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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Österreichs Grenzschutz gegen Rußland

Die Festhaltung Leinbergs erscheint darum als eine unerläßliche Voraussetzung
offensiver Unternehmungen gegen Russisch-Polen östlich von der Weichsel
wie für Operationen gegen den podolischen Kriegsschauplatz. Im Falle einer
Niederlage der in Ostgalizien stehenden österreichisch-ungarischen Truppen
wird Lemberg im Verein mit der befestigten Dnjestrlinie zu einem wichtigen
Stützpunkt der Verteidigung. In der Erkenntnis der Bedeutung, die Lem¬
berg in einem Kriege an der Nordostgrenze Österreichs zukommt, wurde dieser
Platz im Jahre 1888 gegen Handstreich an der West-, Nord- und Ostseite
zunächst an der Visiere durch geschlossene Schanzen und Batterien für leichte
Geschütze ausgestaltet. Die Errichtung eines Gürtels ist dem Ausrüstungs¬
falle vorbehalten; in den letzten Jahren wurden auch an der Ostlisiere einige
Schanzen erbaut. Lemberg hat mehrere Suppenkonservenfabriken, Dampf¬
mühlen, eine große Militärbäckerei, große Verpflegungsmagazine und viel Eisen¬
bahnmaterial.

Die Dnjestrlinie. Der Dnjestr teilt Ostgalizien in eine nördliche und
eine südliche Zone und sperrt die Zugänge aller den Fluß überschreitenden
Kommunikationen, er ist ein sehr namhaftes Hindernis (abwärts von Halicz
130 bis 230 Meter breit und 1,5 bis 5 Meter tief), das außerdem noch durch
die Talbeschaffenheit sehr verstärkt wird. Die Herstellung von Übergängen
ist durch die zum Teil sumpfigen Ufer, zum Teil durch die Hänge längs der
beiden Ufer sehr erschwert; Kriegsbrücken sind durch den oft plötzlich wechselnden
Wasserstand gefährdet. Um so höhere Bedeutung erlangen die wenigen per¬
manenten Übergänge über den Fluß. Die wichtigsten Übergangspunkte sind
befestigt.

Mikolajow ist ein linksseitiger feldmäßig befestigter Brückenkopf von
3000 bis 4000 Metern Umfang, besteht aus zwei Schanzen in starker Position,
deren taktischer Wert durch die im Osten vorliegenden, schluchtenreichen
Waldungen einigermaßen beeinträchtigt wird, schützt im Verein mit einem ver¬
teidigungsfähigen Wachhaus südlich vom Dnjestr bei Rudniki die Bahn- und
Straßenbrücke über den Dnjestr.

Halicz ist ein linksseitiger feldmüßiger Defensivbrückenkopf von 3000 bis
5000 Metern Ausdehnung zum Schutz der Chausseebrücke über den Dnjestr;
die Werke (Jnfanterieschanzen und Schanzen für leichte Geschütze) liegen in
der Ebene und werden von den Höhen im Norden und im Süden beherrscht;
die Brücke wird auf etwa 5500 Meter von dort eingesehen; auf dem rechten
Ufer liegen zwei Flankierbatterien. Die Befestigungen von Mikolajow und
Halicz sollen die Übergangspunkte gegen Angriffe mit Mitteln der Feldarmee
decken; die Erdaushebung ist schon fertiggestellt. Kehlabschluß und Einbänden
sind dem Ausrüstungsfalle überlassen. Das Ausrüstungsmaterial liegt in den
beiden festen Plätzen bereit.

Siwka und Zaleszczyki sind alte aus ziemlich verfallnen Erdwerken
bestehende doppelseitige Brückenköpfe zum Schutze der Dnjestrbrücken.


Österreichs Grenzschutz gegen Rußland

Die Festhaltung Leinbergs erscheint darum als eine unerläßliche Voraussetzung
offensiver Unternehmungen gegen Russisch-Polen östlich von der Weichsel
wie für Operationen gegen den podolischen Kriegsschauplatz. Im Falle einer
Niederlage der in Ostgalizien stehenden österreichisch-ungarischen Truppen
wird Lemberg im Verein mit der befestigten Dnjestrlinie zu einem wichtigen
Stützpunkt der Verteidigung. In der Erkenntnis der Bedeutung, die Lem¬
berg in einem Kriege an der Nordostgrenze Österreichs zukommt, wurde dieser
Platz im Jahre 1888 gegen Handstreich an der West-, Nord- und Ostseite
zunächst an der Visiere durch geschlossene Schanzen und Batterien für leichte
Geschütze ausgestaltet. Die Errichtung eines Gürtels ist dem Ausrüstungs¬
falle vorbehalten; in den letzten Jahren wurden auch an der Ostlisiere einige
Schanzen erbaut. Lemberg hat mehrere Suppenkonservenfabriken, Dampf¬
mühlen, eine große Militärbäckerei, große Verpflegungsmagazine und viel Eisen¬
bahnmaterial.

Die Dnjestrlinie. Der Dnjestr teilt Ostgalizien in eine nördliche und
eine südliche Zone und sperrt die Zugänge aller den Fluß überschreitenden
Kommunikationen, er ist ein sehr namhaftes Hindernis (abwärts von Halicz
130 bis 230 Meter breit und 1,5 bis 5 Meter tief), das außerdem noch durch
die Talbeschaffenheit sehr verstärkt wird. Die Herstellung von Übergängen
ist durch die zum Teil sumpfigen Ufer, zum Teil durch die Hänge längs der
beiden Ufer sehr erschwert; Kriegsbrücken sind durch den oft plötzlich wechselnden
Wasserstand gefährdet. Um so höhere Bedeutung erlangen die wenigen per¬
manenten Übergänge über den Fluß. Die wichtigsten Übergangspunkte sind
befestigt.

Mikolajow ist ein linksseitiger feldmäßig befestigter Brückenkopf von
3000 bis 4000 Metern Umfang, besteht aus zwei Schanzen in starker Position,
deren taktischer Wert durch die im Osten vorliegenden, schluchtenreichen
Waldungen einigermaßen beeinträchtigt wird, schützt im Verein mit einem ver¬
teidigungsfähigen Wachhaus südlich vom Dnjestr bei Rudniki die Bahn- und
Straßenbrücke über den Dnjestr.

Halicz ist ein linksseitiger feldmüßiger Defensivbrückenkopf von 3000 bis
5000 Metern Ausdehnung zum Schutz der Chausseebrücke über den Dnjestr;
die Werke (Jnfanterieschanzen und Schanzen für leichte Geschütze) liegen in
der Ebene und werden von den Höhen im Norden und im Süden beherrscht;
die Brücke wird auf etwa 5500 Meter von dort eingesehen; auf dem rechten
Ufer liegen zwei Flankierbatterien. Die Befestigungen von Mikolajow und
Halicz sollen die Übergangspunkte gegen Angriffe mit Mitteln der Feldarmee
decken; die Erdaushebung ist schon fertiggestellt. Kehlabschluß und Einbänden
sind dem Ausrüstungsfalle überlassen. Das Ausrüstungsmaterial liegt in den
beiden festen Plätzen bereit.

Siwka und Zaleszczyki sind alte aus ziemlich verfallnen Erdwerken
bestehende doppelseitige Brückenköpfe zum Schutze der Dnjestrbrücken.


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[0305] Österreichs Grenzschutz gegen Rußland Die Festhaltung Leinbergs erscheint darum als eine unerläßliche Voraussetzung offensiver Unternehmungen gegen Russisch-Polen östlich von der Weichsel wie für Operationen gegen den podolischen Kriegsschauplatz. Im Falle einer Niederlage der in Ostgalizien stehenden österreichisch-ungarischen Truppen wird Lemberg im Verein mit der befestigten Dnjestrlinie zu einem wichtigen Stützpunkt der Verteidigung. In der Erkenntnis der Bedeutung, die Lem¬ berg in einem Kriege an der Nordostgrenze Österreichs zukommt, wurde dieser Platz im Jahre 1888 gegen Handstreich an der West-, Nord- und Ostseite zunächst an der Visiere durch geschlossene Schanzen und Batterien für leichte Geschütze ausgestaltet. Die Errichtung eines Gürtels ist dem Ausrüstungs¬ falle vorbehalten; in den letzten Jahren wurden auch an der Ostlisiere einige Schanzen erbaut. Lemberg hat mehrere Suppenkonservenfabriken, Dampf¬ mühlen, eine große Militärbäckerei, große Verpflegungsmagazine und viel Eisen¬ bahnmaterial. Die Dnjestrlinie. Der Dnjestr teilt Ostgalizien in eine nördliche und eine südliche Zone und sperrt die Zugänge aller den Fluß überschreitenden Kommunikationen, er ist ein sehr namhaftes Hindernis (abwärts von Halicz 130 bis 230 Meter breit und 1,5 bis 5 Meter tief), das außerdem noch durch die Talbeschaffenheit sehr verstärkt wird. Die Herstellung von Übergängen ist durch die zum Teil sumpfigen Ufer, zum Teil durch die Hänge längs der beiden Ufer sehr erschwert; Kriegsbrücken sind durch den oft plötzlich wechselnden Wasserstand gefährdet. Um so höhere Bedeutung erlangen die wenigen per¬ manenten Übergänge über den Fluß. Die wichtigsten Übergangspunkte sind befestigt. Mikolajow ist ein linksseitiger feldmäßig befestigter Brückenkopf von 3000 bis 4000 Metern Umfang, besteht aus zwei Schanzen in starker Position, deren taktischer Wert durch die im Osten vorliegenden, schluchtenreichen Waldungen einigermaßen beeinträchtigt wird, schützt im Verein mit einem ver¬ teidigungsfähigen Wachhaus südlich vom Dnjestr bei Rudniki die Bahn- und Straßenbrücke über den Dnjestr. Halicz ist ein linksseitiger feldmüßiger Defensivbrückenkopf von 3000 bis 5000 Metern Ausdehnung zum Schutz der Chausseebrücke über den Dnjestr; die Werke (Jnfanterieschanzen und Schanzen für leichte Geschütze) liegen in der Ebene und werden von den Höhen im Norden und im Süden beherrscht; die Brücke wird auf etwa 5500 Meter von dort eingesehen; auf dem rechten Ufer liegen zwei Flankierbatterien. Die Befestigungen von Mikolajow und Halicz sollen die Übergangspunkte gegen Angriffe mit Mitteln der Feldarmee decken; die Erdaushebung ist schon fertiggestellt. Kehlabschluß und Einbänden sind dem Ausrüstungsfalle überlassen. Das Ausrüstungsmaterial liegt in den beiden festen Plätzen bereit. Siwka und Zaleszczyki sind alte aus ziemlich verfallnen Erdwerken bestehende doppelseitige Brückenköpfe zum Schutze der Dnjestrbrücken.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/305>, abgerufen am 22.12.2024.