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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Die Amerikaner auf Hawai

die die Annexion der Inselgruppe wünschte, vorgezogen, um ganz sicher zu
gehn, die Genehmigung der Annexion nur durch ein Gesetz vollziehen zu lassen,
das die beiden Häuser des Kongresses nur mit einfacher Stimmenmehrheit
anzunehmen brauchen, während bei dem eigentlich dafür vorgeschriebnen Wege
des Abschlusses eines förmlichen Vertrages, wie er zum Beispiel bei der Annexion
von Texas eingeschlagen wurde (wobei der Antrag zweimal im Kongreß durch¬
fiel, bevor er, nach der dritten Einbringung, angenommen wurde), eine Zwei¬
drittelmehrheit notwendig war, die man, wenigstens im Senat, nicht erlangen
zu können fürchtete, und die ja auch, wie das Ergebnis seiner Abstimmung
(42 zu 21) zeigte, nur eben gerade erreicht worden wäre.

Nachdem die Annexion erfolgt und Japan damit von neuem um eine
Hoffnung betrogen worden war, suchte man die Inselgruppe ganz unter
amerikanischen Einfluß zu stellen. Im Jahre 1900 wurde sie zum Territorium
erklärt. Der Statthalter und die richterlichen Beamten werden von der Bundes¬
regierung in Washington ernannt. In der gesetzgebenden Körperschaft, die in
der üblichen Weise durch Wahlen gebildet wird, haben die Eingebornen häufig
die Mehrheit. Denn den Japanern und Chinesen, die, wie wir schon erwähnt
haben, die Mehrzahl der Bevölkerung bilden -- auf jeden Weißen kommen
etwa anderthalb Eingeborne, ein Chinese und drei Japaner --, hat man das
Stimmrecht ausdrücklich verweigert. Natürlich stehen die Eingebornen Hawcns,
auch die dortigen Mischlinge, an politischer Bildung hinter den Amerikanern
und den übrigen Weißen (vielleicht die Portugiesen ausgenommen) stark zurück.
Es kommt daher vor, daß das Parlament Beschlüsse faßt, deren Ausführung
nicht im Interesse des Landes liegen würde. Dann macht die Regierung in
Washington von ihrem Vetorechte Gebrauch. Dies ist schon recht häufig ge¬
schehen. Amerikanische Politiker meinen, daß Hawai in bezug auf politische
Bildung unter den Territorien der Union an der letzten Stelle stehe; alle
andern Territorien würden wohl früher imstande sein, die Fähigkeit der Selbst¬
verwaltung zu erringen, damit also Anspruch darauf zu erwerben, den Antrag
auf Zulassung als Staat zu stellen, während dies bei Hawai nicht zu hoffen
sei. Ob diese Ansicht zutrifft, muß doch wohl zweifelhaft erscheinen. Denn die
politische Bildung steht bei den Eingebornen Porto Ricos und der Philippinen
kaum auf einer höhern Stufe als unter den Eingebornen auf Hawai. Nimmt
man sich die Mühe, diese auch politisch zu erziehen, so werden sie auch hierin
die Gelehrigkeit zeigen, die sie sonst schon oft bewiesen haben.

Allerdings werden sie es auch in dieser Beziehung mit den Japanern Nicht
aufnehmen können, wie ihnen diese auch als Arbeiter unbedingt überlegen sind.
Doch haben die Amerikaner ja verhindert, daß die Japaner direkten Einfluß
auf die innere Verwaltung Hawais gewinnen können, indem sie -- wie dies
auch für das Festlandgebiet der Vereinigten Staaten gilt -- ihre Zulassung
als Bürger rundweg verweigert haben. Selbstverständlich konnte dies nicht
damit begründet werden, daß die Japaner auf^ einer niedrigern Kulturstufe


Die Amerikaner auf Hawai

die die Annexion der Inselgruppe wünschte, vorgezogen, um ganz sicher zu
gehn, die Genehmigung der Annexion nur durch ein Gesetz vollziehen zu lassen,
das die beiden Häuser des Kongresses nur mit einfacher Stimmenmehrheit
anzunehmen brauchen, während bei dem eigentlich dafür vorgeschriebnen Wege
des Abschlusses eines förmlichen Vertrages, wie er zum Beispiel bei der Annexion
von Texas eingeschlagen wurde (wobei der Antrag zweimal im Kongreß durch¬
fiel, bevor er, nach der dritten Einbringung, angenommen wurde), eine Zwei¬
drittelmehrheit notwendig war, die man, wenigstens im Senat, nicht erlangen
zu können fürchtete, und die ja auch, wie das Ergebnis seiner Abstimmung
(42 zu 21) zeigte, nur eben gerade erreicht worden wäre.

Nachdem die Annexion erfolgt und Japan damit von neuem um eine
Hoffnung betrogen worden war, suchte man die Inselgruppe ganz unter
amerikanischen Einfluß zu stellen. Im Jahre 1900 wurde sie zum Territorium
erklärt. Der Statthalter und die richterlichen Beamten werden von der Bundes¬
regierung in Washington ernannt. In der gesetzgebenden Körperschaft, die in
der üblichen Weise durch Wahlen gebildet wird, haben die Eingebornen häufig
die Mehrheit. Denn den Japanern und Chinesen, die, wie wir schon erwähnt
haben, die Mehrzahl der Bevölkerung bilden — auf jeden Weißen kommen
etwa anderthalb Eingeborne, ein Chinese und drei Japaner —, hat man das
Stimmrecht ausdrücklich verweigert. Natürlich stehen die Eingebornen Hawcns,
auch die dortigen Mischlinge, an politischer Bildung hinter den Amerikanern
und den übrigen Weißen (vielleicht die Portugiesen ausgenommen) stark zurück.
Es kommt daher vor, daß das Parlament Beschlüsse faßt, deren Ausführung
nicht im Interesse des Landes liegen würde. Dann macht die Regierung in
Washington von ihrem Vetorechte Gebrauch. Dies ist schon recht häufig ge¬
schehen. Amerikanische Politiker meinen, daß Hawai in bezug auf politische
Bildung unter den Territorien der Union an der letzten Stelle stehe; alle
andern Territorien würden wohl früher imstande sein, die Fähigkeit der Selbst¬
verwaltung zu erringen, damit also Anspruch darauf zu erwerben, den Antrag
auf Zulassung als Staat zu stellen, während dies bei Hawai nicht zu hoffen
sei. Ob diese Ansicht zutrifft, muß doch wohl zweifelhaft erscheinen. Denn die
politische Bildung steht bei den Eingebornen Porto Ricos und der Philippinen
kaum auf einer höhern Stufe als unter den Eingebornen auf Hawai. Nimmt
man sich die Mühe, diese auch politisch zu erziehen, so werden sie auch hierin
die Gelehrigkeit zeigen, die sie sonst schon oft bewiesen haben.

Allerdings werden sie es auch in dieser Beziehung mit den Japanern Nicht
aufnehmen können, wie ihnen diese auch als Arbeiter unbedingt überlegen sind.
Doch haben die Amerikaner ja verhindert, daß die Japaner direkten Einfluß
auf die innere Verwaltung Hawais gewinnen können, indem sie — wie dies
auch für das Festlandgebiet der Vereinigten Staaten gilt — ihre Zulassung
als Bürger rundweg verweigert haben. Selbstverständlich konnte dies nicht
damit begründet werden, daß die Japaner auf^ einer niedrigern Kulturstufe


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[0554] Die Amerikaner auf Hawai die die Annexion der Inselgruppe wünschte, vorgezogen, um ganz sicher zu gehn, die Genehmigung der Annexion nur durch ein Gesetz vollziehen zu lassen, das die beiden Häuser des Kongresses nur mit einfacher Stimmenmehrheit anzunehmen brauchen, während bei dem eigentlich dafür vorgeschriebnen Wege des Abschlusses eines förmlichen Vertrages, wie er zum Beispiel bei der Annexion von Texas eingeschlagen wurde (wobei der Antrag zweimal im Kongreß durch¬ fiel, bevor er, nach der dritten Einbringung, angenommen wurde), eine Zwei¬ drittelmehrheit notwendig war, die man, wenigstens im Senat, nicht erlangen zu können fürchtete, und die ja auch, wie das Ergebnis seiner Abstimmung (42 zu 21) zeigte, nur eben gerade erreicht worden wäre. Nachdem die Annexion erfolgt und Japan damit von neuem um eine Hoffnung betrogen worden war, suchte man die Inselgruppe ganz unter amerikanischen Einfluß zu stellen. Im Jahre 1900 wurde sie zum Territorium erklärt. Der Statthalter und die richterlichen Beamten werden von der Bundes¬ regierung in Washington ernannt. In der gesetzgebenden Körperschaft, die in der üblichen Weise durch Wahlen gebildet wird, haben die Eingebornen häufig die Mehrheit. Denn den Japanern und Chinesen, die, wie wir schon erwähnt haben, die Mehrzahl der Bevölkerung bilden — auf jeden Weißen kommen etwa anderthalb Eingeborne, ein Chinese und drei Japaner —, hat man das Stimmrecht ausdrücklich verweigert. Natürlich stehen die Eingebornen Hawcns, auch die dortigen Mischlinge, an politischer Bildung hinter den Amerikanern und den übrigen Weißen (vielleicht die Portugiesen ausgenommen) stark zurück. Es kommt daher vor, daß das Parlament Beschlüsse faßt, deren Ausführung nicht im Interesse des Landes liegen würde. Dann macht die Regierung in Washington von ihrem Vetorechte Gebrauch. Dies ist schon recht häufig ge¬ schehen. Amerikanische Politiker meinen, daß Hawai in bezug auf politische Bildung unter den Territorien der Union an der letzten Stelle stehe; alle andern Territorien würden wohl früher imstande sein, die Fähigkeit der Selbst¬ verwaltung zu erringen, damit also Anspruch darauf zu erwerben, den Antrag auf Zulassung als Staat zu stellen, während dies bei Hawai nicht zu hoffen sei. Ob diese Ansicht zutrifft, muß doch wohl zweifelhaft erscheinen. Denn die politische Bildung steht bei den Eingebornen Porto Ricos und der Philippinen kaum auf einer höhern Stufe als unter den Eingebornen auf Hawai. Nimmt man sich die Mühe, diese auch politisch zu erziehen, so werden sie auch hierin die Gelehrigkeit zeigen, die sie sonst schon oft bewiesen haben. Allerdings werden sie es auch in dieser Beziehung mit den Japanern Nicht aufnehmen können, wie ihnen diese auch als Arbeiter unbedingt überlegen sind. Doch haben die Amerikaner ja verhindert, daß die Japaner direkten Einfluß auf die innere Verwaltung Hawais gewinnen können, indem sie — wie dies auch für das Festlandgebiet der Vereinigten Staaten gilt — ihre Zulassung als Bürger rundweg verweigert haben. Selbstverständlich konnte dies nicht damit begründet werden, daß die Japaner auf^ einer niedrigern Kulturstufe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/554>, abgerufen am 23.07.2024.