Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.Goethe und Oestalozzi und den größten Nutzen schafft. Jeder im Verkehr tätige wirke "fremdsinnig", Goethe und pestalozzi von Otto Lduard Schmidt aß sich Goethe, je älter er wurde, um so eifriger mit dem Problem Das Buch vermittelt uns zunächst ein Bild von Pestalozzi, das dem land¬ Goethe und Oestalozzi und den größten Nutzen schafft. Jeder im Verkehr tätige wirke „fremdsinnig", Goethe und pestalozzi von Otto Lduard Schmidt aß sich Goethe, je älter er wurde, um so eifriger mit dem Problem Das Buch vermittelt uns zunächst ein Bild von Pestalozzi, das dem land¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0569" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314272"/> <fw type="header" place="top"> Goethe und Oestalozzi</fw><lb/> <p xml:id="ID_2908" prev="#ID_2907"> und den größten Nutzen schafft. Jeder im Verkehr tätige wirke „fremdsinnig",<lb/> für die allgemeine Wohlfahrt; natürlich nicht aus Nächstenliebe. Ohne den<lb/> kräftig spornenden „Jchsinu" würden die „fremdsinnigen" edeln Absichten nicht<lb/> stark genug sein, den Verkehr im Gange zu erhalten. In dem Kapitel „Rechts¬<lb/> ordnung und Friedensordnung" wird gezeigt, warum die Selbsthilfe aufhören<lb/> und die öffentliche Gewalt die Aufgabe übernehmen mußte, den Einzelnen ihr<lb/> Recht zu verschaffen und dadurch den Frieden zu erhalten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Goethe und pestalozzi<lb/><note type="byline"> von Otto Lduard Schmidt</note></head><lb/> <p xml:id="ID_2909"> aß sich Goethe, je älter er wurde, um so eifriger mit dem Problem<lb/> der Erziehung des Menschen beschäftigte, ist bekannt. Sein<lb/> „Wilhelm Meister" ist ja in der Hauptsache ein pädagogischer<lb/> Roman; auch hat sich Goethe schon in seinen ersten Weimarer<lb/> Jahren wegen seines Schützlings Fritz v. Stein, später vermöge der<lb/> Fürsorge für seinen eignen Sohn und für die beiden natürlichen Söhne Karl<lb/> Augusts (von der Frau v. Heygendorf) praktisch mit Erziehungsfragen be¬<lb/> schäftigen müssen. Wie weit er in seinen pädagogischen Anschauungen selb¬<lb/> ständig ist, und wie weit er von den Vertretern der pädagogischen Systeme<lb/> seiner Zeit, z. B. von Pestalozzi abhängig ist, das ist eine noch ungelöste<lb/> Frage. Deshalb hat es der Weimarer Seminardirektor Karl Muthesius unter¬<lb/> nommen, den weitschichtigen Stoff unter Benutzung aller der durch das Goethe¬<lb/> archiv erschloßnen Quellen durchzuarbeiten und hat uns seine Ergebnisse in<lb/> einem klar und überzeugend geschriebnen, schön und vornehm ausgestatteten Buche<lb/> Goethe und Pestalozzi (Leipzig, Dürrsche Buchhandlung) vorgelegt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2910" next="#ID_2911"> Das Buch vermittelt uns zunächst ein Bild von Pestalozzi, das dem land¬<lb/> läufigen nicht in allen Punkten entspricht: bei aller Anerkennung des edeln<lb/> Strebens, das den Schweizer Volksfreund beseelte, treten auch die Mängel<lb/> seines Wesens und Wirkens sehr hervor, namentlich das Unvermögen, das,<lb/> was er als richtig erkannt hatte und eigentlich wollte, danach auch in die<lb/> Tat umzusetzen. Es liegt eine gewisse Tragik in Pestalozzis Geschick, insofern<lb/> er eigentlich auf eine Erziehung der Armen und Mittellosen zu nützlichen<lb/> Gliedern der Gesellschaft und zu glücklichen Menschen hinaus wollte, statt dessen<lb/> aber selbst und noch mehr durch seine Anhänger eine allgemeine, für alle gleich<lb/> gedachte Menschenbildung proklamierte und schließlich in Jferten eine aus-<lb/> gesprochue Standeserziehung betrieb. Denn sein dortiges Institut war eine<lb/> Anstalt für solche, die einen hohen Pensionspreis zahlen konnten. „Man sieht<lb/> hier Europa im kleinen. Von mehr als 250 Menschen, die zur Anstalt gehören,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0569]
Goethe und Oestalozzi
und den größten Nutzen schafft. Jeder im Verkehr tätige wirke „fremdsinnig",
für die allgemeine Wohlfahrt; natürlich nicht aus Nächstenliebe. Ohne den
kräftig spornenden „Jchsinu" würden die „fremdsinnigen" edeln Absichten nicht
stark genug sein, den Verkehr im Gange zu erhalten. In dem Kapitel „Rechts¬
ordnung und Friedensordnung" wird gezeigt, warum die Selbsthilfe aufhören
und die öffentliche Gewalt die Aufgabe übernehmen mußte, den Einzelnen ihr
Recht zu verschaffen und dadurch den Frieden zu erhalten.
Goethe und pestalozzi
von Otto Lduard Schmidt
aß sich Goethe, je älter er wurde, um so eifriger mit dem Problem
der Erziehung des Menschen beschäftigte, ist bekannt. Sein
„Wilhelm Meister" ist ja in der Hauptsache ein pädagogischer
Roman; auch hat sich Goethe schon in seinen ersten Weimarer
Jahren wegen seines Schützlings Fritz v. Stein, später vermöge der
Fürsorge für seinen eignen Sohn und für die beiden natürlichen Söhne Karl
Augusts (von der Frau v. Heygendorf) praktisch mit Erziehungsfragen be¬
schäftigen müssen. Wie weit er in seinen pädagogischen Anschauungen selb¬
ständig ist, und wie weit er von den Vertretern der pädagogischen Systeme
seiner Zeit, z. B. von Pestalozzi abhängig ist, das ist eine noch ungelöste
Frage. Deshalb hat es der Weimarer Seminardirektor Karl Muthesius unter¬
nommen, den weitschichtigen Stoff unter Benutzung aller der durch das Goethe¬
archiv erschloßnen Quellen durchzuarbeiten und hat uns seine Ergebnisse in
einem klar und überzeugend geschriebnen, schön und vornehm ausgestatteten Buche
Goethe und Pestalozzi (Leipzig, Dürrsche Buchhandlung) vorgelegt.
Das Buch vermittelt uns zunächst ein Bild von Pestalozzi, das dem land¬
läufigen nicht in allen Punkten entspricht: bei aller Anerkennung des edeln
Strebens, das den Schweizer Volksfreund beseelte, treten auch die Mängel
seines Wesens und Wirkens sehr hervor, namentlich das Unvermögen, das,
was er als richtig erkannt hatte und eigentlich wollte, danach auch in die
Tat umzusetzen. Es liegt eine gewisse Tragik in Pestalozzis Geschick, insofern
er eigentlich auf eine Erziehung der Armen und Mittellosen zu nützlichen
Gliedern der Gesellschaft und zu glücklichen Menschen hinaus wollte, statt dessen
aber selbst und noch mehr durch seine Anhänger eine allgemeine, für alle gleich
gedachte Menschenbildung proklamierte und schließlich in Jferten eine aus-
gesprochue Standeserziehung betrieb. Denn sein dortiges Institut war eine
Anstalt für solche, die einen hohen Pensionspreis zahlen konnten. „Man sieht
hier Europa im kleinen. Von mehr als 250 Menschen, die zur Anstalt gehören,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |