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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Ästerreichs Grenzschutz gegen Rußland

die Nordfront der Festung ist deshalb besonders stark gehalten, dahin ist auch
das Schwergewicht der Verteidigung gelegt, und dadurch sind die Nachteile
des Geländes einigermaßen wettgemacht. Krakau kann nach Größe und Ein¬
richtung seines Gürtels und dank umfassender materieller Vorsorgen als guter
Stützpunkt für große Armeekörper gelten.

Die befestigte Sanlinie. Der San, ein Nebenfluß der Weichsel, von
Przemysl abwärts in nordwestlicher Richtung fließend, durchschneidet sämtliche
von Ost- nach Westgcilizien führenden Kommunikationen und bildet dadurch
einen natürlichen Abschnitt, der die beiden Landesteile trennt; er hat abwärts
von Przemysl Hindernischarakter, ist 100 bis 250 Meter breit und bis drei
Meter tief, wird von flachem, tiefsandigem, im Frühjahr und Hochsommer
oft überschwemmten, sonst nassem oder von Tümpeln und toten Armen, Auen,
Weidengebüsch bedecktem Urlaub begleitet, ist abwärts von Przemysl bei
Radymno, Tuczepy, Jaroslau, Sieniawa, Zarzycze überbrückt und bildet nach
Wassermassen und infolge der weiten, übersichtlichen Niederung und des
dominierenden westlichen Talrandes einen guten Verteidigungsabschnitt. Die
Herstellung von Übergängen fordert abwärts von Przemysl bedeutendes Brücken¬
material und geraume Zeit; dadurch wird dieser Teil des Sans besonders
als rechter Flankenschutz der Verteidigungsstellung an der Weichsel wichtig.
Die Grenze wird im Abschnitt Weichsel - Krzeszow der Hauptsache nach durch
die Tanewniederung gebildet; diese ist ein besonders in der nassen Jahreszeit
schwieriges, ein unterkunfts- und ressourccnloses Durchzugsgebiet, ein breites
Marschgelände mit defileeartigen Ein- und Ausgängen. Die besten Einbruchs¬
linien aus Russisch-Polen sind die Straßen (teilweise noch Fahrweg) Janow-
Domostawa - Zarzycze - Nisko mit einer festen tragfähigen Jochbrücke über
den San bei Zarzycze. In dieser Grenzstreckc kommt dem Brückenpunkte
Zarzycze. der diesseits der sumpfigen Tcmewregion gelegen und durch mehrere
Kommunikationen mit dem Hinterkante auf- und abwärts des San und über
den Tcmew hin verbunden ist, eine besondre Bedeutung zu. Zarzycze wird
deshalb im Kriegsfalle als linksseitiger Brückenkopf ausgebaut; zurzeit bestehn
nur einige Jnfanterieschanzen.

Die am südlichen Sanufer liegende Stadt Nisko besitzt große Depots
und Verpflegungsmagazine. Zarzycze ist linker Flügelstützpunkt der Scmver-
teidigung und wichtiger Übergangspunkt für eine durch die Tcmewregion
gegen Ludim gerichtete Offensive österreichisch-ungarischer Kräfte. Während
der Raum Krzeszow - Sanmündung in der Tanewniederung ein starkes
Hindernis hat, das die Grenzverteidigung wesentlich erleichtert, ist die Grenze
von Krzeszow bis nordwestlich von Rawa-Ruhla einer feindlichen Invasion
offen. Die wichtigsten Einbruchslinien sind: Straße Zamosc-Bilgoraj-
Krzeszow, Bilgoraj - Tarnogrod - Sieniawa, Beizen- Cieszcmow - Jaroslaw mit
Sanbrücken an den Endorten. Von diesen Übergangsstellen hat Sieniawa
die Bedeutung, daß es mehrere Kommunikationen aufnimmt, und daß von hier


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die Nordfront der Festung ist deshalb besonders stark gehalten, dahin ist auch
das Schwergewicht der Verteidigung gelegt, und dadurch sind die Nachteile
des Geländes einigermaßen wettgemacht. Krakau kann nach Größe und Ein¬
richtung seines Gürtels und dank umfassender materieller Vorsorgen als guter
Stützpunkt für große Armeekörper gelten.

Die befestigte Sanlinie. Der San, ein Nebenfluß der Weichsel, von
Przemysl abwärts in nordwestlicher Richtung fließend, durchschneidet sämtliche
von Ost- nach Westgcilizien führenden Kommunikationen und bildet dadurch
einen natürlichen Abschnitt, der die beiden Landesteile trennt; er hat abwärts
von Przemysl Hindernischarakter, ist 100 bis 250 Meter breit und bis drei
Meter tief, wird von flachem, tiefsandigem, im Frühjahr und Hochsommer
oft überschwemmten, sonst nassem oder von Tümpeln und toten Armen, Auen,
Weidengebüsch bedecktem Urlaub begleitet, ist abwärts von Przemysl bei
Radymno, Tuczepy, Jaroslau, Sieniawa, Zarzycze überbrückt und bildet nach
Wassermassen und infolge der weiten, übersichtlichen Niederung und des
dominierenden westlichen Talrandes einen guten Verteidigungsabschnitt. Die
Herstellung von Übergängen fordert abwärts von Przemysl bedeutendes Brücken¬
material und geraume Zeit; dadurch wird dieser Teil des Sans besonders
als rechter Flankenschutz der Verteidigungsstellung an der Weichsel wichtig.
Die Grenze wird im Abschnitt Weichsel - Krzeszow der Hauptsache nach durch
die Tanewniederung gebildet; diese ist ein besonders in der nassen Jahreszeit
schwieriges, ein unterkunfts- und ressourccnloses Durchzugsgebiet, ein breites
Marschgelände mit defileeartigen Ein- und Ausgängen. Die besten Einbruchs¬
linien aus Russisch-Polen sind die Straßen (teilweise noch Fahrweg) Janow-
Domostawa - Zarzycze - Nisko mit einer festen tragfähigen Jochbrücke über
den San bei Zarzycze. In dieser Grenzstreckc kommt dem Brückenpunkte
Zarzycze. der diesseits der sumpfigen Tcmewregion gelegen und durch mehrere
Kommunikationen mit dem Hinterkante auf- und abwärts des San und über
den Tcmew hin verbunden ist, eine besondre Bedeutung zu. Zarzycze wird
deshalb im Kriegsfalle als linksseitiger Brückenkopf ausgebaut; zurzeit bestehn
nur einige Jnfanterieschanzen.

Die am südlichen Sanufer liegende Stadt Nisko besitzt große Depots
und Verpflegungsmagazine. Zarzycze ist linker Flügelstützpunkt der Scmver-
teidigung und wichtiger Übergangspunkt für eine durch die Tcmewregion
gegen Ludim gerichtete Offensive österreichisch-ungarischer Kräfte. Während
der Raum Krzeszow - Sanmündung in der Tanewniederung ein starkes
Hindernis hat, das die Grenzverteidigung wesentlich erleichtert, ist die Grenze
von Krzeszow bis nordwestlich von Rawa-Ruhla einer feindlichen Invasion
offen. Die wichtigsten Einbruchslinien sind: Straße Zamosc-Bilgoraj-
Krzeszow, Bilgoraj - Tarnogrod - Sieniawa, Beizen- Cieszcmow - Jaroslaw mit
Sanbrücken an den Endorten. Von diesen Übergangsstellen hat Sieniawa
die Bedeutung, daß es mehrere Kommunikationen aufnimmt, und daß von hier


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[0302] Ästerreichs Grenzschutz gegen Rußland die Nordfront der Festung ist deshalb besonders stark gehalten, dahin ist auch das Schwergewicht der Verteidigung gelegt, und dadurch sind die Nachteile des Geländes einigermaßen wettgemacht. Krakau kann nach Größe und Ein¬ richtung seines Gürtels und dank umfassender materieller Vorsorgen als guter Stützpunkt für große Armeekörper gelten. Die befestigte Sanlinie. Der San, ein Nebenfluß der Weichsel, von Przemysl abwärts in nordwestlicher Richtung fließend, durchschneidet sämtliche von Ost- nach Westgcilizien führenden Kommunikationen und bildet dadurch einen natürlichen Abschnitt, der die beiden Landesteile trennt; er hat abwärts von Przemysl Hindernischarakter, ist 100 bis 250 Meter breit und bis drei Meter tief, wird von flachem, tiefsandigem, im Frühjahr und Hochsommer oft überschwemmten, sonst nassem oder von Tümpeln und toten Armen, Auen, Weidengebüsch bedecktem Urlaub begleitet, ist abwärts von Przemysl bei Radymno, Tuczepy, Jaroslau, Sieniawa, Zarzycze überbrückt und bildet nach Wassermassen und infolge der weiten, übersichtlichen Niederung und des dominierenden westlichen Talrandes einen guten Verteidigungsabschnitt. Die Herstellung von Übergängen fordert abwärts von Przemysl bedeutendes Brücken¬ material und geraume Zeit; dadurch wird dieser Teil des Sans besonders als rechter Flankenschutz der Verteidigungsstellung an der Weichsel wichtig. Die Grenze wird im Abschnitt Weichsel - Krzeszow der Hauptsache nach durch die Tanewniederung gebildet; diese ist ein besonders in der nassen Jahreszeit schwieriges, ein unterkunfts- und ressourccnloses Durchzugsgebiet, ein breites Marschgelände mit defileeartigen Ein- und Ausgängen. Die besten Einbruchs¬ linien aus Russisch-Polen sind die Straßen (teilweise noch Fahrweg) Janow- Domostawa - Zarzycze - Nisko mit einer festen tragfähigen Jochbrücke über den San bei Zarzycze. In dieser Grenzstreckc kommt dem Brückenpunkte Zarzycze. der diesseits der sumpfigen Tcmewregion gelegen und durch mehrere Kommunikationen mit dem Hinterkante auf- und abwärts des San und über den Tcmew hin verbunden ist, eine besondre Bedeutung zu. Zarzycze wird deshalb im Kriegsfalle als linksseitiger Brückenkopf ausgebaut; zurzeit bestehn nur einige Jnfanterieschanzen. Die am südlichen Sanufer liegende Stadt Nisko besitzt große Depots und Verpflegungsmagazine. Zarzycze ist linker Flügelstützpunkt der Scmver- teidigung und wichtiger Übergangspunkt für eine durch die Tcmewregion gegen Ludim gerichtete Offensive österreichisch-ungarischer Kräfte. Während der Raum Krzeszow - Sanmündung in der Tanewniederung ein starkes Hindernis hat, das die Grenzverteidigung wesentlich erleichtert, ist die Grenze von Krzeszow bis nordwestlich von Rawa-Ruhla einer feindlichen Invasion offen. Die wichtigsten Einbruchslinien sind: Straße Zamosc-Bilgoraj- Krzeszow, Bilgoraj - Tarnogrod - Sieniawa, Beizen- Cieszcmow - Jaroslaw mit Sanbrücken an den Endorten. Von diesen Übergangsstellen hat Sieniawa die Bedeutung, daß es mehrere Kommunikationen aufnimmt, und daß von hier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/302>, abgerufen am 23.07.2024.