Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches von 1907 dahin erkannt hatten, daß sie forderten: die Verständigung der Konser¬ Für die Zukunft wird man trotz alledem wünschen müssen, daß bei den bürger¬ In Leipzig beginnen jetzt die Verhandlungen des sozialdemokratischen Partei¬ Was die auswärtige Politik betrifft, so gebe" die Ereignisse der letzten Wochen Maßgebliches und Unmaßgebliches von 1907 dahin erkannt hatten, daß sie forderten: die Verständigung der Konser¬ Für die Zukunft wird man trotz alledem wünschen müssen, daß bei den bürger¬ In Leipzig beginnen jetzt die Verhandlungen des sozialdemokratischen Partei¬ Was die auswärtige Politik betrifft, so gebe» die Ereignisse der letzten Wochen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0585" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314288"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_3029" prev="#ID_3028"> von 1907 dahin erkannt hatten, daß sie forderten: die Verständigung der Konser¬<lb/> vativen und Liberalen in allen wichtigen Lebensfragen der Nation, die Zurück-<lb/> drängung des Zentrums aus einer ausschlaggebenden Stellung in solchen Fragen<lb/> — notabene nicht, wie es immer heißt, die politische Ausschaltung des Zentrums<lb/> überhaupt! —, endlich die Sicherung gegen eine antinationale Mehrheit, die durch<lb/> das Zusammengehn von Zentrum und Sozialdemokratie drohte. Diese Grund¬<lb/> gedanken waren es, die auch die sonst politisch gleichgiltigen Elemente in Bewegung<lb/> gesetzt hatten; es war die Politik, die eine starke nationale Strömung der Gesamt¬<lb/> heit ihren Erwählten gewissermaßen als Mandat mitgegeben hatte. Nachdem diese<lb/> Politik von den Konservativen durchbrochen und gekündigt worden ist, muß not¬<lb/> wendig der frühere Zustand wieder eintreten. Die verzagten und enttäuschten<lb/> Freunde der Staatsordnung ziehen sich wieder zurück, die bloß Unzufriednen wählen<lb/> sozialdemokratisch. Daß sich jetzt, nachdem dieser Zustand wiederhergestellt ist, bei<lb/> den Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Parteien während der Wahlzeit<lb/> die Schuld an der Uneinigkeit der bürgerlichen Parteien auf beide Seiten verteilt,<lb/> ist selbstverständlich. Es hat deshalb wenig Wert, wenn sich nachträglich Konser¬<lb/> vative und Nationalliberale gegenseitig die Schuld an den unerfreulichen Er¬<lb/> scheinungen dieser besondern Wahl zuschieben. Es spricht ja die Wahrscheinlichkeit<lb/> dafür, daß die NichtWähler in diesem Falle hauptsächlich Konservative waren. Denn<lb/> der aufgestellte bürgerliche Kandidat war ein Nationalliberaler; die bürgerlichen<lb/> Wähler, die sich nicht entschließen konnten, ihm ihre Stimme zu geben, werden<lb/> doch schwerlich im nationalliberalen Lager oder weiter links zu suchen sein, sondern<lb/> rechts. Dann ist es aber schwer zu verstehn, warum sich die Konservativen über<lb/> die beschämenden Erscheinungen dieser Wahl beklagen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3030"> Für die Zukunft wird man trotz alledem wünschen müssen, daß bei den bürger¬<lb/> lichen Parteien die Folgen der letzten Zerwürfnisse von dem politischen Pflichtgefühl<lb/> überwunden werden, das ihnen den Kampf gegen die Sozialdemokratie gemeinsam<lb/> auferlegt. Vor allem deshalb, weil die sozialdemokratische Agitation nicht die mehr<lb/> oder weniger unzweckmäßige Lösung des Problems der neuen Steuerkasten angreist,<lb/> sondern die notwendige Belastung selbst als etwas Unerhörtes hinstellt und dafür<lb/> die bürgerlichen Parteien in ihrer Gesamtheit verantwortlich macht. In der Er¬<lb/> kenntnis der Notwendigkeit dieser Lasten können und müssen sich aber Konservative<lb/> und Liberale trotz allen Meinungsverschiedenheiten noch heute begegnen, und sie<lb/> verbauen sich selber den Weg, wenn sie die Grenze ihrer gegenseitigen Auseinander¬<lb/> setzungen im Angesicht des gemeinsamen Feindes übersehen. Bei spätern Wahlen<lb/> werden sich hoffentlich die Gemüter so weit beruhigt haben, um diese Einsicht wieder¬<lb/> zugewinnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3031"> In Leipzig beginnen jetzt die Verhandlungen des sozialdemokratischen Partei¬<lb/> tags. Das Vorspiel läßt wieder heftige Auseinandersetzungen zwischen Revisionisten<lb/> und der herrschenden Richtung erwarten. Aber augenblicklich liegen die Verhältnisse<lb/> nicht so, daß die bürgerliche Welt besondres Interesse an diesen Kämpfen nehmen<lb/> oder etwas neues daraus lernen könnte. Wir werden ja im nächsten Heft Gelegen¬<lb/> heit haben, auf den Parteitag zurückzukommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3032" next="#ID_3033"> Was die auswärtige Politik betrifft, so gebe» die Ereignisse der letzten Wochen<lb/> wenig Gelegenheit, besondre Betrachtungen über die Stellung Deutschlands anzu¬<lb/> stellen. Wir haben uns gefreut über die glänzende und vertrauensvolle Aufnahme,<lb/> die unserm Kaiser bei den österreichischen Kaisermanövern zuteil geworden ist. und<lb/> hoffen auch, daß der Verlauf unsrer jetzt beginnenden heimischen Kaisermanöver<lb/> für die politische Welt ein Merkzeichen unsrer militärischen Tüchtigkeit und Kriegs¬<lb/> bereitschaft sein wird, die immer der feste Boden unsrer stets durch die Tat be-<lb/> wiesnen Friedensliebe bleiben muß. Man hat neuerdings wieder den Wert des</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0585]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
von 1907 dahin erkannt hatten, daß sie forderten: die Verständigung der Konser¬
vativen und Liberalen in allen wichtigen Lebensfragen der Nation, die Zurück-
drängung des Zentrums aus einer ausschlaggebenden Stellung in solchen Fragen
— notabene nicht, wie es immer heißt, die politische Ausschaltung des Zentrums
überhaupt! —, endlich die Sicherung gegen eine antinationale Mehrheit, die durch
das Zusammengehn von Zentrum und Sozialdemokratie drohte. Diese Grund¬
gedanken waren es, die auch die sonst politisch gleichgiltigen Elemente in Bewegung
gesetzt hatten; es war die Politik, die eine starke nationale Strömung der Gesamt¬
heit ihren Erwählten gewissermaßen als Mandat mitgegeben hatte. Nachdem diese
Politik von den Konservativen durchbrochen und gekündigt worden ist, muß not¬
wendig der frühere Zustand wieder eintreten. Die verzagten und enttäuschten
Freunde der Staatsordnung ziehen sich wieder zurück, die bloß Unzufriednen wählen
sozialdemokratisch. Daß sich jetzt, nachdem dieser Zustand wiederhergestellt ist, bei
den Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Parteien während der Wahlzeit
die Schuld an der Uneinigkeit der bürgerlichen Parteien auf beide Seiten verteilt,
ist selbstverständlich. Es hat deshalb wenig Wert, wenn sich nachträglich Konser¬
vative und Nationalliberale gegenseitig die Schuld an den unerfreulichen Er¬
scheinungen dieser besondern Wahl zuschieben. Es spricht ja die Wahrscheinlichkeit
dafür, daß die NichtWähler in diesem Falle hauptsächlich Konservative waren. Denn
der aufgestellte bürgerliche Kandidat war ein Nationalliberaler; die bürgerlichen
Wähler, die sich nicht entschließen konnten, ihm ihre Stimme zu geben, werden
doch schwerlich im nationalliberalen Lager oder weiter links zu suchen sein, sondern
rechts. Dann ist es aber schwer zu verstehn, warum sich die Konservativen über
die beschämenden Erscheinungen dieser Wahl beklagen.
Für die Zukunft wird man trotz alledem wünschen müssen, daß bei den bürger¬
lichen Parteien die Folgen der letzten Zerwürfnisse von dem politischen Pflichtgefühl
überwunden werden, das ihnen den Kampf gegen die Sozialdemokratie gemeinsam
auferlegt. Vor allem deshalb, weil die sozialdemokratische Agitation nicht die mehr
oder weniger unzweckmäßige Lösung des Problems der neuen Steuerkasten angreist,
sondern die notwendige Belastung selbst als etwas Unerhörtes hinstellt und dafür
die bürgerlichen Parteien in ihrer Gesamtheit verantwortlich macht. In der Er¬
kenntnis der Notwendigkeit dieser Lasten können und müssen sich aber Konservative
und Liberale trotz allen Meinungsverschiedenheiten noch heute begegnen, und sie
verbauen sich selber den Weg, wenn sie die Grenze ihrer gegenseitigen Auseinander¬
setzungen im Angesicht des gemeinsamen Feindes übersehen. Bei spätern Wahlen
werden sich hoffentlich die Gemüter so weit beruhigt haben, um diese Einsicht wieder¬
zugewinnen.
In Leipzig beginnen jetzt die Verhandlungen des sozialdemokratischen Partei¬
tags. Das Vorspiel läßt wieder heftige Auseinandersetzungen zwischen Revisionisten
und der herrschenden Richtung erwarten. Aber augenblicklich liegen die Verhältnisse
nicht so, daß die bürgerliche Welt besondres Interesse an diesen Kämpfen nehmen
oder etwas neues daraus lernen könnte. Wir werden ja im nächsten Heft Gelegen¬
heit haben, auf den Parteitag zurückzukommen.
Was die auswärtige Politik betrifft, so gebe» die Ereignisse der letzten Wochen
wenig Gelegenheit, besondre Betrachtungen über die Stellung Deutschlands anzu¬
stellen. Wir haben uns gefreut über die glänzende und vertrauensvolle Aufnahme,
die unserm Kaiser bei den österreichischen Kaisermanövern zuteil geworden ist. und
hoffen auch, daß der Verlauf unsrer jetzt beginnenden heimischen Kaisermanöver
für die politische Welt ein Merkzeichen unsrer militärischen Tüchtigkeit und Kriegs¬
bereitschaft sein wird, die immer der feste Boden unsrer stets durch die Tat be-
wiesnen Friedensliebe bleiben muß. Man hat neuerdings wieder den Wert des
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