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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Uhlands Einfluß auf die Poesie Hebbels

Gesang der Jünglinge überein. Auch dieser enthält wie Hebbels Dichtung mehr
eine Mahnung. Von der dritten Strophe an springt das "Wir" der ersten
beiden in den Imperativ um:

der bei Hebbel das ganze beherrscht:

Beim Lesen der beiden Gedichte wird man noch mehr verwandtes heraus¬
fühlen, als sich hier in Kürze ausdrücken läßt; freilich atmet das Hebbelsche
eine tiefere Psychologie.

Etwas ausführlicher müssen wir uns mit einem andern Gedichte beschäftigen,
der Ballade: "Des Knaben Tod" von Uhland, denn sie ist das Vorbild zu
Hebbels Heideknaben gewesen. Inhalt: Der Knabe begibt sich einsam in den
dunkeln Wald. Er wird von Räubern niedergestoßen und beraubt. Der Schluß
ist bei Uhland das letzte Gebet des verröchelnden Kindes. Hebbel schildert uns
zunächst, daß der Knabe sein Schicksal vorher schon träumt; und die Angst
des Knaben, die ihn nachher dazu treibt, sich gerade den Begleiter zu erbitten,
der für ihn verderblich wird, sowie das grausige Hereinholen der Wirklichkeit
an der Hand des wiedererzählten Traumes -- das ist es ja, was Hebbels
Dichtung die besondre poetische Bedeutung verliehen hat, und worin er weit
über Uhland hinausgeht. Gemeinsam ist aber beiden jedenfalls der Bestandteil
der Warnung.

Bei Uhland beginnt das Gedicht (man beachte auch wieder die rhythmische
Parallele):

Bei Hebbel:

Beide Dichter führen nun den Knaben zunächst in die schaurige Natur.


Uhland:

Hebbel:

Den Eintritt in die neue Situation, in der dann der Mord vor sich geht,
verfolgen wir in der Parallele:


Uhland:

Hebbel:

Während nun Uhland die Jungfrau zur teilnehmenden Zeugin des Mordes
macht, an die der sterbende Knabe dann sein Gebet richtet, läßt Hebbel in


Uhlands Einfluß auf die Poesie Hebbels

Gesang der Jünglinge überein. Auch dieser enthält wie Hebbels Dichtung mehr
eine Mahnung. Von der dritten Strophe an springt das „Wir" der ersten
beiden in den Imperativ um:

der bei Hebbel das ganze beherrscht:

Beim Lesen der beiden Gedichte wird man noch mehr verwandtes heraus¬
fühlen, als sich hier in Kürze ausdrücken läßt; freilich atmet das Hebbelsche
eine tiefere Psychologie.

Etwas ausführlicher müssen wir uns mit einem andern Gedichte beschäftigen,
der Ballade: „Des Knaben Tod" von Uhland, denn sie ist das Vorbild zu
Hebbels Heideknaben gewesen. Inhalt: Der Knabe begibt sich einsam in den
dunkeln Wald. Er wird von Räubern niedergestoßen und beraubt. Der Schluß
ist bei Uhland das letzte Gebet des verröchelnden Kindes. Hebbel schildert uns
zunächst, daß der Knabe sein Schicksal vorher schon träumt; und die Angst
des Knaben, die ihn nachher dazu treibt, sich gerade den Begleiter zu erbitten,
der für ihn verderblich wird, sowie das grausige Hereinholen der Wirklichkeit
an der Hand des wiedererzählten Traumes — das ist es ja, was Hebbels
Dichtung die besondre poetische Bedeutung verliehen hat, und worin er weit
über Uhland hinausgeht. Gemeinsam ist aber beiden jedenfalls der Bestandteil
der Warnung.

Bei Uhland beginnt das Gedicht (man beachte auch wieder die rhythmische
Parallele):

Bei Hebbel:

Beide Dichter führen nun den Knaben zunächst in die schaurige Natur.


Uhland:

Hebbel:

Den Eintritt in die neue Situation, in der dann der Mord vor sich geht,
verfolgen wir in der Parallele:


Uhland:

Hebbel:

Während nun Uhland die Jungfrau zur teilnehmenden Zeugin des Mordes
macht, an die der sterbende Knabe dann sein Gebet richtet, läßt Hebbel in


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[0373] Uhlands Einfluß auf die Poesie Hebbels Gesang der Jünglinge überein. Auch dieser enthält wie Hebbels Dichtung mehr eine Mahnung. Von der dritten Strophe an springt das „Wir" der ersten beiden in den Imperativ um: der bei Hebbel das ganze beherrscht: Beim Lesen der beiden Gedichte wird man noch mehr verwandtes heraus¬ fühlen, als sich hier in Kürze ausdrücken läßt; freilich atmet das Hebbelsche eine tiefere Psychologie. Etwas ausführlicher müssen wir uns mit einem andern Gedichte beschäftigen, der Ballade: „Des Knaben Tod" von Uhland, denn sie ist das Vorbild zu Hebbels Heideknaben gewesen. Inhalt: Der Knabe begibt sich einsam in den dunkeln Wald. Er wird von Räubern niedergestoßen und beraubt. Der Schluß ist bei Uhland das letzte Gebet des verröchelnden Kindes. Hebbel schildert uns zunächst, daß der Knabe sein Schicksal vorher schon träumt; und die Angst des Knaben, die ihn nachher dazu treibt, sich gerade den Begleiter zu erbitten, der für ihn verderblich wird, sowie das grausige Hereinholen der Wirklichkeit an der Hand des wiedererzählten Traumes — das ist es ja, was Hebbels Dichtung die besondre poetische Bedeutung verliehen hat, und worin er weit über Uhland hinausgeht. Gemeinsam ist aber beiden jedenfalls der Bestandteil der Warnung. Bei Uhland beginnt das Gedicht (man beachte auch wieder die rhythmische Parallele): Bei Hebbel: Beide Dichter führen nun den Knaben zunächst in die schaurige Natur. Uhland: Hebbel: Den Eintritt in die neue Situation, in der dann der Mord vor sich geht, verfolgen wir in der Parallele: Uhland: Hebbel: Während nun Uhland die Jungfrau zur teilnehmenden Zeugin des Mordes macht, an die der sterbende Knabe dann sein Gebet richtet, läßt Hebbel in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/373>, abgerufen am 25.08.2024.