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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Raffael in seiner Bedeutung als Architekt

Luciano da Laurana in Urbino erbaut wurde und den Zeitgenossen als die
schönste Fürstenwohnung galt. Insbesondre der Schloßhof und die Innendekoration
trägt fast ausgeprägten Hochrenaissancecharakter. Hier hat Raffael also gelernt,
und es ist der hervorstechendste Charakterzug seines Genius, daß er feinfühlig
und schnell die Elemente in sich verarbeitete, die zur Höhe führten.

Sein volles Können entfaltete der junge Künstler dann seit 1508 in Rom,
wo er die Stanzen des Vatikans mit mächtigen Fresken schmückte. Die Schule
von Athen (bis 1511) und die Vertreibung des Heliodor (bis 1514) insbesondre
zeigen in ihren architektonischen Hintergründen ganz bedeutende Fortschritte. Zu
jenen ist eine Skizze von Bramante erhalten. Hofmann gibt die Grundrisse zur
Bramanteschen Skizze und Raffaels Durchbildung wieder, "um zu zeigen, daß
Raffael die von Bramante skizzierte Idee erst durchaus umarbeiten mußte____
Raffael konnte mit ihr ohne weiteres nichts machen, da sie perspektivisch stark
verzeichnet ist. Höchst staunenswert und charakteristisch für Raffaels Auffassung
ist aber das, was er aus ihr machte--" In der Tat, höchst staunenswert!
Aber gerade aus diesem Beispiel folgt für mich, daß Raffael voll feinen Ver¬
ständnisses für die vollendete, formale Durchbildung war, doch für einen großen,
baukünstlerischen Gedanken gern die Hilfe andrer annahm. Er zeigt sich gerade
hier bedeutender als Maler denn als Architekt. Bramante weist ihn in seiner
Skizze auf die Kuppel als architektonisches Grundmotiv hin, und -- wir wissen
nicht, wieviel Anregung noch die persönliche Aussprache gebracht hat. Hofmann
sagt, die Bramantesche Skizze "gab zwar das Motiv, nicht aber die Durch¬
bildung", das heißt eben das Architektonische, nicht das Malerische, denn für den
Architekten ist Hauptsache: der Baugedanke und Nebensache: Darstellung auf dem
Papier; für den Maler ist die Darstellung viel wichtiger. Raffael hat während
seines kurze" Lebens keine fruchtbare" Architekturmotive seiner Mitwelt geschenkt
wie Bramante oder Michelangelo, wohl aber hat er überall Anregungen auf¬
nehmend und dabei feinfühlig das Gute vom Schlechten sondernd in seinen
Werken die ganze baukünstlerische Technik seiner Zeit in hoher Vollendung zum
Ausdruck gebracht. "So stand er denn mit seinen Schülern wenige Jahre nach
Bramantes Ableben im Zenit der Hochrenaissance nicht nur als Maler, sondern
auch als Architekt."

Der zweite Teil des Bandes enthält sehr eingehende Untersuchungen über
die Tätigkeit Raffaels im Borgo vor dem Sankt Peter und über seine Besitzungen.
Gebaut hat er hier den Palazzo dell' Aquila im Jahre 1516, den bekannten
sehr reich ornamentierten Palast, der lange Zeit irrtümlicherweise für seinen eignen
gehalten wurde. Dieses Gebäude ist 1661 beim Bau der Berninischen Kolonnaden
gefallen, feine Formen sind jedoch in Skizzen erhalten. Wo ist nun Raffaels
eigner Palast zu suchen, der in den Berichten öfters erwähnt wird? Man wird
Hofmann nach seinen Ausführungen beipflichten, wenn er einen Palazzo Raffaeli
und eine Casa Raffaeli unterscheidet, man wird auch den Standort der Casa an
der Piazza Scassacaralli als wahrscheinlich anerkennen, die Annahme des Stand-


Raffael in seiner Bedeutung als Architekt

Luciano da Laurana in Urbino erbaut wurde und den Zeitgenossen als die
schönste Fürstenwohnung galt. Insbesondre der Schloßhof und die Innendekoration
trägt fast ausgeprägten Hochrenaissancecharakter. Hier hat Raffael also gelernt,
und es ist der hervorstechendste Charakterzug seines Genius, daß er feinfühlig
und schnell die Elemente in sich verarbeitete, die zur Höhe führten.

Sein volles Können entfaltete der junge Künstler dann seit 1508 in Rom,
wo er die Stanzen des Vatikans mit mächtigen Fresken schmückte. Die Schule
von Athen (bis 1511) und die Vertreibung des Heliodor (bis 1514) insbesondre
zeigen in ihren architektonischen Hintergründen ganz bedeutende Fortschritte. Zu
jenen ist eine Skizze von Bramante erhalten. Hofmann gibt die Grundrisse zur
Bramanteschen Skizze und Raffaels Durchbildung wieder, „um zu zeigen, daß
Raffael die von Bramante skizzierte Idee erst durchaus umarbeiten mußte____
Raffael konnte mit ihr ohne weiteres nichts machen, da sie perspektivisch stark
verzeichnet ist. Höchst staunenswert und charakteristisch für Raffaels Auffassung
ist aber das, was er aus ihr machte—" In der Tat, höchst staunenswert!
Aber gerade aus diesem Beispiel folgt für mich, daß Raffael voll feinen Ver¬
ständnisses für die vollendete, formale Durchbildung war, doch für einen großen,
baukünstlerischen Gedanken gern die Hilfe andrer annahm. Er zeigt sich gerade
hier bedeutender als Maler denn als Architekt. Bramante weist ihn in seiner
Skizze auf die Kuppel als architektonisches Grundmotiv hin, und — wir wissen
nicht, wieviel Anregung noch die persönliche Aussprache gebracht hat. Hofmann
sagt, die Bramantesche Skizze „gab zwar das Motiv, nicht aber die Durch¬
bildung", das heißt eben das Architektonische, nicht das Malerische, denn für den
Architekten ist Hauptsache: der Baugedanke und Nebensache: Darstellung auf dem
Papier; für den Maler ist die Darstellung viel wichtiger. Raffael hat während
seines kurze» Lebens keine fruchtbare» Architekturmotive seiner Mitwelt geschenkt
wie Bramante oder Michelangelo, wohl aber hat er überall Anregungen auf¬
nehmend und dabei feinfühlig das Gute vom Schlechten sondernd in seinen
Werken die ganze baukünstlerische Technik seiner Zeit in hoher Vollendung zum
Ausdruck gebracht. „So stand er denn mit seinen Schülern wenige Jahre nach
Bramantes Ableben im Zenit der Hochrenaissance nicht nur als Maler, sondern
auch als Architekt."

Der zweite Teil des Bandes enthält sehr eingehende Untersuchungen über
die Tätigkeit Raffaels im Borgo vor dem Sankt Peter und über seine Besitzungen.
Gebaut hat er hier den Palazzo dell' Aquila im Jahre 1516, den bekannten
sehr reich ornamentierten Palast, der lange Zeit irrtümlicherweise für seinen eignen
gehalten wurde. Dieses Gebäude ist 1661 beim Bau der Berninischen Kolonnaden
gefallen, feine Formen sind jedoch in Skizzen erhalten. Wo ist nun Raffaels
eigner Palast zu suchen, der in den Berichten öfters erwähnt wird? Man wird
Hofmann nach seinen Ausführungen beipflichten, wenn er einen Palazzo Raffaeli
und eine Casa Raffaeli unterscheidet, man wird auch den Standort der Casa an
der Piazza Scassacaralli als wahrscheinlich anerkennen, die Annahme des Stand-


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[0142] Raffael in seiner Bedeutung als Architekt Luciano da Laurana in Urbino erbaut wurde und den Zeitgenossen als die schönste Fürstenwohnung galt. Insbesondre der Schloßhof und die Innendekoration trägt fast ausgeprägten Hochrenaissancecharakter. Hier hat Raffael also gelernt, und es ist der hervorstechendste Charakterzug seines Genius, daß er feinfühlig und schnell die Elemente in sich verarbeitete, die zur Höhe führten. Sein volles Können entfaltete der junge Künstler dann seit 1508 in Rom, wo er die Stanzen des Vatikans mit mächtigen Fresken schmückte. Die Schule von Athen (bis 1511) und die Vertreibung des Heliodor (bis 1514) insbesondre zeigen in ihren architektonischen Hintergründen ganz bedeutende Fortschritte. Zu jenen ist eine Skizze von Bramante erhalten. Hofmann gibt die Grundrisse zur Bramanteschen Skizze und Raffaels Durchbildung wieder, „um zu zeigen, daß Raffael die von Bramante skizzierte Idee erst durchaus umarbeiten mußte____ Raffael konnte mit ihr ohne weiteres nichts machen, da sie perspektivisch stark verzeichnet ist. Höchst staunenswert und charakteristisch für Raffaels Auffassung ist aber das, was er aus ihr machte—" In der Tat, höchst staunenswert! Aber gerade aus diesem Beispiel folgt für mich, daß Raffael voll feinen Ver¬ ständnisses für die vollendete, formale Durchbildung war, doch für einen großen, baukünstlerischen Gedanken gern die Hilfe andrer annahm. Er zeigt sich gerade hier bedeutender als Maler denn als Architekt. Bramante weist ihn in seiner Skizze auf die Kuppel als architektonisches Grundmotiv hin, und — wir wissen nicht, wieviel Anregung noch die persönliche Aussprache gebracht hat. Hofmann sagt, die Bramantesche Skizze „gab zwar das Motiv, nicht aber die Durch¬ bildung", das heißt eben das Architektonische, nicht das Malerische, denn für den Architekten ist Hauptsache: der Baugedanke und Nebensache: Darstellung auf dem Papier; für den Maler ist die Darstellung viel wichtiger. Raffael hat während seines kurze» Lebens keine fruchtbare» Architekturmotive seiner Mitwelt geschenkt wie Bramante oder Michelangelo, wohl aber hat er überall Anregungen auf¬ nehmend und dabei feinfühlig das Gute vom Schlechten sondernd in seinen Werken die ganze baukünstlerische Technik seiner Zeit in hoher Vollendung zum Ausdruck gebracht. „So stand er denn mit seinen Schülern wenige Jahre nach Bramantes Ableben im Zenit der Hochrenaissance nicht nur als Maler, sondern auch als Architekt." Der zweite Teil des Bandes enthält sehr eingehende Untersuchungen über die Tätigkeit Raffaels im Borgo vor dem Sankt Peter und über seine Besitzungen. Gebaut hat er hier den Palazzo dell' Aquila im Jahre 1516, den bekannten sehr reich ornamentierten Palast, der lange Zeit irrtümlicherweise für seinen eignen gehalten wurde. Dieses Gebäude ist 1661 beim Bau der Berninischen Kolonnaden gefallen, feine Formen sind jedoch in Skizzen erhalten. Wo ist nun Raffaels eigner Palast zu suchen, der in den Berichten öfters erwähnt wird? Man wird Hofmann nach seinen Ausführungen beipflichten, wenn er einen Palazzo Raffaeli und eine Casa Raffaeli unterscheidet, man wird auch den Standort der Casa an der Piazza Scassacaralli als wahrscheinlich anerkennen, die Annahme des Stand-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/142>, abgerufen am 24.07.2024.