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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Breslau

dem Rate in gutes Einvernehmen zu setzen, und erwiesen den regierenden
Herren manche Gefälligkeit, wozu sie ihr Einfluß am Wiener Hofe befähigte,
aber sie vermochten die Abneigung und das Mißtrauen der Breslauer nicht
zu überwinden. Doch hat diesen ihr Widerstand auf die Dauer nicht genützt.
In einem Bescheid Ferdinands des Dritten heißt es: "Das Bedenken, das
Lxeroitiuin ^uZu8klug.ö eontöSLiovis und die Gründung eines Jesuitenkollegs
seien inkompatibel, könne der Kaiser nicht teilen. Es könne nie die Meinung
der Vorfahren des Kaisers gewesen sein, bei Erteilung des Privilegiums der
freien Religionsübung die eigne katholische Religion ihrer Libcrtät zu privieren;
sondern so wie der Kaiser in der Religion der Stadt keinen Eintrag tue, noch
eine einzige ihrer Kirchen und Schulen von ihr begehre und es in ihrem
freien arvitrio, Macht und Gewalt gelassen, ihr exe-reitinin ^ux. cont. in
dem Maße, wie sie es am besten befunden, anzustellen und zu üben, so
dürfe auch der Rat nicht verlangen, Majestät Maß und Ziel vorzuschreiben,
wie und auf was Weise Ihre Majestät den katholischen Gottesdienst und den
Samen der heil. kath. Kirche in Stadt und Land gepflanzt wissen wolle."
Nach langwierigen Verhandlungen erschien endlich im Jahre 1705 das sehr
interessante Privilegium des Kaisers Joseph des Ersten, das die Rechte der
zu gründenden Universität und der Stadt gegeneinander abgrenzt. Die Burg
und eine Anzahl angekaufte Häuser wurden niedergerissen, und an ihrer Stelle
wurde ein Neubau aufgeführt, der beim Einmarsch der Preußen noch nicht
vollendet war. Die Jesuiten hielten es für angezeigt, auf den östlich vom
Kaisertor (dem Bogen des Gebäudes, unter dem die Straße hindurchführt)
geplanten Flügel, der so lang werden sollte wie der westliche, zu verzichten
und dem Bau einen provisorischen Abschluß zu geben. Man mag über die
Jesuiten denken, wie man will -- was sie den Breslauern hinterlassen haben,
die zwei Monumentalbauten Matthias kirche und Universität, das ist dankens¬
wert. Die Universitäts-(Matthias-)kirche ist eine überaus prachtvolle, mit
Stuck und reicher Deckenmalerei ausgeschmückte Saalkirche im Barockstil. In
demselben Stile sind die große Aula (Leopoldina) und der im Erdgeschoß der
Universität gelegne Musiksaal gehalten. In den fünfziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts wurde dieser als ^uäitorium waxirauw, benutzt -- ich hatte
ihn fast täglich zu besuchen --: jetzt ist er ausschließlich für Musikaufführungen
bestimmt. Die Königliche Regierung hat ihn vorm Jahre restaurieren lassen,
und der Geheime Regierungsrat Professor Richard Förster hat den Dank der
Universität dafür dadurch abgestattet, daß er in diesem Jahre für die offizielle
Kaiser-Geburtstagsrede "Die Kunst des Barocks im Musiksaale der Uni¬
versität" zum Thema wählte. Wir erfahren daraus unter anderm, daß
Cornelius Gurlitt den Saal ein dekoratives Meisterstück genannt hat. In der
Jesuitenzeit waren auch die Auditorien mit Fresken geschmückt. Die nördliche
Front der Universität ist, obwohl nur zur reichlichen Hälfte vollendet, von
der Brücke aus gesehen vielleicht die imposanteste aller deutschen Universttäts-
fronten.


Breslau

dem Rate in gutes Einvernehmen zu setzen, und erwiesen den regierenden
Herren manche Gefälligkeit, wozu sie ihr Einfluß am Wiener Hofe befähigte,
aber sie vermochten die Abneigung und das Mißtrauen der Breslauer nicht
zu überwinden. Doch hat diesen ihr Widerstand auf die Dauer nicht genützt.
In einem Bescheid Ferdinands des Dritten heißt es: „Das Bedenken, das
Lxeroitiuin ^uZu8klug.ö eontöSLiovis und die Gründung eines Jesuitenkollegs
seien inkompatibel, könne der Kaiser nicht teilen. Es könne nie die Meinung
der Vorfahren des Kaisers gewesen sein, bei Erteilung des Privilegiums der
freien Religionsübung die eigne katholische Religion ihrer Libcrtät zu privieren;
sondern so wie der Kaiser in der Religion der Stadt keinen Eintrag tue, noch
eine einzige ihrer Kirchen und Schulen von ihr begehre und es in ihrem
freien arvitrio, Macht und Gewalt gelassen, ihr exe-reitinin ^ux. cont. in
dem Maße, wie sie es am besten befunden, anzustellen und zu üben, so
dürfe auch der Rat nicht verlangen, Majestät Maß und Ziel vorzuschreiben,
wie und auf was Weise Ihre Majestät den katholischen Gottesdienst und den
Samen der heil. kath. Kirche in Stadt und Land gepflanzt wissen wolle."
Nach langwierigen Verhandlungen erschien endlich im Jahre 1705 das sehr
interessante Privilegium des Kaisers Joseph des Ersten, das die Rechte der
zu gründenden Universität und der Stadt gegeneinander abgrenzt. Die Burg
und eine Anzahl angekaufte Häuser wurden niedergerissen, und an ihrer Stelle
wurde ein Neubau aufgeführt, der beim Einmarsch der Preußen noch nicht
vollendet war. Die Jesuiten hielten es für angezeigt, auf den östlich vom
Kaisertor (dem Bogen des Gebäudes, unter dem die Straße hindurchführt)
geplanten Flügel, der so lang werden sollte wie der westliche, zu verzichten
und dem Bau einen provisorischen Abschluß zu geben. Man mag über die
Jesuiten denken, wie man will — was sie den Breslauern hinterlassen haben,
die zwei Monumentalbauten Matthias kirche und Universität, das ist dankens¬
wert. Die Universitäts-(Matthias-)kirche ist eine überaus prachtvolle, mit
Stuck und reicher Deckenmalerei ausgeschmückte Saalkirche im Barockstil. In
demselben Stile sind die große Aula (Leopoldina) und der im Erdgeschoß der
Universität gelegne Musiksaal gehalten. In den fünfziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts wurde dieser als ^uäitorium waxirauw, benutzt — ich hatte
ihn fast täglich zu besuchen —: jetzt ist er ausschließlich für Musikaufführungen
bestimmt. Die Königliche Regierung hat ihn vorm Jahre restaurieren lassen,
und der Geheime Regierungsrat Professor Richard Förster hat den Dank der
Universität dafür dadurch abgestattet, daß er in diesem Jahre für die offizielle
Kaiser-Geburtstagsrede „Die Kunst des Barocks im Musiksaale der Uni¬
versität" zum Thema wählte. Wir erfahren daraus unter anderm, daß
Cornelius Gurlitt den Saal ein dekoratives Meisterstück genannt hat. In der
Jesuitenzeit waren auch die Auditorien mit Fresken geschmückt. Die nördliche
Front der Universität ist, obwohl nur zur reichlichen Hälfte vollendet, von
der Brücke aus gesehen vielleicht die imposanteste aller deutschen Universttäts-
fronten.


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[0231] Breslau dem Rate in gutes Einvernehmen zu setzen, und erwiesen den regierenden Herren manche Gefälligkeit, wozu sie ihr Einfluß am Wiener Hofe befähigte, aber sie vermochten die Abneigung und das Mißtrauen der Breslauer nicht zu überwinden. Doch hat diesen ihr Widerstand auf die Dauer nicht genützt. In einem Bescheid Ferdinands des Dritten heißt es: „Das Bedenken, das Lxeroitiuin ^uZu8klug.ö eontöSLiovis und die Gründung eines Jesuitenkollegs seien inkompatibel, könne der Kaiser nicht teilen. Es könne nie die Meinung der Vorfahren des Kaisers gewesen sein, bei Erteilung des Privilegiums der freien Religionsübung die eigne katholische Religion ihrer Libcrtät zu privieren; sondern so wie der Kaiser in der Religion der Stadt keinen Eintrag tue, noch eine einzige ihrer Kirchen und Schulen von ihr begehre und es in ihrem freien arvitrio, Macht und Gewalt gelassen, ihr exe-reitinin ^ux. cont. in dem Maße, wie sie es am besten befunden, anzustellen und zu üben, so dürfe auch der Rat nicht verlangen, Majestät Maß und Ziel vorzuschreiben, wie und auf was Weise Ihre Majestät den katholischen Gottesdienst und den Samen der heil. kath. Kirche in Stadt und Land gepflanzt wissen wolle." Nach langwierigen Verhandlungen erschien endlich im Jahre 1705 das sehr interessante Privilegium des Kaisers Joseph des Ersten, das die Rechte der zu gründenden Universität und der Stadt gegeneinander abgrenzt. Die Burg und eine Anzahl angekaufte Häuser wurden niedergerissen, und an ihrer Stelle wurde ein Neubau aufgeführt, der beim Einmarsch der Preußen noch nicht vollendet war. Die Jesuiten hielten es für angezeigt, auf den östlich vom Kaisertor (dem Bogen des Gebäudes, unter dem die Straße hindurchführt) geplanten Flügel, der so lang werden sollte wie der westliche, zu verzichten und dem Bau einen provisorischen Abschluß zu geben. Man mag über die Jesuiten denken, wie man will — was sie den Breslauern hinterlassen haben, die zwei Monumentalbauten Matthias kirche und Universität, das ist dankens¬ wert. Die Universitäts-(Matthias-)kirche ist eine überaus prachtvolle, mit Stuck und reicher Deckenmalerei ausgeschmückte Saalkirche im Barockstil. In demselben Stile sind die große Aula (Leopoldina) und der im Erdgeschoß der Universität gelegne Musiksaal gehalten. In den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde dieser als ^uäitorium waxirauw, benutzt — ich hatte ihn fast täglich zu besuchen —: jetzt ist er ausschließlich für Musikaufführungen bestimmt. Die Königliche Regierung hat ihn vorm Jahre restaurieren lassen, und der Geheime Regierungsrat Professor Richard Förster hat den Dank der Universität dafür dadurch abgestattet, daß er in diesem Jahre für die offizielle Kaiser-Geburtstagsrede „Die Kunst des Barocks im Musiksaale der Uni¬ versität" zum Thema wählte. Wir erfahren daraus unter anderm, daß Cornelius Gurlitt den Saal ein dekoratives Meisterstück genannt hat. In der Jesuitenzeit waren auch die Auditorien mit Fresken geschmückt. Die nördliche Front der Universität ist, obwohl nur zur reichlichen Hälfte vollendet, von der Brücke aus gesehen vielleicht die imposanteste aller deutschen Universttäts- fronten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/231>, abgerufen am 24.07.2024.