Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.Zur Schicksalsstunde des ehemaligen Königreichs Hannover aber ich bin ganz untröstlich, Ihnen die Entscheidung meines allergnädigsten Platen, der beim Beginn meiner Erklärung von seinem Sitze cmfschuellte, Diese Sitztruhen sind nach dem Ableben des Prinzen am Z, Januar 1883 infolge
dessen letztwilliger Verfügung in meinen Besitz übergegangen. Zur Schicksalsstunde des ehemaligen Königreichs Hannover aber ich bin ganz untröstlich, Ihnen die Entscheidung meines allergnädigsten Platen, der beim Beginn meiner Erklärung von seinem Sitze cmfschuellte, Diese Sitztruhen sind nach dem Ableben des Prinzen am Z, Januar 1883 infolge
dessen letztwilliger Verfügung in meinen Besitz übergegangen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0084" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/313787"/> <fw type="header" place="top"> Zur Schicksalsstunde des ehemaligen Königreichs Hannover</fw><lb/> <p xml:id="ID_275" prev="#ID_274"> aber ich bin ganz untröstlich, Ihnen die Entscheidung meines allergnädigsten<lb/> Herrn so schnell denn doch nicht vorlegen zu können. Er sei übrigens, so fuhr<lb/> er fort, fest davon überzeugt, daß man über alle Schwierigkeiten, welche die<lb/> bedauerliche Divergenz in Auffassung der Regelung der schwebenden Fragen<lb/> hervorgerufen habe, noch hinwegkommen und alles sich noch zu beiderseitiger<lb/> Befriedigung arrangieren lassen werde.« Als ich nun, ohne mich ablenken zu<lb/> lassen, sehr ernst auf die Punkt zwölf Uhr ablaufende Frist des in seiner Fassung<lb/> keinem Zweifel unterliegenden, in aller Form ihm zugestellten Ultimatums auf¬<lb/> merksam machte, da sagte er: »Aber liebste Durchlaucht, ich bitte Sie um alles<lb/> in der Welt, sollten Sie es denn wirklich für menschenmöglich halten, daß es<lb/> bei den so nahen verwandtschaftlichen Beziehungen unsrer beiderseitigen aller¬<lb/> höchsten Herrschaften zu einem Bruche kommen könnte?« Er wollte weiter<lb/> sprechen, ich unterbrach ihn jedoch mit dem Hinweise darauf, daß ein solcher<lb/> allerdings zu vermeiden sei, jedoch nur bei Bewilligung der preußischen<lb/> Forderungen und innerhalb der gestellten Frist. Und diese war, wie ich mich<lb/> nach dem Zeiger der Uhren überzeugte, in wenigen Minuten abgelaufen. Auch<lb/> er mußte es bemerkt haben, denn er griff sehr schnell nach seinein Hute. Wohl<lb/> beherrschte er sich äußerlich durchaus, aber die Enttäuschung, die quälende innere<lb/> Unruhe stand ihm doch unverkennbar im Gesicht geschrieben. Daraus war nur<lb/> zu schließen, daß er die Entscheidung seines Herrn vielleicht nicht zu erlangen<lb/> vermochte und nun gehofft hatte, ob im Auftrage oder in eigner Entschließung,<lb/> wer weiß das, eine Fristverlängerung zu erlisten. Kurz, er verließ mit den<lb/> Worten: er wolle ungesäumt nach Herrenhausen fahren, es könne sich nur um<lb/> ein paar Stunden handeln, das Zimmer und schritt, von mir begleitet, die<lb/> Treppe hinunter, der Tür zu. Er fand sie verschlossen. Ungeduldig rüttelte<lb/> er an der Klinke; es nutzte nichts, und ich bat ihn, sich bis zum Erscheinen<lb/> des Dieners, dem ich nun das verabredete Zeichen gab, gedulden zu wollen.<lb/> In nervöser Hast setzte, warf er sich vielmehr auf eine der beiden im Vestibüle<lb/> befindlichen eichneu Sitztruhen*) und schien einen letzten Versuch machen zu<lb/> wollen, mich von der Sache abzulenken, als ich auch schon die Uhr zog. Es<lb/> fehlten nur noch einige Sekunden bis zwölf Uhr. »Herr Graf, redete ich ihn<lb/> feierlich an, ich ersuche jetzt um definitiven Bescheid auf die dem hannoverschen<lb/> Kabinett heute früh zugestellten Forderungen meiner Negierung.« Antwort: »Ich<lb/> kann sie Ihnen beim besten Willen noch nicht geben, Durchlaucht, jetzt noch<lb/> nicht.« »Dann, Herr Graf, und ich wies auf das Zifferblatt meiner Uhr, er¬<lb/> kläre ich hiermit im Namen Seiner Majestät des Königs von Preußen<lb/> Hannover den Krieg. Die schriftliche Notifikation wird Ihrem Kabinett unver¬<lb/> züglich zugestellt werden.«</p><lb/> <p xml:id="ID_276" next="#ID_277"> Platen, der beim Beginn meiner Erklärung von seinem Sitze cmfschuellte,<lb/> war nun mit einemmale, indem er hoch aufgerichtet nur mit kurzer Neigung</p><lb/> <note xml:id="FID_9" place="foot"> Diese Sitztruhen sind nach dem Ableben des Prinzen am Z, Januar 1883 infolge<lb/> dessen letztwilliger Verfügung in meinen Besitz übergegangen.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0084]
Zur Schicksalsstunde des ehemaligen Königreichs Hannover
aber ich bin ganz untröstlich, Ihnen die Entscheidung meines allergnädigsten
Herrn so schnell denn doch nicht vorlegen zu können. Er sei übrigens, so fuhr
er fort, fest davon überzeugt, daß man über alle Schwierigkeiten, welche die
bedauerliche Divergenz in Auffassung der Regelung der schwebenden Fragen
hervorgerufen habe, noch hinwegkommen und alles sich noch zu beiderseitiger
Befriedigung arrangieren lassen werde.« Als ich nun, ohne mich ablenken zu
lassen, sehr ernst auf die Punkt zwölf Uhr ablaufende Frist des in seiner Fassung
keinem Zweifel unterliegenden, in aller Form ihm zugestellten Ultimatums auf¬
merksam machte, da sagte er: »Aber liebste Durchlaucht, ich bitte Sie um alles
in der Welt, sollten Sie es denn wirklich für menschenmöglich halten, daß es
bei den so nahen verwandtschaftlichen Beziehungen unsrer beiderseitigen aller¬
höchsten Herrschaften zu einem Bruche kommen könnte?« Er wollte weiter
sprechen, ich unterbrach ihn jedoch mit dem Hinweise darauf, daß ein solcher
allerdings zu vermeiden sei, jedoch nur bei Bewilligung der preußischen
Forderungen und innerhalb der gestellten Frist. Und diese war, wie ich mich
nach dem Zeiger der Uhren überzeugte, in wenigen Minuten abgelaufen. Auch
er mußte es bemerkt haben, denn er griff sehr schnell nach seinein Hute. Wohl
beherrschte er sich äußerlich durchaus, aber die Enttäuschung, die quälende innere
Unruhe stand ihm doch unverkennbar im Gesicht geschrieben. Daraus war nur
zu schließen, daß er die Entscheidung seines Herrn vielleicht nicht zu erlangen
vermochte und nun gehofft hatte, ob im Auftrage oder in eigner Entschließung,
wer weiß das, eine Fristverlängerung zu erlisten. Kurz, er verließ mit den
Worten: er wolle ungesäumt nach Herrenhausen fahren, es könne sich nur um
ein paar Stunden handeln, das Zimmer und schritt, von mir begleitet, die
Treppe hinunter, der Tür zu. Er fand sie verschlossen. Ungeduldig rüttelte
er an der Klinke; es nutzte nichts, und ich bat ihn, sich bis zum Erscheinen
des Dieners, dem ich nun das verabredete Zeichen gab, gedulden zu wollen.
In nervöser Hast setzte, warf er sich vielmehr auf eine der beiden im Vestibüle
befindlichen eichneu Sitztruhen*) und schien einen letzten Versuch machen zu
wollen, mich von der Sache abzulenken, als ich auch schon die Uhr zog. Es
fehlten nur noch einige Sekunden bis zwölf Uhr. »Herr Graf, redete ich ihn
feierlich an, ich ersuche jetzt um definitiven Bescheid auf die dem hannoverschen
Kabinett heute früh zugestellten Forderungen meiner Negierung.« Antwort: »Ich
kann sie Ihnen beim besten Willen noch nicht geben, Durchlaucht, jetzt noch
nicht.« »Dann, Herr Graf, und ich wies auf das Zifferblatt meiner Uhr, er¬
kläre ich hiermit im Namen Seiner Majestät des Königs von Preußen
Hannover den Krieg. Die schriftliche Notifikation wird Ihrem Kabinett unver¬
züglich zugestellt werden.«
Platen, der beim Beginn meiner Erklärung von seinem Sitze cmfschuellte,
war nun mit einemmale, indem er hoch aufgerichtet nur mit kurzer Neigung
Diese Sitztruhen sind nach dem Ableben des Prinzen am Z, Januar 1883 infolge
dessen letztwilliger Verfügung in meinen Besitz übergegangen.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |