Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.Zur Schicksalsstunde des ehemaligen Königreichs Hannover angelegen sein lassen, die staatlichen wie die persönlichen Beziehungen der Prinz Isenburg nahm später in vertrautem Kreise zuweilen Gelegenheit, Als den sich durch die gesamte Politik Hannovers hindurchziehenden Faden Der Prinz bekleidete nach dem Kriege 1866 bis zu seinem am l. Januar 1883 er¬
folgten Ableben den Gesandtenposten in Oldenburg, wo ihm in besondrer Veranlassung der Schreiber dieser Zeilen persönlich näher getreten ist. Zur Schicksalsstunde des ehemaligen Königreichs Hannover angelegen sein lassen, die staatlichen wie die persönlichen Beziehungen der Prinz Isenburg nahm später in vertrautem Kreise zuweilen Gelegenheit, Als den sich durch die gesamte Politik Hannovers hindurchziehenden Faden Der Prinz bekleidete nach dem Kriege 1866 bis zu seinem am l. Januar 1883 er¬
folgten Ableben den Gesandtenposten in Oldenburg, wo ihm in besondrer Veranlassung der Schreiber dieser Zeilen persönlich näher getreten ist. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0016" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/313719"/> <fw type="header" place="top"> Zur Schicksalsstunde des ehemaligen Königreichs Hannover</fw><lb/> <p xml:id="ID_26" prev="#ID_25"> angelegen sein lassen, die staatlichen wie die persönlichen Beziehungen der<lb/> beiden nah verwandten Häuser aufrecht zu erhalten und Verstimmungen aus¬<lb/> zugleichen. Und andrerseits hatten sich beide, der König und seine Gemahlin,<lb/> in Anerkennung solcher von Erfolg gekrönten Bemühungen immer dankbar er¬<lb/> wiesen; so zwar, daß zu dem vornehmen, ungewöhnlich liebenswürdigen, offnen,<lb/> keiner Hinterhältigkeit fähigen Manne sich nicht nur ein freundliches, sondern<lb/> sogar wahrhaft freundschaftliches Einvernehmen herausbilden konnte. Aber<lb/> gerade diese Eigenschaften des Gesandten mögen wohl auch dazu verleitet haben,<lb/> in dessen bescheidnen, äußern Persönlichkeit den in altpreußischer Pflichttreue<lb/> und Disziplin erzognen Beamten falsch einzuschätzen, zu verkennen. Weniger<lb/> vielleicht seitens des königlichen Ehepaars als der führenden, altständischen<lb/> Adels- und Beamtenkoterie, jener „Perücken von Hannover, die, wie Friedrich<lb/> der Große schon sagte, immer und mit allem einen Posttag zu spät kommen".<lb/> Die Versuche dieser Kreise, den Gesandten mit glatt-höfischem Entgegenkommen<lb/> einzuwickeln, ihn über ihre wahren Gesinnungen zu täuschen, sind freilich<lb/> mißlungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_27"> Prinz Isenburg nahm später in vertrautem Kreise zuweilen Gelegenheit,<lb/> auf die Katastrophe von 1866 und die Art, wie sie sich seit einem Menschen¬<lb/> alter schon vorbereitete, zurückzukommen. Besonders dann, wenn die immer an<lb/> der Arbeit befindliche welfische Publizistik gerade solche Vorgänge und Tat¬<lb/> sachen zu entstellen oder zu verschleiern suchte, die er doch sehr genau kennen<lb/> mußte. Immer natürlich innerhalb des Rahmens gebotner Diskretion und des<lb/> Taktes. Bei solchen Gelegenheiten bediente er sich zur Verständlichung der<lb/> partikularistischen Jrrgänge jener Staatsleitung kurzer geschichtlicher Exkurse,<lb/> in denen er die „auf einer bestimmten Tradition beruhenden Aspekte des<lb/> Königshauses und der jeweilen maßgebenden Persönlichkeiten in Auffassung und<lb/> Behandlung der deutschen Angelegenheiten" Schritt für Schritt beleuchtete.*)</p><lb/> <p xml:id="ID_28" next="#ID_29"> Als den sich durch die gesamte Politik Hannovers hindurchziehenden Faden<lb/> wies der Prinz auf jene rein dynastisch gearteten Bestrebungen hin, wie sie in<lb/> unmittelbarer Anlehnung an die englische Festlandspolitik ihren Rückhalt fanden.<lb/> Es waren Ziele, die seinerzeit Graf Herbert Münster, der englisch-hannoversche<lb/> Vertreter beim Wiener Kongreß 1814 sowie in Paris 1815, so energisch zu<lb/> verfolgen wußte. Das Inselreich hat ja eine machtvolle Erstarkung Deutsch¬<lb/> lands von jeher gefürchtet und tatsächlich lange zu hintertreiben gewußt. Es<lb/> bediente sich dieses an sich tüchtigen, in vieler Hinsicht verdienstvollen Ministers,<lb/> indem es dessen tiefe Abneigung gegen Preußen geschickt zu verwerten verstand.<lb/> Graf Münster war es, der auf dem Wiener Kongresse dem gegen Preußen<lb/> gerichteten geheimen Januarbündnis Frankreichs, Englands und Österreichs<lb/> am eifrigsten das Wort redete und mit der Bemerkung beitrat: „Wir spielen</p><lb/> <note xml:id="FID_3" place="foot"> Der Prinz bekleidete nach dem Kriege 1866 bis zu seinem am l. Januar 1883 er¬<lb/> folgten Ableben den Gesandtenposten in Oldenburg, wo ihm in besondrer Veranlassung der<lb/> Schreiber dieser Zeilen persönlich näher getreten ist.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0016]
Zur Schicksalsstunde des ehemaligen Königreichs Hannover
angelegen sein lassen, die staatlichen wie die persönlichen Beziehungen der
beiden nah verwandten Häuser aufrecht zu erhalten und Verstimmungen aus¬
zugleichen. Und andrerseits hatten sich beide, der König und seine Gemahlin,
in Anerkennung solcher von Erfolg gekrönten Bemühungen immer dankbar er¬
wiesen; so zwar, daß zu dem vornehmen, ungewöhnlich liebenswürdigen, offnen,
keiner Hinterhältigkeit fähigen Manne sich nicht nur ein freundliches, sondern
sogar wahrhaft freundschaftliches Einvernehmen herausbilden konnte. Aber
gerade diese Eigenschaften des Gesandten mögen wohl auch dazu verleitet haben,
in dessen bescheidnen, äußern Persönlichkeit den in altpreußischer Pflichttreue
und Disziplin erzognen Beamten falsch einzuschätzen, zu verkennen. Weniger
vielleicht seitens des königlichen Ehepaars als der führenden, altständischen
Adels- und Beamtenkoterie, jener „Perücken von Hannover, die, wie Friedrich
der Große schon sagte, immer und mit allem einen Posttag zu spät kommen".
Die Versuche dieser Kreise, den Gesandten mit glatt-höfischem Entgegenkommen
einzuwickeln, ihn über ihre wahren Gesinnungen zu täuschen, sind freilich
mißlungen.
Prinz Isenburg nahm später in vertrautem Kreise zuweilen Gelegenheit,
auf die Katastrophe von 1866 und die Art, wie sie sich seit einem Menschen¬
alter schon vorbereitete, zurückzukommen. Besonders dann, wenn die immer an
der Arbeit befindliche welfische Publizistik gerade solche Vorgänge und Tat¬
sachen zu entstellen oder zu verschleiern suchte, die er doch sehr genau kennen
mußte. Immer natürlich innerhalb des Rahmens gebotner Diskretion und des
Taktes. Bei solchen Gelegenheiten bediente er sich zur Verständlichung der
partikularistischen Jrrgänge jener Staatsleitung kurzer geschichtlicher Exkurse,
in denen er die „auf einer bestimmten Tradition beruhenden Aspekte des
Königshauses und der jeweilen maßgebenden Persönlichkeiten in Auffassung und
Behandlung der deutschen Angelegenheiten" Schritt für Schritt beleuchtete.*)
Als den sich durch die gesamte Politik Hannovers hindurchziehenden Faden
wies der Prinz auf jene rein dynastisch gearteten Bestrebungen hin, wie sie in
unmittelbarer Anlehnung an die englische Festlandspolitik ihren Rückhalt fanden.
Es waren Ziele, die seinerzeit Graf Herbert Münster, der englisch-hannoversche
Vertreter beim Wiener Kongreß 1814 sowie in Paris 1815, so energisch zu
verfolgen wußte. Das Inselreich hat ja eine machtvolle Erstarkung Deutsch¬
lands von jeher gefürchtet und tatsächlich lange zu hintertreiben gewußt. Es
bediente sich dieses an sich tüchtigen, in vieler Hinsicht verdienstvollen Ministers,
indem es dessen tiefe Abneigung gegen Preußen geschickt zu verwerten verstand.
Graf Münster war es, der auf dem Wiener Kongresse dem gegen Preußen
gerichteten geheimen Januarbündnis Frankreichs, Englands und Österreichs
am eifrigsten das Wort redete und mit der Bemerkung beitrat: „Wir spielen
Der Prinz bekleidete nach dem Kriege 1866 bis zu seinem am l. Januar 1883 er¬
folgten Ableben den Gesandtenposten in Oldenburg, wo ihm in besondrer Veranlassung der
Schreiber dieser Zeilen persönlich näher getreten ist.
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