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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Meleager von Gadara

süßen Namen in den Wein mischt, um ihn hinabzutrinken, und wie der Kranz
mit seinen Tautropfen weint, weil er sie an der Brust eines andern erblickt:


Siehe, es weinet die Rose, den Lebenden hold, weil sie jene
Schauet am andern Platz und nicht an unserer Brust.
Ein Kranz wird ihr geflochten, daß er ihr Haupt bestreue mit Blumen,

aber was nützt alle Blumenpracht, sie ist selber ein Kranz:


Siehe, der Kranz, er welket am Haupte der Heliodora,
Aber des Kranzes ist sie selber der lieblichste Kranz.

Tief in seine Seele ist ihr freundliches Bild geschrieben, als Seele haftet
sie in seiner Seele. Auch hier regt sich die unausbleibliche Eifersucht, diesmal
auf die Biene, die ihre Wange berührt, indes sie will nur zeigen, daß auch
sie den bittersüßen Stachel des Eros in sich trägt. Doch warum die alte be¬
kannte Nachricht? Kehre zurück, liebe Botin, wir wußten längst, was du uns
lehren willst! Heftiger regt sich die Eifersucht, als die Geliebte allein ruht:
furchtbar klingt die Drohung für den Beglückten, den sie gerade am Herzen
hegt: die Lampe soll verlöschen, und er selber liege als fester Schläfer, als
zweiter Endymion. Bange Befürchtungen werden wach: ob die Erinnerung
an die alte Liebe auch bleibt? Ob sie ihn im Traume liebkost? Oder gar
einen neuen Liebhaber? Nie möchte das die verschwiegne Freundin, die Lampe,
mit ansehen. Die wahnsinnige Liebe erreicht ihren Höhepunkt. Sie spielt
mit seinem Herzen Ball, den ihr Eros zuwirft, ein prächtiges Bild, dessen
sich auch Goethe in den Suleikaliedern bediente: "wenn du, Suleika, mich über¬
schwenglich beglückst, deine Leidenschaft zuwirfst, als wärs ein Ball..."
Endlich wird Eros gebeten, die furchtbare Liebessehnsucht zu beruhigen; wenn
er aber doch daran sterben soll, mag auf seinem Grabstein stehn: Sieh, Fremd¬
ling, das ist die Blutschlacht des Eros!

Das waren aber nicht die beiden einzigen Damen, denen der Dichter sein
heißes Herz geweiht hatte. Wir begegnen einer weißwangigen Demo, die in
dem Verdacht steht, augenblicklich von einem Juden geliebkost zu werden; ihr
zu Ehren erklingen Tagelieder, mit schmerzlichem Begrüßen des bösen, öden
Tages, der lieber wieder weichen soll, wie er beim Schäferstündchen zwischen
Zeus und Alkmene tat, und schmerzlich erregt wünscht er, der Morgenstern
solle sich bald wieder in den Abendstern wandeln und die Geliebte wieder¬
bringen. Natürlich wenn ein andrer die Dame am Herzen hegt, kommt der
Morgen langsamer auf die Welt und lacht schadenfroh über des Dichters
Leid. Noch einer Reihe andrer Schönen huldigte der vielseitige Dichter: "Ja
wahrlich keine Pfeile verbirgt mir Eros, alle Geschosse haften in meiner Brust!"
Dabei hat er auch trübe Erfahrungen gemacht: eine schöne Ungenannte war
treulos; er weiß alles trotz ihrer Schwüre, weiß auch, warum sie allein ruhn
wollte; der gefeierte Kleon ist Hahn im Korbe, darum fort mit ihr! Teuf¬
lische Rache nimmt er an ihr: weil sie jenen Ehrenmann durchaus sehen will,


Meleager von Gadara

süßen Namen in den Wein mischt, um ihn hinabzutrinken, und wie der Kranz
mit seinen Tautropfen weint, weil er sie an der Brust eines andern erblickt:


Siehe, es weinet die Rose, den Lebenden hold, weil sie jene
Schauet am andern Platz und nicht an unserer Brust.
Ein Kranz wird ihr geflochten, daß er ihr Haupt bestreue mit Blumen,

aber was nützt alle Blumenpracht, sie ist selber ein Kranz:


Siehe, der Kranz, er welket am Haupte der Heliodora,
Aber des Kranzes ist sie selber der lieblichste Kranz.

Tief in seine Seele ist ihr freundliches Bild geschrieben, als Seele haftet
sie in seiner Seele. Auch hier regt sich die unausbleibliche Eifersucht, diesmal
auf die Biene, die ihre Wange berührt, indes sie will nur zeigen, daß auch
sie den bittersüßen Stachel des Eros in sich trägt. Doch warum die alte be¬
kannte Nachricht? Kehre zurück, liebe Botin, wir wußten längst, was du uns
lehren willst! Heftiger regt sich die Eifersucht, als die Geliebte allein ruht:
furchtbar klingt die Drohung für den Beglückten, den sie gerade am Herzen
hegt: die Lampe soll verlöschen, und er selber liege als fester Schläfer, als
zweiter Endymion. Bange Befürchtungen werden wach: ob die Erinnerung
an die alte Liebe auch bleibt? Ob sie ihn im Traume liebkost? Oder gar
einen neuen Liebhaber? Nie möchte das die verschwiegne Freundin, die Lampe,
mit ansehen. Die wahnsinnige Liebe erreicht ihren Höhepunkt. Sie spielt
mit seinem Herzen Ball, den ihr Eros zuwirft, ein prächtiges Bild, dessen
sich auch Goethe in den Suleikaliedern bediente: „wenn du, Suleika, mich über¬
schwenglich beglückst, deine Leidenschaft zuwirfst, als wärs ein Ball..."
Endlich wird Eros gebeten, die furchtbare Liebessehnsucht zu beruhigen; wenn
er aber doch daran sterben soll, mag auf seinem Grabstein stehn: Sieh, Fremd¬
ling, das ist die Blutschlacht des Eros!

Das waren aber nicht die beiden einzigen Damen, denen der Dichter sein
heißes Herz geweiht hatte. Wir begegnen einer weißwangigen Demo, die in
dem Verdacht steht, augenblicklich von einem Juden geliebkost zu werden; ihr
zu Ehren erklingen Tagelieder, mit schmerzlichem Begrüßen des bösen, öden
Tages, der lieber wieder weichen soll, wie er beim Schäferstündchen zwischen
Zeus und Alkmene tat, und schmerzlich erregt wünscht er, der Morgenstern
solle sich bald wieder in den Abendstern wandeln und die Geliebte wieder¬
bringen. Natürlich wenn ein andrer die Dame am Herzen hegt, kommt der
Morgen langsamer auf die Welt und lacht schadenfroh über des Dichters
Leid. Noch einer Reihe andrer Schönen huldigte der vielseitige Dichter: „Ja
wahrlich keine Pfeile verbirgt mir Eros, alle Geschosse haften in meiner Brust!"
Dabei hat er auch trübe Erfahrungen gemacht: eine schöne Ungenannte war
treulos; er weiß alles trotz ihrer Schwüre, weiß auch, warum sie allein ruhn
wollte; der gefeierte Kleon ist Hahn im Korbe, darum fort mit ihr! Teuf¬
lische Rache nimmt er an ihr: weil sie jenen Ehrenmann durchaus sehen will,


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[0191] Meleager von Gadara süßen Namen in den Wein mischt, um ihn hinabzutrinken, und wie der Kranz mit seinen Tautropfen weint, weil er sie an der Brust eines andern erblickt: Siehe, es weinet die Rose, den Lebenden hold, weil sie jene Schauet am andern Platz und nicht an unserer Brust. Ein Kranz wird ihr geflochten, daß er ihr Haupt bestreue mit Blumen, aber was nützt alle Blumenpracht, sie ist selber ein Kranz: Siehe, der Kranz, er welket am Haupte der Heliodora, Aber des Kranzes ist sie selber der lieblichste Kranz. Tief in seine Seele ist ihr freundliches Bild geschrieben, als Seele haftet sie in seiner Seele. Auch hier regt sich die unausbleibliche Eifersucht, diesmal auf die Biene, die ihre Wange berührt, indes sie will nur zeigen, daß auch sie den bittersüßen Stachel des Eros in sich trägt. Doch warum die alte be¬ kannte Nachricht? Kehre zurück, liebe Botin, wir wußten längst, was du uns lehren willst! Heftiger regt sich die Eifersucht, als die Geliebte allein ruht: furchtbar klingt die Drohung für den Beglückten, den sie gerade am Herzen hegt: die Lampe soll verlöschen, und er selber liege als fester Schläfer, als zweiter Endymion. Bange Befürchtungen werden wach: ob die Erinnerung an die alte Liebe auch bleibt? Ob sie ihn im Traume liebkost? Oder gar einen neuen Liebhaber? Nie möchte das die verschwiegne Freundin, die Lampe, mit ansehen. Die wahnsinnige Liebe erreicht ihren Höhepunkt. Sie spielt mit seinem Herzen Ball, den ihr Eros zuwirft, ein prächtiges Bild, dessen sich auch Goethe in den Suleikaliedern bediente: „wenn du, Suleika, mich über¬ schwenglich beglückst, deine Leidenschaft zuwirfst, als wärs ein Ball..." Endlich wird Eros gebeten, die furchtbare Liebessehnsucht zu beruhigen; wenn er aber doch daran sterben soll, mag auf seinem Grabstein stehn: Sieh, Fremd¬ ling, das ist die Blutschlacht des Eros! Das waren aber nicht die beiden einzigen Damen, denen der Dichter sein heißes Herz geweiht hatte. Wir begegnen einer weißwangigen Demo, die in dem Verdacht steht, augenblicklich von einem Juden geliebkost zu werden; ihr zu Ehren erklingen Tagelieder, mit schmerzlichem Begrüßen des bösen, öden Tages, der lieber wieder weichen soll, wie er beim Schäferstündchen zwischen Zeus und Alkmene tat, und schmerzlich erregt wünscht er, der Morgenstern solle sich bald wieder in den Abendstern wandeln und die Geliebte wieder¬ bringen. Natürlich wenn ein andrer die Dame am Herzen hegt, kommt der Morgen langsamer auf die Welt und lacht schadenfroh über des Dichters Leid. Noch einer Reihe andrer Schönen huldigte der vielseitige Dichter: „Ja wahrlich keine Pfeile verbirgt mir Eros, alle Geschosse haften in meiner Brust!" Dabei hat er auch trübe Erfahrungen gemacht: eine schöne Ungenannte war treulos; er weiß alles trotz ihrer Schwüre, weiß auch, warum sie allein ruhn wollte; der gefeierte Kleon ist Hahn im Korbe, darum fort mit ihr! Teuf¬ lische Rache nimmt er an ihr: weil sie jenen Ehrenmann durchaus sehen will,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/191>, abgerufen am 24.07.2024.