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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Ztädtische Anleihen und ihre Organisation

Verhältnisse deshalb nicht ohne Einfluß sein, als manche Gesellschaft die Auf¬
nahme einer Anleihe der Vermehrung des Aktienkapitals vorziehen wird.

Daß hierin Wandel geschaffen werden muß, ist heute die einstimmige
Überzeugung aller interessierten Kreise. Und es hat an Vorschlägen der ver¬
schiedensten Art denn auch nicht gefehlt. Der wichtigste scheint für uns der
nach einer allgemeinen Zentralisierung des Kommunalkredits zu sein. Wir
haben schon erwähnt, daß die Banken aus den verschiedensten Gründen nur
ungern eine städtische Anleihe übernehmen. Für ihr Verhalten ist auch ma߬
gebend, daß die Vermittlungsgebühren bei Kommunalanleihen durchschnittlich
geringer sind als bei Emission von Pfandbriefen. Außerdem haben die Städte
bis heute wohl durchweg die Vertreibung ihrer Obligationen durch bezahlte
Vermittler vermieden, auch zahlen sie keine Provision für die Einlösung der
Coupons und verkosten Stücke und gewähren keine Ausnahmepreise bei größerer
Abnahme von Stücken. Also alles Umstände und Formen, die heute der bank¬
mäßige Betrieb verlangt. Es bleibt also für die Kommunen nur die Alternative:
entweder sich allen Gebräuchen, die Bank und Börsenwesen heute erfordern,
anzupassen, oder sich durch eine wohldurchdachte Organisation von jenen Ver¬
hältnissen unabhängig zu machen, wenn auch nicht gänzlich, so doch in einem
gewissen Umfange.

Für diesen Weg, eine Zentralisierung des Kommunalkredits, hat die
preußische Staatsregierung schon für ihre eignen Zwecke, die ja in vielfacher
Beziehung dieselben sind, durch eine verstärkte Machtstellung der Seehandlung
einen Fingerzeig gegeben. Seit der erwähnten Kapitalvermehrung der See¬
handlung von 34,4 auf 94,4 Millionen Mark wird keine Reichs- und Staats¬
anleihe mehr von einem Bankkonsortium kontrahiert, dessen Führung nicht in
den Händen der Seehandlung liegt. Wenn die Seehandlung im Jahre 1907
nicht in der Lage gewesen wäre, von den 1905 begehren aber nur zum Teil
verkauften Schatzanweisungen des Reichs und Preußens 120 Millionen Mark
in ihren Tresors zu halten, würden die 700 Millionen Mark neuer An¬
leihen im Herbst des Vorjahrs wohl schwerlich von einem Bankkonsortium
übernommen worden sein, jedenfalls nicht zu einem 4prozentigen Typus. Wenn
die deutschen Kommunen ein ähnliches oder gleiches Zentralinstitut besäßen wie
Preußen, brauchten die kleinern von ihnen bei Begehung einer neuen Anleihe
nicht mehr betteln zu gehn.

Versuche zu einer solchen Zentralisierung liegen bereits verschiedentlich
vor. Es ist heute schon die Regel, daß die kleinern Gemeinden Rheinlands
und Westfalens bei der Landesbank ihrer Heimatprovinz ihre Darlehn aufnehmen-
Dies sind vor allem solche Gemeinden, die heute Geld für Kanalisation, morgen
für ein Gaswerk und dann für ein Wasserwerk brauchen, die Kontrahierung
einer einmaligen Anleihe für jene Zwecke also entweder nicht wagen oder nicht
können. Vielleicht zersplittern sie auf diese Weise nur deshalb ihre finanziellen
Kräfte, da in Preußen die Regierung für jede Anleihe eine Mindesthöhe von


Ztädtische Anleihen und ihre Organisation

Verhältnisse deshalb nicht ohne Einfluß sein, als manche Gesellschaft die Auf¬
nahme einer Anleihe der Vermehrung des Aktienkapitals vorziehen wird.

Daß hierin Wandel geschaffen werden muß, ist heute die einstimmige
Überzeugung aller interessierten Kreise. Und es hat an Vorschlägen der ver¬
schiedensten Art denn auch nicht gefehlt. Der wichtigste scheint für uns der
nach einer allgemeinen Zentralisierung des Kommunalkredits zu sein. Wir
haben schon erwähnt, daß die Banken aus den verschiedensten Gründen nur
ungern eine städtische Anleihe übernehmen. Für ihr Verhalten ist auch ma߬
gebend, daß die Vermittlungsgebühren bei Kommunalanleihen durchschnittlich
geringer sind als bei Emission von Pfandbriefen. Außerdem haben die Städte
bis heute wohl durchweg die Vertreibung ihrer Obligationen durch bezahlte
Vermittler vermieden, auch zahlen sie keine Provision für die Einlösung der
Coupons und verkosten Stücke und gewähren keine Ausnahmepreise bei größerer
Abnahme von Stücken. Also alles Umstände und Formen, die heute der bank¬
mäßige Betrieb verlangt. Es bleibt also für die Kommunen nur die Alternative:
entweder sich allen Gebräuchen, die Bank und Börsenwesen heute erfordern,
anzupassen, oder sich durch eine wohldurchdachte Organisation von jenen Ver¬
hältnissen unabhängig zu machen, wenn auch nicht gänzlich, so doch in einem
gewissen Umfange.

Für diesen Weg, eine Zentralisierung des Kommunalkredits, hat die
preußische Staatsregierung schon für ihre eignen Zwecke, die ja in vielfacher
Beziehung dieselben sind, durch eine verstärkte Machtstellung der Seehandlung
einen Fingerzeig gegeben. Seit der erwähnten Kapitalvermehrung der See¬
handlung von 34,4 auf 94,4 Millionen Mark wird keine Reichs- und Staats¬
anleihe mehr von einem Bankkonsortium kontrahiert, dessen Führung nicht in
den Händen der Seehandlung liegt. Wenn die Seehandlung im Jahre 1907
nicht in der Lage gewesen wäre, von den 1905 begehren aber nur zum Teil
verkauften Schatzanweisungen des Reichs und Preußens 120 Millionen Mark
in ihren Tresors zu halten, würden die 700 Millionen Mark neuer An¬
leihen im Herbst des Vorjahrs wohl schwerlich von einem Bankkonsortium
übernommen worden sein, jedenfalls nicht zu einem 4prozentigen Typus. Wenn
die deutschen Kommunen ein ähnliches oder gleiches Zentralinstitut besäßen wie
Preußen, brauchten die kleinern von ihnen bei Begehung einer neuen Anleihe
nicht mehr betteln zu gehn.

Versuche zu einer solchen Zentralisierung liegen bereits verschiedentlich
vor. Es ist heute schon die Regel, daß die kleinern Gemeinden Rheinlands
und Westfalens bei der Landesbank ihrer Heimatprovinz ihre Darlehn aufnehmen-
Dies sind vor allem solche Gemeinden, die heute Geld für Kanalisation, morgen
für ein Gaswerk und dann für ein Wasserwerk brauchen, die Kontrahierung
einer einmaligen Anleihe für jene Zwecke also entweder nicht wagen oder nicht
können. Vielleicht zersplittern sie auf diese Weise nur deshalb ihre finanziellen
Kräfte, da in Preußen die Regierung für jede Anleihe eine Mindesthöhe von


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[0644] Ztädtische Anleihen und ihre Organisation Verhältnisse deshalb nicht ohne Einfluß sein, als manche Gesellschaft die Auf¬ nahme einer Anleihe der Vermehrung des Aktienkapitals vorziehen wird. Daß hierin Wandel geschaffen werden muß, ist heute die einstimmige Überzeugung aller interessierten Kreise. Und es hat an Vorschlägen der ver¬ schiedensten Art denn auch nicht gefehlt. Der wichtigste scheint für uns der nach einer allgemeinen Zentralisierung des Kommunalkredits zu sein. Wir haben schon erwähnt, daß die Banken aus den verschiedensten Gründen nur ungern eine städtische Anleihe übernehmen. Für ihr Verhalten ist auch ma߬ gebend, daß die Vermittlungsgebühren bei Kommunalanleihen durchschnittlich geringer sind als bei Emission von Pfandbriefen. Außerdem haben die Städte bis heute wohl durchweg die Vertreibung ihrer Obligationen durch bezahlte Vermittler vermieden, auch zahlen sie keine Provision für die Einlösung der Coupons und verkosten Stücke und gewähren keine Ausnahmepreise bei größerer Abnahme von Stücken. Also alles Umstände und Formen, die heute der bank¬ mäßige Betrieb verlangt. Es bleibt also für die Kommunen nur die Alternative: entweder sich allen Gebräuchen, die Bank und Börsenwesen heute erfordern, anzupassen, oder sich durch eine wohldurchdachte Organisation von jenen Ver¬ hältnissen unabhängig zu machen, wenn auch nicht gänzlich, so doch in einem gewissen Umfange. Für diesen Weg, eine Zentralisierung des Kommunalkredits, hat die preußische Staatsregierung schon für ihre eignen Zwecke, die ja in vielfacher Beziehung dieselben sind, durch eine verstärkte Machtstellung der Seehandlung einen Fingerzeig gegeben. Seit der erwähnten Kapitalvermehrung der See¬ handlung von 34,4 auf 94,4 Millionen Mark wird keine Reichs- und Staats¬ anleihe mehr von einem Bankkonsortium kontrahiert, dessen Führung nicht in den Händen der Seehandlung liegt. Wenn die Seehandlung im Jahre 1907 nicht in der Lage gewesen wäre, von den 1905 begehren aber nur zum Teil verkauften Schatzanweisungen des Reichs und Preußens 120 Millionen Mark in ihren Tresors zu halten, würden die 700 Millionen Mark neuer An¬ leihen im Herbst des Vorjahrs wohl schwerlich von einem Bankkonsortium übernommen worden sein, jedenfalls nicht zu einem 4prozentigen Typus. Wenn die deutschen Kommunen ein ähnliches oder gleiches Zentralinstitut besäßen wie Preußen, brauchten die kleinern von ihnen bei Begehung einer neuen Anleihe nicht mehr betteln zu gehn. Versuche zu einer solchen Zentralisierung liegen bereits verschiedentlich vor. Es ist heute schon die Regel, daß die kleinern Gemeinden Rheinlands und Westfalens bei der Landesbank ihrer Heimatprovinz ihre Darlehn aufnehmen- Dies sind vor allem solche Gemeinden, die heute Geld für Kanalisation, morgen für ein Gaswerk und dann für ein Wasserwerk brauchen, die Kontrahierung einer einmaligen Anleihe für jene Zwecke also entweder nicht wagen oder nicht können. Vielleicht zersplittern sie auf diese Weise nur deshalb ihre finanziellen Kräfte, da in Preußen die Regierung für jede Anleihe eine Mindesthöhe von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/644>, abgerufen am 23.07.2024.