das eine Verdienst haben diese Häuser ohne Zweifel, daß sie dem Namen
Villa, Landhaus, die Wahrheit wiedergeben, die ihm abhanden gekommen war,
seitdem man jedes freistehende Kommerzienratpalais so nannte. Am entgegen¬
gesetzten Ende der Stadt, im Nordosten, ist nun plötzlich eine Villenkolonie
aus dem Boden emporgeschossen, die ausschließlich aus solchen Einfamilien¬
häusern besteht. Sie heißt Leerbeutel, nach einem Gute, das mit Süßwinkel
zusammen schon im vierzehnten Jahrhundert als Eigentum des Sandstifts
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