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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Der rote Hahn

den Kauf, aber bei Fürstlichkeiten, die man sich doch, wenn es sich nicht gerade
um den Herzog Stanislaus von Lothringen vor der Vermählung seiner Tochter
mit Ludwig dem Fünfzehnten handelt, für bemittelt hält, fällt es einem schon
schwerer, einen Pflock zurückzustecken.

(Schluß folgt)




Der rote Hahn
n palle Rosenkrantz. vo Deutsch von Zda Anders
Neunzehntes Acipitel. 5chluß

i^M!vn Myggefjed nach Deichhof führte ein Pfad über das Feld; er ist
ganz kurz, und er war viel zu kurz für Seydewitz, denn er hatte
etwas auf dem Herzen. Er bat deshalb Jnger, mit ihm die Deiche
entlang zu gehn, dieser Weg sei viel besser -- und er war auch
viel la'nger. Die Sonne war im Sinken, aber sie konnten Deichhof
I erreichen, bevor es ganz finster wurde. Jnger ging schnell, sie
sehnte sich, zu ihren Eltern nach Hause zu kommen und zu erzählen, daß jetzt alles
vorbei, daß jetzt Frieden und keine Gefahr mehr zu fürchten wäre. Seydewitz da¬
gegen wünschte, der Weg wäre doppelt so lang gewesen; er hatte soviel zu sagen,
und es ließ sich auch gerade heute an dem stillen Abend so gut sagen, während das
Wasser draußen seufzte und so leise gegen die Ufersteine schlug.

Da standen sie auf dem Deich, von wo der Weg über eine große Schleuse
führte. Seydewitz nahm Jngers Arm und sagte: Jnger, jetzt muß ich sprechen.
Nun ist ja alles in Ordnung gebracht. Jetzt haben wir beide Zeit, an uns zu
denken, jetzt dürfen wir an uns denken.

Jnger ging vorwärts, aber Seydewitz hielt sie zurück.

Jnger, ich liebe dich!

Das war es ja doch, was gesagt werden mußte. Er legte seinen Arm um ihre
Taille, und sie ließ es geschehen. Er beugte sich über sie und küßte ihren Mund.

Jnger, sagte er, seit dem Tage, du weißt schon welchem, habe ich keine andern
Gedanken gehabt als dich, aber ich mußte dich ja gewinnen. Ich wußte nicht wie,
ich sah ja, daß du mir nicht freundlich gesinnt warst; ich wußte ja auch so gut,
daß ich deiner nicht wert war. Ich bin deiner nicht wert in diesem Augenblick,
aber nicht wahr, daß ich dich liebe, muß mich deiner Liebe wert machen. Ich weiß
wohl, daß du nur dankbar bist, daß du mich nur anhörst, weil du meinst, daß ich
einen Anteil an dem glücklichen Ereignis habe, das dir heute widerfahren ist. Und
begnüge dich nur mit der Dankbarkeit, bis du begreifst, daß ich dich liebe, und daß
diese meine Liebe mir das Recht gibt, die deine zu fordern. Denn du bist der erste
Mensch, den ich geliebt habe. Ich wußte gar nicht, was es heißt, zu lieben, ehe
ich begriff, daß ich dich liebte. Aber von, dem Tage an sind meine Gedanken mir
bei dir gewesen, und je mehr du mir auswichest, desto mehr war ich danach bestrebt,
deiner würdig zu werden. Ich sage nicht, daß ich es schon bin, ich werde es
vielleicht nie, aber du mußt mir deine Liebe schenken, so unwürdig wie ich bin.

Jnger lauschte seinen Worten, wie sie an stillen Sommerabenden dem Brausen
des Meeres lauschte. Ihr Kopf konnte eigentlich nur den einen Gedanken fassen:
Vater ist gerettet. Sie meinte, daß sie Seydewitz Dank schuldig sei, und deshalb


Der rote Hahn

den Kauf, aber bei Fürstlichkeiten, die man sich doch, wenn es sich nicht gerade
um den Herzog Stanislaus von Lothringen vor der Vermählung seiner Tochter
mit Ludwig dem Fünfzehnten handelt, für bemittelt hält, fällt es einem schon
schwerer, einen Pflock zurückzustecken.

(Schluß folgt)




Der rote Hahn
n palle Rosenkrantz. vo Deutsch von Zda Anders
Neunzehntes Acipitel. 5chluß

i^M!vn Myggefjed nach Deichhof führte ein Pfad über das Feld; er ist
ganz kurz, und er war viel zu kurz für Seydewitz, denn er hatte
etwas auf dem Herzen. Er bat deshalb Jnger, mit ihm die Deiche
entlang zu gehn, dieser Weg sei viel besser — und er war auch
viel la'nger. Die Sonne war im Sinken, aber sie konnten Deichhof
I erreichen, bevor es ganz finster wurde. Jnger ging schnell, sie
sehnte sich, zu ihren Eltern nach Hause zu kommen und zu erzählen, daß jetzt alles
vorbei, daß jetzt Frieden und keine Gefahr mehr zu fürchten wäre. Seydewitz da¬
gegen wünschte, der Weg wäre doppelt so lang gewesen; er hatte soviel zu sagen,
und es ließ sich auch gerade heute an dem stillen Abend so gut sagen, während das
Wasser draußen seufzte und so leise gegen die Ufersteine schlug.

Da standen sie auf dem Deich, von wo der Weg über eine große Schleuse
führte. Seydewitz nahm Jngers Arm und sagte: Jnger, jetzt muß ich sprechen.
Nun ist ja alles in Ordnung gebracht. Jetzt haben wir beide Zeit, an uns zu
denken, jetzt dürfen wir an uns denken.

Jnger ging vorwärts, aber Seydewitz hielt sie zurück.

Jnger, ich liebe dich!

Das war es ja doch, was gesagt werden mußte. Er legte seinen Arm um ihre
Taille, und sie ließ es geschehen. Er beugte sich über sie und küßte ihren Mund.

Jnger, sagte er, seit dem Tage, du weißt schon welchem, habe ich keine andern
Gedanken gehabt als dich, aber ich mußte dich ja gewinnen. Ich wußte nicht wie,
ich sah ja, daß du mir nicht freundlich gesinnt warst; ich wußte ja auch so gut,
daß ich deiner nicht wert war. Ich bin deiner nicht wert in diesem Augenblick,
aber nicht wahr, daß ich dich liebe, muß mich deiner Liebe wert machen. Ich weiß
wohl, daß du nur dankbar bist, daß du mich nur anhörst, weil du meinst, daß ich
einen Anteil an dem glücklichen Ereignis habe, das dir heute widerfahren ist. Und
begnüge dich nur mit der Dankbarkeit, bis du begreifst, daß ich dich liebe, und daß
diese meine Liebe mir das Recht gibt, die deine zu fordern. Denn du bist der erste
Mensch, den ich geliebt habe. Ich wußte gar nicht, was es heißt, zu lieben, ehe
ich begriff, daß ich dich liebte. Aber von, dem Tage an sind meine Gedanken mir
bei dir gewesen, und je mehr du mir auswichest, desto mehr war ich danach bestrebt,
deiner würdig zu werden. Ich sage nicht, daß ich es schon bin, ich werde es
vielleicht nie, aber du mußt mir deine Liebe schenken, so unwürdig wie ich bin.

Jnger lauschte seinen Worten, wie sie an stillen Sommerabenden dem Brausen
des Meeres lauschte. Ihr Kopf konnte eigentlich nur den einen Gedanken fassen:
Vater ist gerettet. Sie meinte, daß sie Seydewitz Dank schuldig sei, und deshalb


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/248>, abgerufen am 24.07.2024.