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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Artillerickampf siegreich gebliebne Artillerie entscheidend mitwirken werde. Der
Kampf wird in Zukunft aber wohl anders verlaufen, insofern als die Feld¬
artillerie auf das Feuer der gegnerischen nicht mehr soviel Rücksicht z"
nehmen gezwungen sein wird als früher, sondern ihr Augenmerk von vorn¬
herein der entscheidenden Waffe, der feindlichen Infanterie, zuwenden wird.
Die stählernen Schutzschilde befähigen die Artillerie, viel näher als in frühern
Zeiten an die Infanterie heranzugehn und trotz des feindlichen Infanterie-
feuers ihren Kampf in wirksamer Weise fortzusetzen.

Die Bekämpfung der gegnerischen Artillerie wird zur Aufgabe der Fnß-
artillerie. Sie wird durch sorgsame Beobachtung und Erkundung, bei denen
auch dem Luftballon ein Teil der Arbeit zufallen wird, den Stand der feind¬
lichen Batterien, soweit sie nicht unmittelbar zu erkennen sind, aufsuchen und
sie dann mit Hilfe des Bogenschusses zu vernichten haben. Für diese Aufgabe
genügen die leichten Feldhaubitzeu uicht allein. Denn bei den großen
Schwierigkeiten, die das Beobachten und Treffen dieser Ziele bereitet, muß
man, um des Erfolges sicher zu sein, dafür sorgen, daß jeder Schuß, der
wirklich in die feindliche Batterie hineinkommt, dort auch eine gründliche Zer¬
störungsarbeit verrichtet. Das leisten aber nnr schwere Kaliber. Eine weitere
Folge dieser veränderten Verhältnisse wird die sein, daß die langen Artillerie-
linien, die man aus frühern Schlachten her kennt, und die noch bis vor kurzer
Zeit auf unsern Manöverfeldern zu sehe" waren, auch verschwinden werden.
Solche zusammenhängende Linien fordern die feindliche schwere Artillerie
geradezu heraus und werden ihr leicht zur Opfer fallen. Die Feldartillerie
wird sich vielmehr dem Vorbilde der Infanterie anzuschließen und sich in kleine
Verbände aufzulösen haben, die sich an das Gelände anschmiegend hier und
dort erscheinen. Das Bild scheinbarer Regellosigkeit, der Selbständigkeit der
untersten Führer, das der Jnfanteriekampf heute bietet, wird auch bald den
Kampf der Feldartillerie charakterisieren. Die Einheitlichkeit wird dnrch Ver¬
einigung aller Geschütze und Gewehre auf den entscheidenden Teil des Gegners
wiederhergestellt. Die Aufgabe der ober" Führung besteht in dem richtigen
ersten Einsetzen der Kräfte, dem rechtzeitigen Einschiebett zurückgehaltner Kräfte
da, wo es ne der vorder" Linie not tut, und schließlich in der Beobachtung
und Überwachung des ganzen, um im rechten Augenblicke alle Kräfte auf
den Teil des Gegners, wo die Entscheidung fallen soll, zu vereinigen.

Das neue Exerzierreglement der Fnßartillerie bezeichnet die Aufgaben der
Artillerie mit folgenden kurzen Worten: "Die Fußartilleric soll im Verein mit
der Feldartillerie der Infanterie den Weg zum Siege bahnen." Näher aus¬
geführt wird dies an einer andern Stelle, wo es über den Angriff heißt:
"Die Fnßartillerie soll in erster Linie bei dem Niederkämpfen der feindlichen
Waffeuwirkuug, demnächst bei der Zerstörung der Deckungen und Annähernngs-
Hindernisse, endlich bei der Vorbereitung des Sturmes mitwirken." Über die
Tätigkeit in der Verteidigung wird an eiuer andern Stelle gesagt: "Die


Artillerickampf siegreich gebliebne Artillerie entscheidend mitwirken werde. Der
Kampf wird in Zukunft aber wohl anders verlaufen, insofern als die Feld¬
artillerie auf das Feuer der gegnerischen nicht mehr soviel Rücksicht z»
nehmen gezwungen sein wird als früher, sondern ihr Augenmerk von vorn¬
herein der entscheidenden Waffe, der feindlichen Infanterie, zuwenden wird.
Die stählernen Schutzschilde befähigen die Artillerie, viel näher als in frühern
Zeiten an die Infanterie heranzugehn und trotz des feindlichen Infanterie-
feuers ihren Kampf in wirksamer Weise fortzusetzen.

Die Bekämpfung der gegnerischen Artillerie wird zur Aufgabe der Fnß-
artillerie. Sie wird durch sorgsame Beobachtung und Erkundung, bei denen
auch dem Luftballon ein Teil der Arbeit zufallen wird, den Stand der feind¬
lichen Batterien, soweit sie nicht unmittelbar zu erkennen sind, aufsuchen und
sie dann mit Hilfe des Bogenschusses zu vernichten haben. Für diese Aufgabe
genügen die leichten Feldhaubitzeu uicht allein. Denn bei den großen
Schwierigkeiten, die das Beobachten und Treffen dieser Ziele bereitet, muß
man, um des Erfolges sicher zu sein, dafür sorgen, daß jeder Schuß, der
wirklich in die feindliche Batterie hineinkommt, dort auch eine gründliche Zer¬
störungsarbeit verrichtet. Das leisten aber nnr schwere Kaliber. Eine weitere
Folge dieser veränderten Verhältnisse wird die sein, daß die langen Artillerie-
linien, die man aus frühern Schlachten her kennt, und die noch bis vor kurzer
Zeit auf unsern Manöverfeldern zu sehe» waren, auch verschwinden werden.
Solche zusammenhängende Linien fordern die feindliche schwere Artillerie
geradezu heraus und werden ihr leicht zur Opfer fallen. Die Feldartillerie
wird sich vielmehr dem Vorbilde der Infanterie anzuschließen und sich in kleine
Verbände aufzulösen haben, die sich an das Gelände anschmiegend hier und
dort erscheinen. Das Bild scheinbarer Regellosigkeit, der Selbständigkeit der
untersten Führer, das der Jnfanteriekampf heute bietet, wird auch bald den
Kampf der Feldartillerie charakterisieren. Die Einheitlichkeit wird dnrch Ver¬
einigung aller Geschütze und Gewehre auf den entscheidenden Teil des Gegners
wiederhergestellt. Die Aufgabe der ober» Führung besteht in dem richtigen
ersten Einsetzen der Kräfte, dem rechtzeitigen Einschiebett zurückgehaltner Kräfte
da, wo es ne der vorder» Linie not tut, und schließlich in der Beobachtung
und Überwachung des ganzen, um im rechten Augenblicke alle Kräfte auf
den Teil des Gegners, wo die Entscheidung fallen soll, zu vereinigen.

Das neue Exerzierreglement der Fnßartillerie bezeichnet die Aufgaben der
Artillerie mit folgenden kurzen Worten: „Die Fußartilleric soll im Verein mit
der Feldartillerie der Infanterie den Weg zum Siege bahnen." Näher aus¬
geführt wird dies an einer andern Stelle, wo es über den Angriff heißt:
„Die Fnßartillerie soll in erster Linie bei dem Niederkämpfen der feindlichen
Waffeuwirkuug, demnächst bei der Zerstörung der Deckungen und Annähernngs-
Hindernisse, endlich bei der Vorbereitung des Sturmes mitwirken." Über die
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[0634] Artillerickampf siegreich gebliebne Artillerie entscheidend mitwirken werde. Der Kampf wird in Zukunft aber wohl anders verlaufen, insofern als die Feld¬ artillerie auf das Feuer der gegnerischen nicht mehr soviel Rücksicht z» nehmen gezwungen sein wird als früher, sondern ihr Augenmerk von vorn¬ herein der entscheidenden Waffe, der feindlichen Infanterie, zuwenden wird. Die stählernen Schutzschilde befähigen die Artillerie, viel näher als in frühern Zeiten an die Infanterie heranzugehn und trotz des feindlichen Infanterie- feuers ihren Kampf in wirksamer Weise fortzusetzen. Die Bekämpfung der gegnerischen Artillerie wird zur Aufgabe der Fnß- artillerie. Sie wird durch sorgsame Beobachtung und Erkundung, bei denen auch dem Luftballon ein Teil der Arbeit zufallen wird, den Stand der feind¬ lichen Batterien, soweit sie nicht unmittelbar zu erkennen sind, aufsuchen und sie dann mit Hilfe des Bogenschusses zu vernichten haben. Für diese Aufgabe genügen die leichten Feldhaubitzeu uicht allein. Denn bei den großen Schwierigkeiten, die das Beobachten und Treffen dieser Ziele bereitet, muß man, um des Erfolges sicher zu sein, dafür sorgen, daß jeder Schuß, der wirklich in die feindliche Batterie hineinkommt, dort auch eine gründliche Zer¬ störungsarbeit verrichtet. Das leisten aber nnr schwere Kaliber. Eine weitere Folge dieser veränderten Verhältnisse wird die sein, daß die langen Artillerie- linien, die man aus frühern Schlachten her kennt, und die noch bis vor kurzer Zeit auf unsern Manöverfeldern zu sehe» waren, auch verschwinden werden. Solche zusammenhängende Linien fordern die feindliche schwere Artillerie geradezu heraus und werden ihr leicht zur Opfer fallen. Die Feldartillerie wird sich vielmehr dem Vorbilde der Infanterie anzuschließen und sich in kleine Verbände aufzulösen haben, die sich an das Gelände anschmiegend hier und dort erscheinen. Das Bild scheinbarer Regellosigkeit, der Selbständigkeit der untersten Führer, das der Jnfanteriekampf heute bietet, wird auch bald den Kampf der Feldartillerie charakterisieren. Die Einheitlichkeit wird dnrch Ver¬ einigung aller Geschütze und Gewehre auf den entscheidenden Teil des Gegners wiederhergestellt. Die Aufgabe der ober» Führung besteht in dem richtigen ersten Einsetzen der Kräfte, dem rechtzeitigen Einschiebett zurückgehaltner Kräfte da, wo es ne der vorder» Linie not tut, und schließlich in der Beobachtung und Überwachung des ganzen, um im rechten Augenblicke alle Kräfte auf den Teil des Gegners, wo die Entscheidung fallen soll, zu vereinigen. Das neue Exerzierreglement der Fnßartillerie bezeichnet die Aufgaben der Artillerie mit folgenden kurzen Worten: „Die Fußartilleric soll im Verein mit der Feldartillerie der Infanterie den Weg zum Siege bahnen." Näher aus¬ geführt wird dies an einer andern Stelle, wo es über den Angriff heißt: „Die Fnßartillerie soll in erster Linie bei dem Niederkämpfen der feindlichen Waffeuwirkuug, demnächst bei der Zerstörung der Deckungen und Annähernngs- Hindernisse, endlich bei der Vorbereitung des Sturmes mitwirken." Über die Tätigkeit in der Verteidigung wird an eiuer andern Stelle gesagt: „Die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/634>, abgerufen am 25.08.2024.