Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der rote Hahn

Ole kam vom Hofe, eine Schubkarre vor sich herrollend. Mitten vor dem
Rasen angekommen, blieb er stehn und starrte ein wenig auf die Landstraße hinaus.
Es war wirklich sein neuer Freund, der Kriminalkommissar Frederiksen, der von
der Straße hereinkam und ganz ungeniert das Gartentor öffnete. Ole blinzelte,
er hatte ein wenig Humor, und es bereitete ihn, Spaß, Bekanntschaften zu'
machen. Dieser Kopenhagner Kriminalkommissar mußte seine Gründe haben, ihn
Zu suchen.

Frederiksen dachte an Justesens Worte, und da er wußte, daß Justeseu ein
durchtriebner alter Kater war, hatte er beschlossen, Ole gegenüber ein wenig vor¬
sichtig zu sein und ihn vorläufig zu ignorieren.

He, Sie da! sagte er scharf und kurz.

Öle wurde etwas ärgerlich, er war ein wenig empfindlich und rollte deshalb
mit seiner Karre ruhig weiter.

Sie da, zum Satan! rief Frederiksen laut.

Ole rollte weiter.

Können Sie nicht hören, daß ich mit Ihnen rede, sagte der Beamte scharf,
indem er sich ihm näherte.

Ole machte große Augen. Ich dachte, Sie sprächen mit sich selbst. Sie
legten Satan, ich glaubte, das wäre so ein Kosename für Sie selbst.

Frederiksen überhörte Oich Witz. Arbeitet der Häusler Hans Jepsen hier
auf dem Hofe?

Sie können ja nachsehen, sagte Ole und rollte weiter.

Sie kennen mich gewiß nicht wieder, sagte Frederiksen. Ich bin Kriminal¬
kommissar Frederiksen von der Brandkommission.

Zum Teufel, was geht das mich an! sagte Ole sehr ruhig, bei mir hat es
'was nicht gebrannt.

Sie wissen gewiß nicht, mit wem Sie reden, meinte der Beamte böse.

Sie haben mir ja erzählt, wer Sie sind. Ole ließ sich nicht stören.

Wollen Sie dann so freundlich sein und antworten.

Ja, wenn Sie so freundlich sein wollen, ordentlich zu fragen. Ich habe schon
in meinem Leben mit größern Leuten als mit Ihnen gesprochen. Jetzt wurde Ole
im stillen wütend.

Hören Sie mal, guter Mann, sagte der Beamte mit Würde.

Ole machte Front gegen Frederiksen. Was haben Sie eigentlich hier zu tun?

Was Teufel geht es Sie an! lautete die Antwort.

Ole kratzte sich hinter dem Ohre. Nein, weiß Gott, sagte er, das geht mich
eigentlich gar nichts an . . .

In diesem Augenblicke kamen Seydewitz "it Justeseu vom Hofe her. Frederiksen
wandte sich um und verneigte sich vor dem Referendar. Seydewitz zuckte zusammen.
Frederiksen -- in amtlicher Tätigkeit.

Der Herr Referendar gestatten -- Frederiksen verneigte sich wieder.

Wen suchst du hier, Frederiksen? fragte Justesen, der ebenfalls überrascht war.

Frederiksen antwortete: Hans Jepsen, den Abgebrannten, und seine Frau, sie
sollen hier auf dem Hofe arbeiten.

Ach so. Sollen die jetzt auch festgenommen werden? sagte Justesen und
schüttelte den Kopf.

Auf Befehl des Herrn Assessors, sagte Frederiksen.

Justesen schüttelte den Kopf.

Die sind es nicht. Die habe ich um und um gekehrt,


^renzboten III 1909 49
Der rote Hahn

Ole kam vom Hofe, eine Schubkarre vor sich herrollend. Mitten vor dem
Rasen angekommen, blieb er stehn und starrte ein wenig auf die Landstraße hinaus.
Es war wirklich sein neuer Freund, der Kriminalkommissar Frederiksen, der von
der Straße hereinkam und ganz ungeniert das Gartentor öffnete. Ole blinzelte,
er hatte ein wenig Humor, und es bereitete ihn, Spaß, Bekanntschaften zu'
machen. Dieser Kopenhagner Kriminalkommissar mußte seine Gründe haben, ihn
Zu suchen.

Frederiksen dachte an Justesens Worte, und da er wußte, daß Justeseu ein
durchtriebner alter Kater war, hatte er beschlossen, Ole gegenüber ein wenig vor¬
sichtig zu sein und ihn vorläufig zu ignorieren.

He, Sie da! sagte er scharf und kurz.

Öle wurde etwas ärgerlich, er war ein wenig empfindlich und rollte deshalb
mit seiner Karre ruhig weiter.

Sie da, zum Satan! rief Frederiksen laut.

Ole rollte weiter.

Können Sie nicht hören, daß ich mit Ihnen rede, sagte der Beamte scharf,
indem er sich ihm näherte.

Ole machte große Augen. Ich dachte, Sie sprächen mit sich selbst. Sie
legten Satan, ich glaubte, das wäre so ein Kosename für Sie selbst.

Frederiksen überhörte Oich Witz. Arbeitet der Häusler Hans Jepsen hier
auf dem Hofe?

Sie können ja nachsehen, sagte Ole und rollte weiter.

Sie kennen mich gewiß nicht wieder, sagte Frederiksen. Ich bin Kriminal¬
kommissar Frederiksen von der Brandkommission.

Zum Teufel, was geht das mich an! sagte Ole sehr ruhig, bei mir hat es
'was nicht gebrannt.

Sie wissen gewiß nicht, mit wem Sie reden, meinte der Beamte böse.

Sie haben mir ja erzählt, wer Sie sind. Ole ließ sich nicht stören.

Wollen Sie dann so freundlich sein und antworten.

Ja, wenn Sie so freundlich sein wollen, ordentlich zu fragen. Ich habe schon
in meinem Leben mit größern Leuten als mit Ihnen gesprochen. Jetzt wurde Ole
im stillen wütend.

Hören Sie mal, guter Mann, sagte der Beamte mit Würde.

Ole machte Front gegen Frederiksen. Was haben Sie eigentlich hier zu tun?

Was Teufel geht es Sie an! lautete die Antwort.

Ole kratzte sich hinter dem Ohre. Nein, weiß Gott, sagte er, das geht mich
eigentlich gar nichts an . . .

In diesem Augenblicke kamen Seydewitz «it Justeseu vom Hofe her. Frederiksen
wandte sich um und verneigte sich vor dem Referendar. Seydewitz zuckte zusammen.
Frederiksen — in amtlicher Tätigkeit.

Der Herr Referendar gestatten — Frederiksen verneigte sich wieder.

Wen suchst du hier, Frederiksen? fragte Justesen, der ebenfalls überrascht war.

Frederiksen antwortete: Hans Jepsen, den Abgebrannten, und seine Frau, sie
sollen hier auf dem Hofe arbeiten.

Ach so. Sollen die jetzt auch festgenommen werden? sagte Justesen und
schüttelte den Kopf.

Auf Befehl des Herrn Assessors, sagte Frederiksen.

Justesen schüttelte den Kopf.

Die sind es nicht. Die habe ich um und um gekehrt,


^renzboten III 1909 49
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0387" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314090"/>
          <fw type="header" place="top"> Der rote Hahn</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1810"> Ole kam vom Hofe, eine Schubkarre vor sich herrollend. Mitten vor dem<lb/>
Rasen angekommen, blieb er stehn und starrte ein wenig auf die Landstraße hinaus.<lb/>
Es war wirklich sein neuer Freund, der Kriminalkommissar Frederiksen, der von<lb/>
der Straße hereinkam und ganz ungeniert das Gartentor öffnete. Ole blinzelte,<lb/>
er hatte ein wenig Humor, und es bereitete ihn, Spaß, Bekanntschaften zu'<lb/>
machen. Dieser Kopenhagner Kriminalkommissar mußte seine Gründe haben, ihn<lb/>
Zu suchen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1811"> Frederiksen dachte an Justesens Worte, und da er wußte, daß Justeseu ein<lb/>
durchtriebner alter Kater war, hatte er beschlossen, Ole gegenüber ein wenig vor¬<lb/>
sichtig zu sein und ihn vorläufig zu ignorieren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1812"> He, Sie da! sagte er scharf und kurz.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1813"> Öle wurde etwas ärgerlich, er war ein wenig empfindlich und rollte deshalb<lb/>
mit seiner Karre ruhig weiter.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1814"> Sie da, zum Satan! rief Frederiksen laut.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1815"> Ole rollte weiter.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1816"> Können Sie nicht hören, daß ich mit Ihnen rede, sagte der Beamte scharf,<lb/>
indem er sich ihm näherte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1817"> Ole machte große Augen. Ich dachte, Sie sprächen mit sich selbst. Sie<lb/>
legten Satan, ich glaubte, das wäre so ein Kosename für Sie selbst.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1818"> Frederiksen überhörte Oich Witz. Arbeitet der Häusler Hans Jepsen hier<lb/>
auf dem Hofe?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1819"> Sie können ja nachsehen, sagte Ole und rollte weiter.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1820"> Sie kennen mich gewiß nicht wieder, sagte Frederiksen. Ich bin Kriminal¬<lb/>
kommissar Frederiksen von der Brandkommission.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1821"> Zum Teufel, was geht das mich an! sagte Ole sehr ruhig, bei mir hat es<lb/>
'was nicht gebrannt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1822"> Sie wissen gewiß nicht, mit wem Sie reden, meinte der Beamte böse.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1823"> Sie haben mir ja erzählt, wer Sie sind.  Ole ließ sich nicht stören.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1824"> Wollen Sie dann so freundlich sein und antworten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1825"> Ja, wenn Sie so freundlich sein wollen, ordentlich zu fragen. Ich habe schon<lb/>
in meinem Leben mit größern Leuten als mit Ihnen gesprochen. Jetzt wurde Ole<lb/>
im stillen wütend.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1826"> Hören Sie mal, guter Mann, sagte der Beamte mit Würde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1827"> Ole machte Front gegen Frederiksen. Was haben Sie eigentlich hier zu tun?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1828"> Was Teufel geht es Sie an! lautete die Antwort.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1829"> Ole kratzte sich hinter dem Ohre. Nein, weiß Gott, sagte er, das geht mich<lb/>
eigentlich gar nichts an . . .</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1830"> In diesem Augenblicke kamen Seydewitz «it Justeseu vom Hofe her. Frederiksen<lb/>
wandte sich um und verneigte sich vor dem Referendar. Seydewitz zuckte zusammen.<lb/>
Frederiksen &#x2014; in amtlicher Tätigkeit.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1831"> Der Herr Referendar gestatten &#x2014; Frederiksen verneigte sich wieder.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1832"> Wen suchst du hier, Frederiksen? fragte Justesen, der ebenfalls überrascht war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1833"> Frederiksen antwortete: Hans Jepsen, den Abgebrannten, und seine Frau, sie<lb/>
sollen hier auf dem Hofe arbeiten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1834"> Ach so. Sollen die jetzt auch festgenommen werden? sagte Justesen und<lb/>
schüttelte den Kopf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1835"> Auf Befehl des Herrn Assessors, sagte Frederiksen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1836"> Justesen schüttelte den Kopf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1837"> Die sind es nicht.  Die habe ich um und um gekehrt,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> ^renzboten III 1909 49</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0387] Der rote Hahn Ole kam vom Hofe, eine Schubkarre vor sich herrollend. Mitten vor dem Rasen angekommen, blieb er stehn und starrte ein wenig auf die Landstraße hinaus. Es war wirklich sein neuer Freund, der Kriminalkommissar Frederiksen, der von der Straße hereinkam und ganz ungeniert das Gartentor öffnete. Ole blinzelte, er hatte ein wenig Humor, und es bereitete ihn, Spaß, Bekanntschaften zu' machen. Dieser Kopenhagner Kriminalkommissar mußte seine Gründe haben, ihn Zu suchen. Frederiksen dachte an Justesens Worte, und da er wußte, daß Justeseu ein durchtriebner alter Kater war, hatte er beschlossen, Ole gegenüber ein wenig vor¬ sichtig zu sein und ihn vorläufig zu ignorieren. He, Sie da! sagte er scharf und kurz. Öle wurde etwas ärgerlich, er war ein wenig empfindlich und rollte deshalb mit seiner Karre ruhig weiter. Sie da, zum Satan! rief Frederiksen laut. Ole rollte weiter. Können Sie nicht hören, daß ich mit Ihnen rede, sagte der Beamte scharf, indem er sich ihm näherte. Ole machte große Augen. Ich dachte, Sie sprächen mit sich selbst. Sie legten Satan, ich glaubte, das wäre so ein Kosename für Sie selbst. Frederiksen überhörte Oich Witz. Arbeitet der Häusler Hans Jepsen hier auf dem Hofe? Sie können ja nachsehen, sagte Ole und rollte weiter. Sie kennen mich gewiß nicht wieder, sagte Frederiksen. Ich bin Kriminal¬ kommissar Frederiksen von der Brandkommission. Zum Teufel, was geht das mich an! sagte Ole sehr ruhig, bei mir hat es 'was nicht gebrannt. Sie wissen gewiß nicht, mit wem Sie reden, meinte der Beamte böse. Sie haben mir ja erzählt, wer Sie sind. Ole ließ sich nicht stören. Wollen Sie dann so freundlich sein und antworten. Ja, wenn Sie so freundlich sein wollen, ordentlich zu fragen. Ich habe schon in meinem Leben mit größern Leuten als mit Ihnen gesprochen. Jetzt wurde Ole im stillen wütend. Hören Sie mal, guter Mann, sagte der Beamte mit Würde. Ole machte Front gegen Frederiksen. Was haben Sie eigentlich hier zu tun? Was Teufel geht es Sie an! lautete die Antwort. Ole kratzte sich hinter dem Ohre. Nein, weiß Gott, sagte er, das geht mich eigentlich gar nichts an . . . In diesem Augenblicke kamen Seydewitz «it Justeseu vom Hofe her. Frederiksen wandte sich um und verneigte sich vor dem Referendar. Seydewitz zuckte zusammen. Frederiksen — in amtlicher Tätigkeit. Der Herr Referendar gestatten — Frederiksen verneigte sich wieder. Wen suchst du hier, Frederiksen? fragte Justesen, der ebenfalls überrascht war. Frederiksen antwortete: Hans Jepsen, den Abgebrannten, und seine Frau, sie sollen hier auf dem Hofe arbeiten. Ach so. Sollen die jetzt auch festgenommen werden? sagte Justesen und schüttelte den Kopf. Auf Befehl des Herrn Assessors, sagte Frederiksen. Justesen schüttelte den Kopf. Die sind es nicht. Die habe ich um und um gekehrt, ^renzboten III 1909 49

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/387
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/387>, abgerufen am 23.07.2024.