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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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ungerechterweise den Rondas verdunkelt, aber der unbefangne Beobachter
kann den Eindruck, den das wilde Felsental des reißenden Guadinro bei
Ronda auf ihn ausübt, getrost mit dem Bilde vergleichen, das ihm der Blick
von dem Velaturm der Alhambra gewährt. Düstere, halbzerfallne Maureu-
burgen in der Altstadt Rondas versetzen uns in die Märchenwelt der Araber
und erinnern uns daran, daß die Stadt, die heute kaum 20000 Einwohner
hat, einst eine der glänzendsten und wichtigsten Städte der iberischen Halb¬
insel war.

Die lange Abgeschiedenheit hat zum Teil noch die Erhaltung der
Nationaltracht bewirkt, in der besonders die benachbarte Landbevölkerung sehr
malerisch aussieht. Reiter in Majotracht, die aus dem Gebirge kommen, ver¬
körpern in ihren kraftvollen Gestalten und ihrem selbstbewußten Auftreten so
recht den "stolzen Spanier". Die brenne, offne Samtjacke, die mit Zieraten
geschmückt ist, die bunte Seidenschürpe und der große, gerade Filzhut steht
ihm anch ausgezeichnet gut. Niemals fehlen Stilet und Pistolen im Gürtel,
mit denen sich viele der Landleute, die auch Schmuggler sind und von
Gibraltar her Waren herübertransportieren, ihrer Haut wehren. Die Ränbcr-
romantik, die in der ganzen Pyrenücnhalbinsel von den Zeiten des Cervantes
bis auf den heutigen Tag durch die Poesie verherrlicht wird, blüht hier noch
in Wirklichkeit. Eine stattliche Menge von Soldaten, der Gendarmerie an¬
gehörend, "Zivilgarde" genannt, die man in Stadt und Umgegend antrifft,
macht nicht gerade den Eindruck, als ob sie den Gesetzesübertretern im Ernstfall
gar zu scharf zu Leibe gehen würde.

Bevor wir uns auf dem Eisenbahnwege Ronda nähern, durchstreifen wir
einen Teil Andalusiens, der alles vereint, was die pyrenäische Halbinsel zer¬
streut besitzt. Wir fliegen an Baumwollen- und Zuckerrohrpflanzungen vorbei,
an Orangengärten, Mais-, Weizen- und Roggenfelder", an Kastanien-, Eichen-
und Ölbanmwäldern, an Cistusheiden und grünen Viehtriften, an Wein- und
Obstplantagen. Wir haben, von Bobadilla kommend, die letzten nördlichen Aus¬
läufer des südandalusischen Berglandes bei Teba berührt -- einem Städtchen,
das uns an die Kaiserin Eugenie erinnert, da sie den Grafentitel in Ver¬
bindung mit diesem Namen führte. Dann geht es weiter über Almargen, wo
wir in einiger Entfernung das Hügelland gewahren, das eine günstige Folie
für das Flußtal des Guadalete bildet, durch das der Zug eilt, um südlich
zwischen Kalkbergen in der Hochebne des sendern aufwärts zu steigen. An
träumerischen kleinen Seen vorbei, dnrch Korkeichenwülder führt uns der Weg
zuletzt auf die "Vega" von Ronda, die von Bergen eingeschlossen ist, und wir
haben die Stadt erreicht, die, wie wir auf den ersten Blick erkennen, ihrer
hohen, gesunden Lage wegen zur Sommerfrische sehr geeignet ist. Besonders
die Einwohner von Gibraltar suchen Ronda gern zu diesem Zwecke auf.

Vom Bahnhof kommend sehen wir zunächst den weniger interessante"
Teil, die Neustadt, Mercadillo, mit schmucklosen weißen Häusern. Wir müsse"


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ungerechterweise den Rondas verdunkelt, aber der unbefangne Beobachter
kann den Eindruck, den das wilde Felsental des reißenden Guadinro bei
Ronda auf ihn ausübt, getrost mit dem Bilde vergleichen, das ihm der Blick
von dem Velaturm der Alhambra gewährt. Düstere, halbzerfallne Maureu-
burgen in der Altstadt Rondas versetzen uns in die Märchenwelt der Araber
und erinnern uns daran, daß die Stadt, die heute kaum 20000 Einwohner
hat, einst eine der glänzendsten und wichtigsten Städte der iberischen Halb¬
insel war.

Die lange Abgeschiedenheit hat zum Teil noch die Erhaltung der
Nationaltracht bewirkt, in der besonders die benachbarte Landbevölkerung sehr
malerisch aussieht. Reiter in Majotracht, die aus dem Gebirge kommen, ver¬
körpern in ihren kraftvollen Gestalten und ihrem selbstbewußten Auftreten so
recht den „stolzen Spanier". Die brenne, offne Samtjacke, die mit Zieraten
geschmückt ist, die bunte Seidenschürpe und der große, gerade Filzhut steht
ihm anch ausgezeichnet gut. Niemals fehlen Stilet und Pistolen im Gürtel,
mit denen sich viele der Landleute, die auch Schmuggler sind und von
Gibraltar her Waren herübertransportieren, ihrer Haut wehren. Die Ränbcr-
romantik, die in der ganzen Pyrenücnhalbinsel von den Zeiten des Cervantes
bis auf den heutigen Tag durch die Poesie verherrlicht wird, blüht hier noch
in Wirklichkeit. Eine stattliche Menge von Soldaten, der Gendarmerie an¬
gehörend, „Zivilgarde" genannt, die man in Stadt und Umgegend antrifft,
macht nicht gerade den Eindruck, als ob sie den Gesetzesübertretern im Ernstfall
gar zu scharf zu Leibe gehen würde.

Bevor wir uns auf dem Eisenbahnwege Ronda nähern, durchstreifen wir
einen Teil Andalusiens, der alles vereint, was die pyrenäische Halbinsel zer¬
streut besitzt. Wir fliegen an Baumwollen- und Zuckerrohrpflanzungen vorbei,
an Orangengärten, Mais-, Weizen- und Roggenfelder», an Kastanien-, Eichen-
und Ölbanmwäldern, an Cistusheiden und grünen Viehtriften, an Wein- und
Obstplantagen. Wir haben, von Bobadilla kommend, die letzten nördlichen Aus¬
läufer des südandalusischen Berglandes bei Teba berührt — einem Städtchen,
das uns an die Kaiserin Eugenie erinnert, da sie den Grafentitel in Ver¬
bindung mit diesem Namen führte. Dann geht es weiter über Almargen, wo
wir in einiger Entfernung das Hügelland gewahren, das eine günstige Folie
für das Flußtal des Guadalete bildet, durch das der Zug eilt, um südlich
zwischen Kalkbergen in der Hochebne des sendern aufwärts zu steigen. An
träumerischen kleinen Seen vorbei, dnrch Korkeichenwülder führt uns der Weg
zuletzt auf die „Vega" von Ronda, die von Bergen eingeschlossen ist, und wir
haben die Stadt erreicht, die, wie wir auf den ersten Blick erkennen, ihrer
hohen, gesunden Lage wegen zur Sommerfrische sehr geeignet ist. Besonders
die Einwohner von Gibraltar suchen Ronda gern zu diesem Zwecke auf.

Vom Bahnhof kommend sehen wir zunächst den weniger interessante»
Teil, die Neustadt, Mercadillo, mit schmucklosen weißen Häusern. Wir müsse»


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[0552] Aorta ungerechterweise den Rondas verdunkelt, aber der unbefangne Beobachter kann den Eindruck, den das wilde Felsental des reißenden Guadinro bei Ronda auf ihn ausübt, getrost mit dem Bilde vergleichen, das ihm der Blick von dem Velaturm der Alhambra gewährt. Düstere, halbzerfallne Maureu- burgen in der Altstadt Rondas versetzen uns in die Märchenwelt der Araber und erinnern uns daran, daß die Stadt, die heute kaum 20000 Einwohner hat, einst eine der glänzendsten und wichtigsten Städte der iberischen Halb¬ insel war. Die lange Abgeschiedenheit hat zum Teil noch die Erhaltung der Nationaltracht bewirkt, in der besonders die benachbarte Landbevölkerung sehr malerisch aussieht. Reiter in Majotracht, die aus dem Gebirge kommen, ver¬ körpern in ihren kraftvollen Gestalten und ihrem selbstbewußten Auftreten so recht den „stolzen Spanier". Die brenne, offne Samtjacke, die mit Zieraten geschmückt ist, die bunte Seidenschürpe und der große, gerade Filzhut steht ihm anch ausgezeichnet gut. Niemals fehlen Stilet und Pistolen im Gürtel, mit denen sich viele der Landleute, die auch Schmuggler sind und von Gibraltar her Waren herübertransportieren, ihrer Haut wehren. Die Ränbcr- romantik, die in der ganzen Pyrenücnhalbinsel von den Zeiten des Cervantes bis auf den heutigen Tag durch die Poesie verherrlicht wird, blüht hier noch in Wirklichkeit. Eine stattliche Menge von Soldaten, der Gendarmerie an¬ gehörend, „Zivilgarde" genannt, die man in Stadt und Umgegend antrifft, macht nicht gerade den Eindruck, als ob sie den Gesetzesübertretern im Ernstfall gar zu scharf zu Leibe gehen würde. Bevor wir uns auf dem Eisenbahnwege Ronda nähern, durchstreifen wir einen Teil Andalusiens, der alles vereint, was die pyrenäische Halbinsel zer¬ streut besitzt. Wir fliegen an Baumwollen- und Zuckerrohrpflanzungen vorbei, an Orangengärten, Mais-, Weizen- und Roggenfelder», an Kastanien-, Eichen- und Ölbanmwäldern, an Cistusheiden und grünen Viehtriften, an Wein- und Obstplantagen. Wir haben, von Bobadilla kommend, die letzten nördlichen Aus¬ läufer des südandalusischen Berglandes bei Teba berührt — einem Städtchen, das uns an die Kaiserin Eugenie erinnert, da sie den Grafentitel in Ver¬ bindung mit diesem Namen führte. Dann geht es weiter über Almargen, wo wir in einiger Entfernung das Hügelland gewahren, das eine günstige Folie für das Flußtal des Guadalete bildet, durch das der Zug eilt, um südlich zwischen Kalkbergen in der Hochebne des sendern aufwärts zu steigen. An träumerischen kleinen Seen vorbei, dnrch Korkeichenwülder führt uns der Weg zuletzt auf die „Vega" von Ronda, die von Bergen eingeschlossen ist, und wir haben die Stadt erreicht, die, wie wir auf den ersten Blick erkennen, ihrer hohen, gesunden Lage wegen zur Sommerfrische sehr geeignet ist. Besonders die Einwohner von Gibraltar suchen Ronda gern zu diesem Zwecke auf. Vom Bahnhof kommend sehen wir zunächst den weniger interessante» Teil, die Neustadt, Mercadillo, mit schmucklosen weißen Häusern. Wir müsse»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/552>, abgerufen am 03.07.2024.