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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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her das Ziel trifft. Ein Mittelding zwischen Kanone und Mörser ist die
Haubitze, ein Geschütz mit mittellangem Rohr, das je nach Ziel und Zweck mit
größerer oder kleinerer Pulverladung und entsprechend umgekehrt mit kleinerm
oder größerm Erhöhnngswinkel und flacherer oder steilerer Geschoßbahn feuert.
Das, Mörser und Haubitze vortrefflich geeignet sind, Ziele hinter Deckungen zu
erreiche", ist ohne weiteres klar, ihre übrigen Eigenschaften schließen aber ihre
Verwendung als einziges oder auch nur als hauptsächlichstes Feldgeschütz aus.
Denn von einem solchen muß vor allen Dingen große Wirkung gegen beweg¬
liche Ziele, also gegen schnell vorgehende Infanterie oder Kavallerie, gegen
Geschütze oder Maschinengewehre in der Bewegung verlangt werden. Alle solche
Ziele sind aber heutzutage meist nur ganz kurze Zeit sichtbar. Um sie zu
fassen, bedarf es daher eines schnell schießenden, schnell zu bedienenden Ge¬
schützes. Hierbei versagen Haubitze und Mörser, weil ihre Bedienung weit
umständlicher und zeitraubender ist als die der Kanone. Ferner ist es leicht
einzusehen, daß bei einem Geschütz mit flachgestreckter Flughahn alle die unvermeid¬
lichen -- namentlich in aufregenden Momenten besonders häufigen -- Fehler
bei der Entfernnngsermittlung und beim Richte" und schließlich auch die
Strenuug des Geschützes viel weniger schädlich sind als bei einer stark gekrümmte"
Flughahn, daß also die Treffwahrscheinlichkcit viel größer ist. Darin liegt ja
auch der Vorteil der modernen rasant schießenden Jufanteriegewehrc vor den
ältern mit rauchendem Schwarzpulver geladne" Gewehren. Die Kanone wird
also ihre Stellung als wichtigstes Feldgeschütz stets behaupten. Es ist aber
weiterhin sehr wünschenswert, möglichst wenig verschiedne Waffentype" bei der
Armee, besonders im Feldkriegc zu habe". Nicht nur wird die Ausbildung
dadurch vereinfacht, sondern die gegenseitige Aushilfe verschiedner Truppenteile
mit Mannschaften, Munition, Ergänzungsteilcu und allem möglichen sonstigen
Material, wovon im Kriege, wenn irgendwo der Nachschub stockt, sehr viel
abhängen kann, ist nur möglich, wenn alles zueinander paßt. Das wünschens¬
werte Ideal ist ein. Einheitsgeschütz, das allen Aufgaben gewachsen ist. Als
"in" daher in Deutschland erkannte, daß die Feldkcmone gegen Ziele hinter
Deckungen keine Wirkung habe, entschloß man sich, um uicht zwei Geschütze
einführen zu müssen, zu Änderungen an der Munition der Feldkanone.

Im Jahre 1870 schoß unsre Artillerie -- abgesehen von Kartätschen, einem
groben Schrotschuß zur Abwehr von Nahangriffen feindlicher Infanterie und
Kavallerie -- ausschließlich mit Granaten, das heißt einem gußeisernen Hohl¬
geschoß, das mit Pulver gefüllt war und an der Spitze einen Zünder hatte,
der beim Aufschlagen auf den Boden das Geschoß zum "krepieren" brachte.
Außer diesen Aufschlagzündern gab es schon damals Brennzünder oder Zeit¬
zünder, das heißt Zünder, die vor dein Abfeuern des Schusses für eine bestimmte
Zeit eingestellt wurden und das Geschoß nach Ablauf dieser Zeit in der Luft
^ur Explosion brachten. Die Konstruktion dieser Zünder war aber 1870 noch
sehr unvollkommen, sodaß die französische Artillerie, die sie vielfach benutzte,


her das Ziel trifft. Ein Mittelding zwischen Kanone und Mörser ist die
Haubitze, ein Geschütz mit mittellangem Rohr, das je nach Ziel und Zweck mit
größerer oder kleinerer Pulverladung und entsprechend umgekehrt mit kleinerm
oder größerm Erhöhnngswinkel und flacherer oder steilerer Geschoßbahn feuert.
Das, Mörser und Haubitze vortrefflich geeignet sind, Ziele hinter Deckungen zu
erreiche», ist ohne weiteres klar, ihre übrigen Eigenschaften schließen aber ihre
Verwendung als einziges oder auch nur als hauptsächlichstes Feldgeschütz aus.
Denn von einem solchen muß vor allen Dingen große Wirkung gegen beweg¬
liche Ziele, also gegen schnell vorgehende Infanterie oder Kavallerie, gegen
Geschütze oder Maschinengewehre in der Bewegung verlangt werden. Alle solche
Ziele sind aber heutzutage meist nur ganz kurze Zeit sichtbar. Um sie zu
fassen, bedarf es daher eines schnell schießenden, schnell zu bedienenden Ge¬
schützes. Hierbei versagen Haubitze und Mörser, weil ihre Bedienung weit
umständlicher und zeitraubender ist als die der Kanone. Ferner ist es leicht
einzusehen, daß bei einem Geschütz mit flachgestreckter Flughahn alle die unvermeid¬
lichen — namentlich in aufregenden Momenten besonders häufigen — Fehler
bei der Entfernnngsermittlung und beim Richte» und schließlich auch die
Strenuug des Geschützes viel weniger schädlich sind als bei einer stark gekrümmte»
Flughahn, daß also die Treffwahrscheinlichkcit viel größer ist. Darin liegt ja
auch der Vorteil der modernen rasant schießenden Jufanteriegewehrc vor den
ältern mit rauchendem Schwarzpulver geladne» Gewehren. Die Kanone wird
also ihre Stellung als wichtigstes Feldgeschütz stets behaupten. Es ist aber
weiterhin sehr wünschenswert, möglichst wenig verschiedne Waffentype» bei der
Armee, besonders im Feldkriegc zu habe». Nicht nur wird die Ausbildung
dadurch vereinfacht, sondern die gegenseitige Aushilfe verschiedner Truppenteile
mit Mannschaften, Munition, Ergänzungsteilcu und allem möglichen sonstigen
Material, wovon im Kriege, wenn irgendwo der Nachschub stockt, sehr viel
abhängen kann, ist nur möglich, wenn alles zueinander paßt. Das wünschens¬
werte Ideal ist ein. Einheitsgeschütz, das allen Aufgaben gewachsen ist. Als
»in» daher in Deutschland erkannte, daß die Feldkcmone gegen Ziele hinter
Deckungen keine Wirkung habe, entschloß man sich, um uicht zwei Geschütze
einführen zu müssen, zu Änderungen an der Munition der Feldkanone.

Im Jahre 1870 schoß unsre Artillerie — abgesehen von Kartätschen, einem
groben Schrotschuß zur Abwehr von Nahangriffen feindlicher Infanterie und
Kavallerie — ausschließlich mit Granaten, das heißt einem gußeisernen Hohl¬
geschoß, das mit Pulver gefüllt war und an der Spitze einen Zünder hatte,
der beim Aufschlagen auf den Boden das Geschoß zum „krepieren" brachte.
Außer diesen Aufschlagzündern gab es schon damals Brennzünder oder Zeit¬
zünder, das heißt Zünder, die vor dein Abfeuern des Schusses für eine bestimmte
Zeit eingestellt wurden und das Geschoß nach Ablauf dieser Zeit in der Luft
^ur Explosion brachten. Die Konstruktion dieser Zünder war aber 1870 noch
sehr unvollkommen, sodaß die französische Artillerie, die sie vielfach benutzte,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/631>, abgerufen am 12.12.2024.