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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Der rote Hahn

Sehdewitz lächelte. Assessor Richter macht es so. Mann und Frau in Arrest,
alle beide, und dann triezte er oder sie, nicht wahr, Frederiksen? Nicht wahr?
Jeder hat so seine Manier, das geht uns nichts an.

Dann wandte sich Seydewitz, um ins Haus zu gehn. Die Begegnung mit
Frederiksen machte ihm den Gang leichter, jetzt hatte er wenigstens einen Vorwand.

Justesen stand und schielte zu Frederiksen hinüber. Ihr füllt die Arrestlöcher,
sagte er und lachte böse.

Frederiksen blickte ihn herausfordernd an.

Ja, natürlich, ihr braucht sie ja nicht, sonst wäre es wohl nicht nötig ge¬
wesen, uns hier herunterzusenden.

Dann drehte er sich auf dem Absatz herum und ging auf den Wirtschafts¬
hof, wo sich die verkohlten Flügel noch als Ruinen gegen den klaren Sommerhimmel
abhoben.

Hilmer kam über den Hof geschlendert. Um den Häusler Hans Jepsen und
seine Frau hatten sich eine Anzahl Leute geschart. Ole gestikulierte in der Mitte
und sprach von der Polizei und dem roten Hahn.

In der letzten Zeit waren die Polizei und der rote Hahn Oich Lieblings¬
thema geworden. Er goß ein bißchen häufig einen Kleinen hinter die Binde.
Aber die Leute hatten Respekt vor ihm, denn er konnte furchtbar klug sein, ja.
Und es hatte ja auch im Weideland ziemlich häufig gebrannt.

Das Viehland hießen die früher ungeteilten Gemeindewiesen, auf denen das
Vieh der Stadt gegrast hatte. Jetzt waren sie geteilt worden, und ein sehr großes
Stück gehörte zu Deichhof. Aber es gab eine Menge Häuser und Höfe, eine ganze
Gemeinde, die noch zum Stadtbezirk zählte, und deren Bauern im Magistrat saßen
und den Bürgermeister und die Kaufleute ärgerten.

Frederiksen näherte sich der Gruppe. Hilmer sah ihn scharf an.

Sind Sie Herr Kriminalkommissar Frederiksen?

Frederiksen verneigte sich.

Was wollen Sie von meinen Arbeitsleuten? fragte Hilmer wieder.

Ich habe Order von Herrn Kriminalassessor Richter, die beiden Personen
zur Stelle zu schaffen, lautete die kurze Antwort.

Hilmer wurde ein wenig ärgerlich. Sie sind nicht zum erstenmal hier. Vor
ein paar Tagen verhafteten Sie eine Frau. Sie haben wiederholt meine Leute
ausgefragt. Es wäre am passendsten gewesen, wenn Herr Richter sich an mich
gewandt hätte. Er muß doch wissen, daß diese Leute bei mir arbeiten. Ich stecke
mitten in der Heuernte und brauche meine Leute, und den beiden da mag ein
Tagelohn sehr nottun. Sie sind außerdem vom Bürgermeister verhört worden,
und die Sache ist abgeschlossen.

Frederiksen verneigte sich höflich, sagte jedoch bestimmt: Entschuldigen Sie, Herr
Gutsbesitzer, aber das alles geht mich ja nichts an. Ich habe meine Order . . .

Hilmer wurde hitzig. Ich kümmere mich den Teufel um Ihre Orders. Dies
hier ist mein Hof, und ich brauche meine Leute. Heute haben wir alle Hände
voll zu tun. Muß Ihr Assessor durchaus mit deu Leuten sprechen, dann mag er
bis Feierabend warten.

Der Herr Gutsbesitzer fassen die Situation falsch auf, war alles, was der
Beamte antwortete.

In diesem Augenblick kam der Schutzmann Imsen vom Garten herein.
Frederiksen winkte ihm zu.

Imsen, es sind die beiden, die da stehn, Mann und Frau. Wollt ihr beide
mitkommen, sagte er zu den Häuslern gewandt.


Der rote Hahn

Sehdewitz lächelte. Assessor Richter macht es so. Mann und Frau in Arrest,
alle beide, und dann triezte er oder sie, nicht wahr, Frederiksen? Nicht wahr?
Jeder hat so seine Manier, das geht uns nichts an.

Dann wandte sich Seydewitz, um ins Haus zu gehn. Die Begegnung mit
Frederiksen machte ihm den Gang leichter, jetzt hatte er wenigstens einen Vorwand.

Justesen stand und schielte zu Frederiksen hinüber. Ihr füllt die Arrestlöcher,
sagte er und lachte böse.

Frederiksen blickte ihn herausfordernd an.

Ja, natürlich, ihr braucht sie ja nicht, sonst wäre es wohl nicht nötig ge¬
wesen, uns hier herunterzusenden.

Dann drehte er sich auf dem Absatz herum und ging auf den Wirtschafts¬
hof, wo sich die verkohlten Flügel noch als Ruinen gegen den klaren Sommerhimmel
abhoben.

Hilmer kam über den Hof geschlendert. Um den Häusler Hans Jepsen und
seine Frau hatten sich eine Anzahl Leute geschart. Ole gestikulierte in der Mitte
und sprach von der Polizei und dem roten Hahn.

In der letzten Zeit waren die Polizei und der rote Hahn Oich Lieblings¬
thema geworden. Er goß ein bißchen häufig einen Kleinen hinter die Binde.
Aber die Leute hatten Respekt vor ihm, denn er konnte furchtbar klug sein, ja.
Und es hatte ja auch im Weideland ziemlich häufig gebrannt.

Das Viehland hießen die früher ungeteilten Gemeindewiesen, auf denen das
Vieh der Stadt gegrast hatte. Jetzt waren sie geteilt worden, und ein sehr großes
Stück gehörte zu Deichhof. Aber es gab eine Menge Häuser und Höfe, eine ganze
Gemeinde, die noch zum Stadtbezirk zählte, und deren Bauern im Magistrat saßen
und den Bürgermeister und die Kaufleute ärgerten.

Frederiksen näherte sich der Gruppe. Hilmer sah ihn scharf an.

Sind Sie Herr Kriminalkommissar Frederiksen?

Frederiksen verneigte sich.

Was wollen Sie von meinen Arbeitsleuten? fragte Hilmer wieder.

Ich habe Order von Herrn Kriminalassessor Richter, die beiden Personen
zur Stelle zu schaffen, lautete die kurze Antwort.

Hilmer wurde ein wenig ärgerlich. Sie sind nicht zum erstenmal hier. Vor
ein paar Tagen verhafteten Sie eine Frau. Sie haben wiederholt meine Leute
ausgefragt. Es wäre am passendsten gewesen, wenn Herr Richter sich an mich
gewandt hätte. Er muß doch wissen, daß diese Leute bei mir arbeiten. Ich stecke
mitten in der Heuernte und brauche meine Leute, und den beiden da mag ein
Tagelohn sehr nottun. Sie sind außerdem vom Bürgermeister verhört worden,
und die Sache ist abgeschlossen.

Frederiksen verneigte sich höflich, sagte jedoch bestimmt: Entschuldigen Sie, Herr
Gutsbesitzer, aber das alles geht mich ja nichts an. Ich habe meine Order . . .

Hilmer wurde hitzig. Ich kümmere mich den Teufel um Ihre Orders. Dies
hier ist mein Hof, und ich brauche meine Leute. Heute haben wir alle Hände
voll zu tun. Muß Ihr Assessor durchaus mit deu Leuten sprechen, dann mag er
bis Feierabend warten.

Der Herr Gutsbesitzer fassen die Situation falsch auf, war alles, was der
Beamte antwortete.

In diesem Augenblick kam der Schutzmann Imsen vom Garten herein.
Frederiksen winkte ihm zu.

Imsen, es sind die beiden, die da stehn, Mann und Frau. Wollt ihr beide
mitkommen, sagte er zu den Häuslern gewandt.


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[0388] Der rote Hahn Sehdewitz lächelte. Assessor Richter macht es so. Mann und Frau in Arrest, alle beide, und dann triezte er oder sie, nicht wahr, Frederiksen? Nicht wahr? Jeder hat so seine Manier, das geht uns nichts an. Dann wandte sich Seydewitz, um ins Haus zu gehn. Die Begegnung mit Frederiksen machte ihm den Gang leichter, jetzt hatte er wenigstens einen Vorwand. Justesen stand und schielte zu Frederiksen hinüber. Ihr füllt die Arrestlöcher, sagte er und lachte böse. Frederiksen blickte ihn herausfordernd an. Ja, natürlich, ihr braucht sie ja nicht, sonst wäre es wohl nicht nötig ge¬ wesen, uns hier herunterzusenden. Dann drehte er sich auf dem Absatz herum und ging auf den Wirtschafts¬ hof, wo sich die verkohlten Flügel noch als Ruinen gegen den klaren Sommerhimmel abhoben. Hilmer kam über den Hof geschlendert. Um den Häusler Hans Jepsen und seine Frau hatten sich eine Anzahl Leute geschart. Ole gestikulierte in der Mitte und sprach von der Polizei und dem roten Hahn. In der letzten Zeit waren die Polizei und der rote Hahn Oich Lieblings¬ thema geworden. Er goß ein bißchen häufig einen Kleinen hinter die Binde. Aber die Leute hatten Respekt vor ihm, denn er konnte furchtbar klug sein, ja. Und es hatte ja auch im Weideland ziemlich häufig gebrannt. Das Viehland hießen die früher ungeteilten Gemeindewiesen, auf denen das Vieh der Stadt gegrast hatte. Jetzt waren sie geteilt worden, und ein sehr großes Stück gehörte zu Deichhof. Aber es gab eine Menge Häuser und Höfe, eine ganze Gemeinde, die noch zum Stadtbezirk zählte, und deren Bauern im Magistrat saßen und den Bürgermeister und die Kaufleute ärgerten. Frederiksen näherte sich der Gruppe. Hilmer sah ihn scharf an. Sind Sie Herr Kriminalkommissar Frederiksen? Frederiksen verneigte sich. Was wollen Sie von meinen Arbeitsleuten? fragte Hilmer wieder. Ich habe Order von Herrn Kriminalassessor Richter, die beiden Personen zur Stelle zu schaffen, lautete die kurze Antwort. Hilmer wurde ein wenig ärgerlich. Sie sind nicht zum erstenmal hier. Vor ein paar Tagen verhafteten Sie eine Frau. Sie haben wiederholt meine Leute ausgefragt. Es wäre am passendsten gewesen, wenn Herr Richter sich an mich gewandt hätte. Er muß doch wissen, daß diese Leute bei mir arbeiten. Ich stecke mitten in der Heuernte und brauche meine Leute, und den beiden da mag ein Tagelohn sehr nottun. Sie sind außerdem vom Bürgermeister verhört worden, und die Sache ist abgeschlossen. Frederiksen verneigte sich höflich, sagte jedoch bestimmt: Entschuldigen Sie, Herr Gutsbesitzer, aber das alles geht mich ja nichts an. Ich habe meine Order . . . Hilmer wurde hitzig. Ich kümmere mich den Teufel um Ihre Orders. Dies hier ist mein Hof, und ich brauche meine Leute. Heute haben wir alle Hände voll zu tun. Muß Ihr Assessor durchaus mit deu Leuten sprechen, dann mag er bis Feierabend warten. Der Herr Gutsbesitzer fassen die Situation falsch auf, war alles, was der Beamte antwortete. In diesem Augenblick kam der Schutzmann Imsen vom Garten herein. Frederiksen winkte ihm zu. Imsen, es sind die beiden, die da stehn, Mann und Frau. Wollt ihr beide mitkommen, sagte er zu den Häuslern gewandt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/388>, abgerufen am 22.12.2024.