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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Ronda

bei solchen Gelegenheiten oft Eifersuchtsdramen vor, denn der Dolch sitzt dem
heißblütigen Andalusier lose im Gürtel, und manches frohe Fest endet mit
einer Bluttat.'

Nirgends kann man besser andalusisches Volksleben in seiner vollen Ori¬
ginalität sehn wie auf der Messe -- terea -. zu der besonders einfache Leute
von allen Richtungen der Windrose hier nach Ronda zusammenströmen, und
dann auch beim Stierkampf, wo der Maultiertreiber so gut erscheint wie der
"Conde". der von seinem Schloß in den Bergen herkommt. Der Stierzirkus
Rondas ist berühmt. Mit einer Vorstellung darin wird die Messe eingeleitet,
und alles freut sich, wie die Kinder auf Weihnachten, in Erwartung des auf¬
regenden Schauspiels.

Der Fremde, der sich nur schweren Herzens dazu entschlossen hat. dieser
barbarischen Volksbelustigung beizuwohnen, genießt zunächst ein interessantes
Schauspiel, das nicht auf die Nerven geht, vor Beginn der Vorstellung. Das
Auge erfreut sich an einer reichen Fülle schöner, glutäugiger Mädchen und
Frauen, die mit Eifer ihre Fächer schwenken, was in der dichtgedrängten
Menge an das Wogen des Meeres gemahnt. Man legt zum Stierkampf ein
vorschriftsmäßiges Kostüm an. Das hochfrisierte Haar wird mit einem
prächtigen Riesenkamm in der Mitte des Kopfes gekrönt, davor steckt eme
Reihe frischer Rosen in rot und gelb -- den spanischen Farben --. das Ganze
ist durch eine kostbare Mantilla von weißer Blondenspitze halb verschleiert.
Diese Hülle setzt sich an der Taille fort, die von den wogenden Falten mantel¬
artig umschlossen wird. Das schwere, weißseidne Schaltuch mit langen Fransen,
das bei Tänzerinnen niemals fehlt, gehört eigentlich auch hierher. Aber es
ist in Spanien, außer bei Vorstellungen, nicht mehr zeitgemäß. Doch nehmen
die eleganten, jungen Damen dieses Tuch -- dem Brauch entsprechend -- in
die Arena mit und hängen es ausgebreitet über die Logenbrüstung, was eine
ganz reizende Folie für die brünetten Schönheiten abgibt.

Unruhig hat die Menge oft nach der Loge des Alkalden geblickt, der erst
die Erlaubnis zum Beginn des Kampfspiels geben muß. Endlich erscheint er.
v°n Musikfanfaren begrüßt. Dann treten in der mit Sand bestreuten Arena
Zwei Herolde auf. denen vier Picadores zu Pferde folgen. Sie tragen gelbe
unde Mützen, ein mittelalterliches Wams und gelbe Lederhosen. Unter dem
Anzüge ist eine vollständige Stahlrüstung verborgen, die an den Fußen, die
durch kastenartige, dreieckige Metallhülsen geschützt sind, zutage tritt. Die Waffe
ist ein langer Stab mit eiserner Spitze. Es folgen im Zuge sechs Capadores.
die die Aufgabe haben, ihre Mäntel zu schwenken, um die Matadore bei
gefahrdrohenden Angriffen des Stieres zu schützen, indem sie das Tier ablenken.
Es folgen alsdann vier Banderilleros, die kurze mit farbigen Bändern um-
wundne Stäbe tragen, die mit Widerhaken versehen sind. Den Schluß machen
Swei Matadore - die eigentlichen Kämpfer, deren jeder sechs der unglücklichen
Stiere, die nacheinander auf dem Kampfplatze erscheinen, zu erstechen hat.


Ronda

bei solchen Gelegenheiten oft Eifersuchtsdramen vor, denn der Dolch sitzt dem
heißblütigen Andalusier lose im Gürtel, und manches frohe Fest endet mit
einer Bluttat.'

Nirgends kann man besser andalusisches Volksleben in seiner vollen Ori¬
ginalität sehn wie auf der Messe — terea -. zu der besonders einfache Leute
von allen Richtungen der Windrose hier nach Ronda zusammenströmen, und
dann auch beim Stierkampf, wo der Maultiertreiber so gut erscheint wie der
„Conde". der von seinem Schloß in den Bergen herkommt. Der Stierzirkus
Rondas ist berühmt. Mit einer Vorstellung darin wird die Messe eingeleitet,
und alles freut sich, wie die Kinder auf Weihnachten, in Erwartung des auf¬
regenden Schauspiels.

Der Fremde, der sich nur schweren Herzens dazu entschlossen hat. dieser
barbarischen Volksbelustigung beizuwohnen, genießt zunächst ein interessantes
Schauspiel, das nicht auf die Nerven geht, vor Beginn der Vorstellung. Das
Auge erfreut sich an einer reichen Fülle schöner, glutäugiger Mädchen und
Frauen, die mit Eifer ihre Fächer schwenken, was in der dichtgedrängten
Menge an das Wogen des Meeres gemahnt. Man legt zum Stierkampf ein
vorschriftsmäßiges Kostüm an. Das hochfrisierte Haar wird mit einem
prächtigen Riesenkamm in der Mitte des Kopfes gekrönt, davor steckt eme
Reihe frischer Rosen in rot und gelb — den spanischen Farben —. das Ganze
ist durch eine kostbare Mantilla von weißer Blondenspitze halb verschleiert.
Diese Hülle setzt sich an der Taille fort, die von den wogenden Falten mantel¬
artig umschlossen wird. Das schwere, weißseidne Schaltuch mit langen Fransen,
das bei Tänzerinnen niemals fehlt, gehört eigentlich auch hierher. Aber es
ist in Spanien, außer bei Vorstellungen, nicht mehr zeitgemäß. Doch nehmen
die eleganten, jungen Damen dieses Tuch — dem Brauch entsprechend — in
die Arena mit und hängen es ausgebreitet über die Logenbrüstung, was eine
ganz reizende Folie für die brünetten Schönheiten abgibt.

Unruhig hat die Menge oft nach der Loge des Alkalden geblickt, der erst
die Erlaubnis zum Beginn des Kampfspiels geben muß. Endlich erscheint er.
v°n Musikfanfaren begrüßt. Dann treten in der mit Sand bestreuten Arena
Zwei Herolde auf. denen vier Picadores zu Pferde folgen. Sie tragen gelbe
unde Mützen, ein mittelalterliches Wams und gelbe Lederhosen. Unter dem
Anzüge ist eine vollständige Stahlrüstung verborgen, die an den Fußen, die
durch kastenartige, dreieckige Metallhülsen geschützt sind, zutage tritt. Die Waffe
ist ein langer Stab mit eiserner Spitze. Es folgen im Zuge sechs Capadores.
die die Aufgabe haben, ihre Mäntel zu schwenken, um die Matadore bei
gefahrdrohenden Angriffen des Stieres zu schützen, indem sie das Tier ablenken.
Es folgen alsdann vier Banderilleros, die kurze mit farbigen Bändern um-
wundne Stäbe tragen, die mit Widerhaken versehen sind. Den Schluß machen
Swei Matadore - die eigentlichen Kämpfer, deren jeder sechs der unglücklichen
Stiere, die nacheinander auf dem Kampfplatze erscheinen, zu erstechen hat.


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[0555] Ronda bei solchen Gelegenheiten oft Eifersuchtsdramen vor, denn der Dolch sitzt dem heißblütigen Andalusier lose im Gürtel, und manches frohe Fest endet mit einer Bluttat.' Nirgends kann man besser andalusisches Volksleben in seiner vollen Ori¬ ginalität sehn wie auf der Messe — terea -. zu der besonders einfache Leute von allen Richtungen der Windrose hier nach Ronda zusammenströmen, und dann auch beim Stierkampf, wo der Maultiertreiber so gut erscheint wie der „Conde". der von seinem Schloß in den Bergen herkommt. Der Stierzirkus Rondas ist berühmt. Mit einer Vorstellung darin wird die Messe eingeleitet, und alles freut sich, wie die Kinder auf Weihnachten, in Erwartung des auf¬ regenden Schauspiels. Der Fremde, der sich nur schweren Herzens dazu entschlossen hat. dieser barbarischen Volksbelustigung beizuwohnen, genießt zunächst ein interessantes Schauspiel, das nicht auf die Nerven geht, vor Beginn der Vorstellung. Das Auge erfreut sich an einer reichen Fülle schöner, glutäugiger Mädchen und Frauen, die mit Eifer ihre Fächer schwenken, was in der dichtgedrängten Menge an das Wogen des Meeres gemahnt. Man legt zum Stierkampf ein vorschriftsmäßiges Kostüm an. Das hochfrisierte Haar wird mit einem prächtigen Riesenkamm in der Mitte des Kopfes gekrönt, davor steckt eme Reihe frischer Rosen in rot und gelb — den spanischen Farben —. das Ganze ist durch eine kostbare Mantilla von weißer Blondenspitze halb verschleiert. Diese Hülle setzt sich an der Taille fort, die von den wogenden Falten mantel¬ artig umschlossen wird. Das schwere, weißseidne Schaltuch mit langen Fransen, das bei Tänzerinnen niemals fehlt, gehört eigentlich auch hierher. Aber es ist in Spanien, außer bei Vorstellungen, nicht mehr zeitgemäß. Doch nehmen die eleganten, jungen Damen dieses Tuch — dem Brauch entsprechend — in die Arena mit und hängen es ausgebreitet über die Logenbrüstung, was eine ganz reizende Folie für die brünetten Schönheiten abgibt. Unruhig hat die Menge oft nach der Loge des Alkalden geblickt, der erst die Erlaubnis zum Beginn des Kampfspiels geben muß. Endlich erscheint er. v°n Musikfanfaren begrüßt. Dann treten in der mit Sand bestreuten Arena Zwei Herolde auf. denen vier Picadores zu Pferde folgen. Sie tragen gelbe unde Mützen, ein mittelalterliches Wams und gelbe Lederhosen. Unter dem Anzüge ist eine vollständige Stahlrüstung verborgen, die an den Fußen, die durch kastenartige, dreieckige Metallhülsen geschützt sind, zutage tritt. Die Waffe ist ein langer Stab mit eiserner Spitze. Es folgen im Zuge sechs Capadores. die die Aufgabe haben, ihre Mäntel zu schwenken, um die Matadore bei gefahrdrohenden Angriffen des Stieres zu schützen, indem sie das Tier ablenken. Es folgen alsdann vier Banderilleros, die kurze mit farbigen Bändern um- wundne Stäbe tragen, die mit Widerhaken versehen sind. Den Schluß machen Swei Matadore - die eigentlichen Kämpfer, deren jeder sechs der unglücklichen Stiere, die nacheinander auf dem Kampfplatze erscheinen, zu erstechen hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/555>, abgerufen am 12.12.2024.