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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Der rote Hahn
palle Rosenkrantz. von veutsch von Zda Anders
(Fortsetzung)
Fünfzehntes Aapitel. Bei Muhme Ritte

kein-Jnger saß in Muhme Rittes Wohnstube und erholte sich bei
einem Johcmnisbeerlikör und ein paar trocknen Kuchen. Sie war noch
ganz verwirrt, und es war ihr, als ob Assessor Richters harte Worte
ihr noch in den Ohren gellten.

Führen Sie sie ab! Führen Sie sie ab!

^^v>^^Sie bebte in Gedanken daran. In kurzen abgebrochnen Sätzen
erzählte sie Muhme Ritte, was vorgefallen war, und die Muhme schüttelte ihre
weißen Haubenbänder, während ihre Äpfelwangen bebten.
Wie konntest du nur, Kind, wie konntest du nur!

Und dann schüttete Klein-Jnger der Muhme Ritte ihr Herz aus, wie sie es
früher so oft getan, als sie noch ein kleines Mädchen war. Ich wollte ja Vater
retten, weißt du, ihn vor dem Assessor, vor der Verhaftung, vor dem allen retten.
Sie sagten, Vater hätte den Hof angesteckt. Natürlich glaubte ich es nicht. Aber
ich hörte, wie damals der Referendar Seydewitz im Oktober Vater erzählte, daß
sie jetzt drinnen in Kopenhagen mit dem Rechtsanwalt kommen und uns Deichhof
wegnehmen würden. Und dann sprach ich mit signe darüber und mit Ole Mathem
aus Myggefjed. Und dann erzählte Ole von dem roten Hahn, der über Haus und
Hof krähen und den Menschen Wohlstand bringen könne, wenn sie am schwersten
im Druck säßen. Ole ist zuweilen so merkwürdig. Und dann bekam ich solche fürchter¬
liche Lust, den Hof in Flammen aufgehen zu sehen. Es war an demselben Tage,
als der Referendar draußen gewesen war. Ich ging in die Scheune und in die
Dreschtenne hinab, wo die Teertonne stand. Nie vorher habe ich so ein merk¬
würdiges Gefühl gehabt, es war mir, als ob ich eine ganz andre wäre, aber dann
kam Vater, und dann war es vorbei. Des Nachts träumte ich, daß Vater den Hof
ansteckte, und daß Ole Mathem rings um den Scheiterhaufen herumtanzte, und daß
er sich plötzlich in eine ganze Menge kleiner Zwerge verwandelte, und dann erwachte
ich in Schweiß gebadet.

Am nächsten Tage brannte der Hof ab; wir saßen bei Tisch, als Ole kam und
es meldete, Vater kam von oben herunter, es war ganz richtig so, wie Ole damals
bei uns zu Hause zum Assessor sagte. Mir kam es vor, als ob Vater so merkwürdig
wurde, und da sagte ich mir: Vater hat es getan. Aber dann bekamen wir alle
Hände voll zu tun mit den Rettungsarbeiten, und nachher konnte ich nicht mehr
daran glauben. signe sagte, Ole könnte es nicht sein, denn als er ins Scheunentor
trat, da brannte es schon, und er kam von Myggefjed. Aber ich konnte es signe
ansehen, sie wußte genau, daß die Leute sagten, Vater wäre es gewesen -- und
Mutter hat es auch geglaubt, aber ich glaubte es nicht, denn das hätte Vater nicht
tun können.




Der rote Hahn
palle Rosenkrantz. von veutsch von Zda Anders
(Fortsetzung)
Fünfzehntes Aapitel. Bei Muhme Ritte

kein-Jnger saß in Muhme Rittes Wohnstube und erholte sich bei
einem Johcmnisbeerlikör und ein paar trocknen Kuchen. Sie war noch
ganz verwirrt, und es war ihr, als ob Assessor Richters harte Worte
ihr noch in den Ohren gellten.

Führen Sie sie ab! Führen Sie sie ab!

^^v>^^Sie bebte in Gedanken daran. In kurzen abgebrochnen Sätzen
erzählte sie Muhme Ritte, was vorgefallen war, und die Muhme schüttelte ihre
weißen Haubenbänder, während ihre Äpfelwangen bebten.
Wie konntest du nur, Kind, wie konntest du nur!

Und dann schüttete Klein-Jnger der Muhme Ritte ihr Herz aus, wie sie es
früher so oft getan, als sie noch ein kleines Mädchen war. Ich wollte ja Vater
retten, weißt du, ihn vor dem Assessor, vor der Verhaftung, vor dem allen retten.
Sie sagten, Vater hätte den Hof angesteckt. Natürlich glaubte ich es nicht. Aber
ich hörte, wie damals der Referendar Seydewitz im Oktober Vater erzählte, daß
sie jetzt drinnen in Kopenhagen mit dem Rechtsanwalt kommen und uns Deichhof
wegnehmen würden. Und dann sprach ich mit signe darüber und mit Ole Mathem
aus Myggefjed. Und dann erzählte Ole von dem roten Hahn, der über Haus und
Hof krähen und den Menschen Wohlstand bringen könne, wenn sie am schwersten
im Druck säßen. Ole ist zuweilen so merkwürdig. Und dann bekam ich solche fürchter¬
liche Lust, den Hof in Flammen aufgehen zu sehen. Es war an demselben Tage,
als der Referendar draußen gewesen war. Ich ging in die Scheune und in die
Dreschtenne hinab, wo die Teertonne stand. Nie vorher habe ich so ein merk¬
würdiges Gefühl gehabt, es war mir, als ob ich eine ganz andre wäre, aber dann
kam Vater, und dann war es vorbei. Des Nachts träumte ich, daß Vater den Hof
ansteckte, und daß Ole Mathem rings um den Scheiterhaufen herumtanzte, und daß
er sich plötzlich in eine ganze Menge kleiner Zwerge verwandelte, und dann erwachte
ich in Schweiß gebadet.

Am nächsten Tage brannte der Hof ab; wir saßen bei Tisch, als Ole kam und
es meldete, Vater kam von oben herunter, es war ganz richtig so, wie Ole damals
bei uns zu Hause zum Assessor sagte. Mir kam es vor, als ob Vater so merkwürdig
wurde, und da sagte ich mir: Vater hat es getan. Aber dann bekamen wir alle
Hände voll zu tun mit den Rettungsarbeiten, und nachher konnte ich nicht mehr
daran glauben. signe sagte, Ole könnte es nicht sein, denn als er ins Scheunentor
trat, da brannte es schon, und er kam von Myggefjed. Aber ich konnte es signe
ansehen, sie wußte genau, daß die Leute sagten, Vater wäre es gewesen — und
Mutter hat es auch geglaubt, aber ich glaubte es nicht, denn das hätte Vater nicht
tun können.


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[0144] [Abbildung] Der rote Hahn palle Rosenkrantz. von veutsch von Zda Anders (Fortsetzung) Fünfzehntes Aapitel. Bei Muhme Ritte kein-Jnger saß in Muhme Rittes Wohnstube und erholte sich bei einem Johcmnisbeerlikör und ein paar trocknen Kuchen. Sie war noch ganz verwirrt, und es war ihr, als ob Assessor Richters harte Worte ihr noch in den Ohren gellten. Führen Sie sie ab! Führen Sie sie ab! ^^v>^^Sie bebte in Gedanken daran. In kurzen abgebrochnen Sätzen erzählte sie Muhme Ritte, was vorgefallen war, und die Muhme schüttelte ihre weißen Haubenbänder, während ihre Äpfelwangen bebten. Wie konntest du nur, Kind, wie konntest du nur! Und dann schüttete Klein-Jnger der Muhme Ritte ihr Herz aus, wie sie es früher so oft getan, als sie noch ein kleines Mädchen war. Ich wollte ja Vater retten, weißt du, ihn vor dem Assessor, vor der Verhaftung, vor dem allen retten. Sie sagten, Vater hätte den Hof angesteckt. Natürlich glaubte ich es nicht. Aber ich hörte, wie damals der Referendar Seydewitz im Oktober Vater erzählte, daß sie jetzt drinnen in Kopenhagen mit dem Rechtsanwalt kommen und uns Deichhof wegnehmen würden. Und dann sprach ich mit signe darüber und mit Ole Mathem aus Myggefjed. Und dann erzählte Ole von dem roten Hahn, der über Haus und Hof krähen und den Menschen Wohlstand bringen könne, wenn sie am schwersten im Druck säßen. Ole ist zuweilen so merkwürdig. Und dann bekam ich solche fürchter¬ liche Lust, den Hof in Flammen aufgehen zu sehen. Es war an demselben Tage, als der Referendar draußen gewesen war. Ich ging in die Scheune und in die Dreschtenne hinab, wo die Teertonne stand. Nie vorher habe ich so ein merk¬ würdiges Gefühl gehabt, es war mir, als ob ich eine ganz andre wäre, aber dann kam Vater, und dann war es vorbei. Des Nachts träumte ich, daß Vater den Hof ansteckte, und daß Ole Mathem rings um den Scheiterhaufen herumtanzte, und daß er sich plötzlich in eine ganze Menge kleiner Zwerge verwandelte, und dann erwachte ich in Schweiß gebadet. Am nächsten Tage brannte der Hof ab; wir saßen bei Tisch, als Ole kam und es meldete, Vater kam von oben herunter, es war ganz richtig so, wie Ole damals bei uns zu Hause zum Assessor sagte. Mir kam es vor, als ob Vater so merkwürdig wurde, und da sagte ich mir: Vater hat es getan. Aber dann bekamen wir alle Hände voll zu tun mit den Rettungsarbeiten, und nachher konnte ich nicht mehr daran glauben. signe sagte, Ole könnte es nicht sein, denn als er ins Scheunentor trat, da brannte es schon, und er kam von Myggefjed. Aber ich konnte es signe ansehen, sie wußte genau, daß die Leute sagten, Vater wäre es gewesen — und Mutter hat es auch geglaubt, aber ich glaubte es nicht, denn das hätte Vater nicht tun können.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/144>, abgerufen am 24.07.2024.