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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Städtische Anleihen und ihre (Organisation

Die Gründung einer Städtebank im Zusammenhang mit der Sparkassen¬
konzentration halten wir deshalb nicht für erstrebenswert, da hierdurch leicht
kommunalwirtschaftliche und privatwirtschaftliche Interessen verknüpft werden
oder in Widerstreit geraten können. Die Gründung von Städtebanken in den
einzelnen Provinzen oder Einzelstaaten mit gleichen Interessen erscheint uns
nicht als ein glücklicher Griff, als dadurch die Zentralisierung des Kommunal-
krcdits vermieden und somit die bestehende Abhängigkeit der Städte von den
Bankkonsortien nicht aufgehoben wird. Eine solche Partialbank dürfte auch
Wohl nicht in der Lage sein, allen an sie auf dem offnen Markt der Obligationen
herantretenden Aufgaben gerecht zu werden. Die privaten Großbanken würden
nach nicht zu langer Zeit den Bestand derartiger Institute gefährden, sie ins
Schlepptau zwingen, und der jetzige Zustand würde sich aufs neue einstellen.
Auch wenn man solche Partialbanken nur als vorläufige Versuche errichten
wollte, würden alle Reformen vergeblich sein, da nach einem ungünstigen Verlauf
alle weitern Pläne durchkreuzt sein würden.

Heute haben die Städte ihre Anleiheschulden gedeckt bei eignen Sonder¬
kassen und Stiftungen der Stadt, bei eignen oder fremden Sparkassen, beim
Reichsinvalidensonds, den Reichsversicherungsanstalten, öffentlichen und andern
Banken, privaten Lebens-, Feuer- und ähnlichen Versicherungsgesellschaften und
bei einzelnen Privatpersonen.

Die Tätigkeit der Städtebank hätte sich nicht nur auf die Abschlüsse der
Anlehnsgeschäfte zu erstrecken, sondern auch auf die Gewährung von schwebenden
Schulden und Darlehen, von denen namentlich die kleinern Gemeinden Gebrauch
machen dürften. Durch die Schaffung eines sich über das ganze Reich er¬
streckenden Marktes für Städteobligationen würde die Städtebau! jederzeit in
der Lage sein, einen hohen Barbestand zu führen. Mit den Sparkassen müßte
die Bank in Giroverkehr treten. Auch dürfte sie in der Lage sein, die Ein¬
richtung eines Städteschuldbuchs durchzusetzen, das sich im Reich und in
Preußen sehr gut bewährt hat und bereits in Frankfurt am Main besteht.

situes Low, ein englischer Publizist, berichtete am 13. Januar 1906 im
Standard, einem Deutschland wenig freundlichen Blatte: "Die deutschen Städte
genießen den Ruf, daß sie mit Klugheit verwaltet werden. Kaufleute und
Geschäftsleute, die es zu etwas gebracht haben, nehmen ein tätiges Interesse
an der Arbeit in den meisten größern und vielen der kleinern Städte." Mögen
die deutschen Städte zeigen, daß sie auch das größere Problem lösen, das das
Anleihewesen ihnen gegeben hat.




Städtische Anleihen und ihre (Organisation

Die Gründung einer Städtebank im Zusammenhang mit der Sparkassen¬
konzentration halten wir deshalb nicht für erstrebenswert, da hierdurch leicht
kommunalwirtschaftliche und privatwirtschaftliche Interessen verknüpft werden
oder in Widerstreit geraten können. Die Gründung von Städtebanken in den
einzelnen Provinzen oder Einzelstaaten mit gleichen Interessen erscheint uns
nicht als ein glücklicher Griff, als dadurch die Zentralisierung des Kommunal-
krcdits vermieden und somit die bestehende Abhängigkeit der Städte von den
Bankkonsortien nicht aufgehoben wird. Eine solche Partialbank dürfte auch
Wohl nicht in der Lage sein, allen an sie auf dem offnen Markt der Obligationen
herantretenden Aufgaben gerecht zu werden. Die privaten Großbanken würden
nach nicht zu langer Zeit den Bestand derartiger Institute gefährden, sie ins
Schlepptau zwingen, und der jetzige Zustand würde sich aufs neue einstellen.
Auch wenn man solche Partialbanken nur als vorläufige Versuche errichten
wollte, würden alle Reformen vergeblich sein, da nach einem ungünstigen Verlauf
alle weitern Pläne durchkreuzt sein würden.

Heute haben die Städte ihre Anleiheschulden gedeckt bei eignen Sonder¬
kassen und Stiftungen der Stadt, bei eignen oder fremden Sparkassen, beim
Reichsinvalidensonds, den Reichsversicherungsanstalten, öffentlichen und andern
Banken, privaten Lebens-, Feuer- und ähnlichen Versicherungsgesellschaften und
bei einzelnen Privatpersonen.

Die Tätigkeit der Städtebank hätte sich nicht nur auf die Abschlüsse der
Anlehnsgeschäfte zu erstrecken, sondern auch auf die Gewährung von schwebenden
Schulden und Darlehen, von denen namentlich die kleinern Gemeinden Gebrauch
machen dürften. Durch die Schaffung eines sich über das ganze Reich er¬
streckenden Marktes für Städteobligationen würde die Städtebau! jederzeit in
der Lage sein, einen hohen Barbestand zu führen. Mit den Sparkassen müßte
die Bank in Giroverkehr treten. Auch dürfte sie in der Lage sein, die Ein¬
richtung eines Städteschuldbuchs durchzusetzen, das sich im Reich und in
Preußen sehr gut bewährt hat und bereits in Frankfurt am Main besteht.

situes Low, ein englischer Publizist, berichtete am 13. Januar 1906 im
Standard, einem Deutschland wenig freundlichen Blatte: „Die deutschen Städte
genießen den Ruf, daß sie mit Klugheit verwaltet werden. Kaufleute und
Geschäftsleute, die es zu etwas gebracht haben, nehmen ein tätiges Interesse
an der Arbeit in den meisten größern und vielen der kleinern Städte." Mögen
die deutschen Städte zeigen, daß sie auch das größere Problem lösen, das das
Anleihewesen ihnen gegeben hat.




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[0647] Städtische Anleihen und ihre (Organisation Die Gründung einer Städtebank im Zusammenhang mit der Sparkassen¬ konzentration halten wir deshalb nicht für erstrebenswert, da hierdurch leicht kommunalwirtschaftliche und privatwirtschaftliche Interessen verknüpft werden oder in Widerstreit geraten können. Die Gründung von Städtebanken in den einzelnen Provinzen oder Einzelstaaten mit gleichen Interessen erscheint uns nicht als ein glücklicher Griff, als dadurch die Zentralisierung des Kommunal- krcdits vermieden und somit die bestehende Abhängigkeit der Städte von den Bankkonsortien nicht aufgehoben wird. Eine solche Partialbank dürfte auch Wohl nicht in der Lage sein, allen an sie auf dem offnen Markt der Obligationen herantretenden Aufgaben gerecht zu werden. Die privaten Großbanken würden nach nicht zu langer Zeit den Bestand derartiger Institute gefährden, sie ins Schlepptau zwingen, und der jetzige Zustand würde sich aufs neue einstellen. Auch wenn man solche Partialbanken nur als vorläufige Versuche errichten wollte, würden alle Reformen vergeblich sein, da nach einem ungünstigen Verlauf alle weitern Pläne durchkreuzt sein würden. Heute haben die Städte ihre Anleiheschulden gedeckt bei eignen Sonder¬ kassen und Stiftungen der Stadt, bei eignen oder fremden Sparkassen, beim Reichsinvalidensonds, den Reichsversicherungsanstalten, öffentlichen und andern Banken, privaten Lebens-, Feuer- und ähnlichen Versicherungsgesellschaften und bei einzelnen Privatpersonen. Die Tätigkeit der Städtebank hätte sich nicht nur auf die Abschlüsse der Anlehnsgeschäfte zu erstrecken, sondern auch auf die Gewährung von schwebenden Schulden und Darlehen, von denen namentlich die kleinern Gemeinden Gebrauch machen dürften. Durch die Schaffung eines sich über das ganze Reich er¬ streckenden Marktes für Städteobligationen würde die Städtebau! jederzeit in der Lage sein, einen hohen Barbestand zu führen. Mit den Sparkassen müßte die Bank in Giroverkehr treten. Auch dürfte sie in der Lage sein, die Ein¬ richtung eines Städteschuldbuchs durchzusetzen, das sich im Reich und in Preußen sehr gut bewährt hat und bereits in Frankfurt am Main besteht. situes Low, ein englischer Publizist, berichtete am 13. Januar 1906 im Standard, einem Deutschland wenig freundlichen Blatte: „Die deutschen Städte genießen den Ruf, daß sie mit Klugheit verwaltet werden. Kaufleute und Geschäftsleute, die es zu etwas gebracht haben, nehmen ein tätiges Interesse an der Arbeit in den meisten größern und vielen der kleinern Städte." Mögen die deutschen Städte zeigen, daß sie auch das größere Problem lösen, das das Anleihewesen ihnen gegeben hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/647>, abgerufen am 23.07.2024.