Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.dem Provinzadel vervetterten Ratsperücken zogen die österreichische Schlapp¬ Rudolf Lindaus Geschichten aus der Türkei von Heinrich Spiero I Grenzboten IV 1909 29
dem Provinzadel vervetterten Ratsperücken zogen die österreichische Schlapp¬ Rudolf Lindaus Geschichten aus der Türkei von Heinrich Spiero I Grenzboten IV 1909 29
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dem Provinzadel vervetterten Ratsperücken zogen die österreichische Schlapp¬
heit, die ihnen relative Selbständigkeit ließ und prunkvolles Auftreten ge¬
stattete, dem strammen preußischen Soldatenregiment vor, und die Kaufmann¬
schaft fürchtete für ihren Handel, nicht ohne Grund, wie in der Geschichte des
Bankhauses Eichborn (1. Band des Jahrgangs 1904 der Grenzboten, S. 104)
gezeigt worden ist. Die Hinneigung dieser Kreise zu Österreich verleitete den
König zu dem Glauben, die meisten Ratsherren seien katholisch, während sich,
schreibt Weiß, „in der ganzen Stadtverwaltung nicht ein einziger Katholik
fand". Nach Jena waren es auch in Breslau die königlichen Zivil- und
Militärbehörden, die den patriotischen Geist der Bürger dämpften und hemmten,
anstatt ihn zu stärken und seine Anstrengungen zu organisieren. Dieses zu
tun, mühte sich in Breslau besonders der Graf Friedrich Pückler; die Feig¬
heit des Gouverneurs und des Kommandanten, die alle seine Bemühungen
vereitelten, trieb ihn zu solcher Verzweiflung, daß er mit einem Pistolenschuß
seinem Leben ein Ende machte. Im Völkerfrühling 1813, wo des Königs
Aufruf „An mein Volk" von hier ausging, war Breslau der Mittelpunkt der
Weltgeschichte. Mitten im Unglück des Jahres 1807 war der Bürgerschaft
eine große Freude und ein Geschenk von unschätzbarem Werte zuteil geworden:
Napoleon hatte zur Freude der Bürgerschaft die Festungswerke demolieren
lassen, die ihr drei schreckliche Belagerungen zugezogen hatten, und der König
schenkte ihr das Festungsterrain mit der Bemerkung: „Ich wünschte, die Festung
wäre schon vor Jahren demoliert worden." Im Frühsommer 1813 näherte
sich Napoleon der Stadt. Eine Deputation wurde abgesandt, ihn um
Schonung zu bitten. Sie traf ihn im Städtchen Neumarkt. Der immer noch
Gewaltige redete sehr freundlich mit den Herren und sprach unter andern,:
„Was machen die Boulevards? Sind die Promenaden um Ihre Stadt
vollendet? Diese haben Sie allein mir zu danken, ich habe Ihnen die Mög¬
lichkeit dazu verschafft." Die „Boulevards" und Promenaden führen uns in
die Gegenwart hinein.
Rudolf Lindaus Geschichten aus der Türkei
von Heinrich Spiero
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I
I er große und lange nicht genug bekannte und gerühmte, vor allem
nicht genug gelesene Erzähler Rudolf Lindau ist auch menschlich
eine überaus anziehende Erscheinung, hat Bildungsjahre und eine
vielfältige Tätigkeit hinter sich, wie sie kaum einem neuern deutschen
Dichter und Schriftsteller beschieden waren. Früh ins Ausland
gekommen, zuerst als Hauslehrer, gelangt er mit dreißig Jahren als diplomatischer
Unterhändler der Schweiz für einen Handelsvertrag mit Japan nach Uokohama,
Grenzboten IV 1909 29
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