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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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dem er verhältnismäßig liebenswürdige Züge gibt, ist Asilus -- und warum?
weil dieser in seinem nationalen Empfinden unzuverlässig ist. Er ähnelt darin
dem grotesken und halb unzurechnungsfähigen Nolovli von Prevost. Würde
sich Asmus als Franzose so widerstandslos gegen ausländische Einflüsse zeigen,
so würde er von Barres als Verräter gebrandmarkt werden. Dabei wollen wir
keineswegs die Gedanken des Asmus als durchaus falsch bezeichnen. Ein
Deutscher kann daheim solche Ansichten haben und ansprechen; er kann sich
"und in Paris zu solchen Anschauungen bekennen, ohne sie Franzosen gegenüber
zu betonen. Lothringischer Boden ist aber Kampfbodcn. In seiner schönen
Scheurer-Kestner-Rede hat Clemeuccau sehr treffend von deu Bewohnern jener
Marken gesprochen, die alle Zeit streitbar und kriegslustig waren. Der
Deutsche.'der nach Metz geht, ist ein Soldat des Deutschtums, und wenn er
an dieser gefährdeten Stelle seine Parteinahme für die Protestler so ..affichiert",
wenn er sich dort den erbitterten Gegnern seines Volks so zärtlich in
die Arme wirft, begeht er Fahnenflucht. Der Metzerin wird es leicht, dem
Deutschen zu entsagen, denn sie hat ihn in Wahrheit niemals geliebt. Aber
much wen,/sie von Leidenschaft für Asmus ergriffen wäre, würde Barres sie
eine Ehe mit dem Prussien ablehnen lassen. Dein Dentschen aber kommt der
Gedanke überhaupt nicht, daß patriotische Bedenken zwischen ihm und der
Geliebten stehen könnten! Er ist eben der Französin auch in dieser Beziehung
nicht gleichwertig. Damit verliert aber der ganze Roman seine überzeugende
Kraft. Das Franzosentum findet gar keinen ebenbürtigen Gegner bei Barres,
man kann daher auch nicht sagen, das? das Franzosentum siegt, denn ein Sieg
setzt doch einen Kampf voraus. Asilus aber kämpft nicht; er unterwirft sich.
Wir haben mehr als einmal Deutsche deu Satz aussprechen hören, daß man
die Franzosen wie die Frauen gar nicht schlecht genug behandeln könne, um
sich ihre Liebe zu erwerben. Wir halten diese Behauptung in beiden Teilen
f"r unsinnig. Ebenso unsinnig ist es aber, sich dem Franzosentum gefangen¬
zugeben und ihm zu schmeicheln. Was würden wir erreichen, wenn wir den
Rezepten des Asmus in der Behandlung Lothringens folgten? Wir würden
den Beifall des Herrn Barres finden, der drohend fragt, wie lange Frankreich
noch das stille Heldentum der Lothringer ansehn werde, ohne ihm zu Hilfe
zu kommen. Asmus arbeitet also nur deu Revauchemünnern in die Hand. Unser
Deutschtum verbietet uns nicht, die stärksten Sympathien für das französische
Aott und französisches Leben zu haben. In Lothringen aber - so sagt der
"pnngermanistischc" Gegner des Asmus bei Barres durchaus mit Recht -- muß
'"an wählen: für Deutschland oder für Frankreich! Und da gibt es für uns
ebensowenig eine Wahl wie für die Lothringerin Colette Bandoche.




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dem er verhältnismäßig liebenswürdige Züge gibt, ist Asilus — und warum?
weil dieser in seinem nationalen Empfinden unzuverlässig ist. Er ähnelt darin
dem grotesken und halb unzurechnungsfähigen Nolovli von Prevost. Würde
sich Asmus als Franzose so widerstandslos gegen ausländische Einflüsse zeigen,
so würde er von Barres als Verräter gebrandmarkt werden. Dabei wollen wir
keineswegs die Gedanken des Asmus als durchaus falsch bezeichnen. Ein
Deutscher kann daheim solche Ansichten haben und ansprechen; er kann sich
«und in Paris zu solchen Anschauungen bekennen, ohne sie Franzosen gegenüber
zu betonen. Lothringischer Boden ist aber Kampfbodcn. In seiner schönen
Scheurer-Kestner-Rede hat Clemeuccau sehr treffend von deu Bewohnern jener
Marken gesprochen, die alle Zeit streitbar und kriegslustig waren. Der
Deutsche.'der nach Metz geht, ist ein Soldat des Deutschtums, und wenn er
an dieser gefährdeten Stelle seine Parteinahme für die Protestler so ..affichiert",
wenn er sich dort den erbitterten Gegnern seines Volks so zärtlich in
die Arme wirft, begeht er Fahnenflucht. Der Metzerin wird es leicht, dem
Deutschen zu entsagen, denn sie hat ihn in Wahrheit niemals geliebt. Aber
much wen,/sie von Leidenschaft für Asmus ergriffen wäre, würde Barres sie
eine Ehe mit dem Prussien ablehnen lassen. Dein Dentschen aber kommt der
Gedanke überhaupt nicht, daß patriotische Bedenken zwischen ihm und der
Geliebten stehen könnten! Er ist eben der Französin auch in dieser Beziehung
nicht gleichwertig. Damit verliert aber der ganze Roman seine überzeugende
Kraft. Das Franzosentum findet gar keinen ebenbürtigen Gegner bei Barres,
man kann daher auch nicht sagen, das? das Franzosentum siegt, denn ein Sieg
setzt doch einen Kampf voraus. Asilus aber kämpft nicht; er unterwirft sich.
Wir haben mehr als einmal Deutsche deu Satz aussprechen hören, daß man
die Franzosen wie die Frauen gar nicht schlecht genug behandeln könne, um
sich ihre Liebe zu erwerben. Wir halten diese Behauptung in beiden Teilen
f"r unsinnig. Ebenso unsinnig ist es aber, sich dem Franzosentum gefangen¬
zugeben und ihm zu schmeicheln. Was würden wir erreichen, wenn wir den
Rezepten des Asmus in der Behandlung Lothringens folgten? Wir würden
den Beifall des Herrn Barres finden, der drohend fragt, wie lange Frankreich
noch das stille Heldentum der Lothringer ansehn werde, ohne ihm zu Hilfe
zu kommen. Asmus arbeitet also nur deu Revauchemünnern in die Hand. Unser
Deutschtum verbietet uns nicht, die stärksten Sympathien für das französische
Aott und französisches Leben zu haben. In Lothringen aber - so sagt der
"pnngermanistischc" Gegner des Asmus bei Barres durchaus mit Recht — muß
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ebensowenig eine Wahl wie für die Lothringerin Colette Bandoche.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/513>, abgerufen am 23.07.2024.