Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.Die pflanzen der Riviera Völlig zusagend, da sie in manchen Wintern durch Frost und Schnee zu leiden Die Limone blüht fortgesetzt und bringt das ganze Jahr hindurch Früchte. Die pflanzen der Riviera Völlig zusagend, da sie in manchen Wintern durch Frost und Schnee zu leiden Die Limone blüht fortgesetzt und bringt das ganze Jahr hindurch Früchte. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0460" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312811"/> <fw type="header" place="top"> Die pflanzen der Riviera</fw><lb/> <p xml:id="ID_1752" prev="#ID_1751"> Völlig zusagend, da sie in manchen Wintern durch Frost und Schnee zu leiden<lb/> haben. Man überdeckt sie deshalb dort im Winter sorgfältig mit Strohmatten,<lb/> während sie an der Riviera ohne Schutzvorrichtungen durch den Winter kommen.<lb/> Wäre aber die Riviera nicht gegen Norden von der hohen Kette der Seealpen<lb/> abgeschlossen, so würde die Kultur der Orangen in dieser geographischen Breite<lb/> nicht möglich sein. An zahlreichen Stellen zwischen Savona und Nizza ge¬<lb/> deihen sie sogar ebensogut wie in Neapel, während man sie sonst in Ober-<lb/> und Mittelitalien nicht antrifft. Das Bild dieser Gewächse in Verbindung mit<lb/> dem der Zypressen und Pinien ist in unsrer Phantasie so eng mit dem des<lb/> Südens verknüpft, daß wir uns Italien nicht anders als im Glänze der Gold¬<lb/> orangen vorstellen können, wozu wohl am meisten Goethes Mignonlied bei¬<lb/> getragen hat. So sehr die Orangen und Zitronen in die Landschaft Italiens<lb/> Hineinzugehören scheinen, so sind sie doch nur auf einen bestimmten Teil<lb/> dieses Landes beschränkt. Auch ist ihre Kultur erst verhältnismäßig spät dort<lb/> hingelangt. Die echte Zitrone (Leäro) ist wahrscheinlich nach Christi Geburt<lb/> gelegentlich in Sizilien eingeführt worden, von wo sie dann nach der Riviera<lb/> gelangt ist. Die Limone ist zur Zeit der Kreuzzüge im zwölften Jahrhundert<lb/> eingeführt worden, ihre Heimat ist Indien. Die Apfelsine ist dagegen später<lb/> nach Italien gekommen. Man nimmt an, daß sie im sechzehnten Jahrhundert<lb/> durch Ozeanfahrer, die den Seeweg nach Ostindien entdeckten, nach Europa<lb/> gebracht worden ist. Die bittere Pomeranze stammt aus China und wurde<lb/> durch Araber nach Italien eingeführt. Die Mandarine, ebenfalls aus China<lb/> stammend, wird erst seit etwa fünfundsiebzig Jahren in Italien angebaut. Eine<lb/> Voraussetzung für ihre Kultur ist die künstliche Zufuhr von Wasser, die unter<lb/> Umständen mit nicht geringer Mühe und einem größern Kostenaufwands durch¬<lb/> geführt werden muß. In der Riviera werden nun überall in geschützten Lagen,<lb/> wo nur Wasser auch in geringer Menge dauernd rinnt, entsprechend der ver¬<lb/> fügbaren Wassermenge, Orangen und Zitronen angepflanzt. Auch wird der<lb/> Boden an Bcrgwandungen ähnlich wie beim Weinbau terrassenförmig zur<lb/> Kultur hergerichtet. Von den Agrumen werden an der Riviera und überhaupt<lb/> in Italien die Orange oder Apfelsine, die Limone, die Zitrone des Handels,<lb/> die kleinere chinesische Mandarine und die widerstandsfähige Pomeranze an¬<lb/> gebaut. Die Orange blüht hauptsächlich im Frühjahr, obgleich auch zu jeder<lb/> Jahreszeit Blüten in größerer Anzahl vorkommen. Im Herbst und Winter<lb/> wird geerntet. Um aber auch zu andern Jahreszeiten Früchte zu haben, werden<lb/> im Frühjahr die Blüten abgebrochen, die betreffenden Zweige bringen dann<lb/> später noch einmal Blüten hervor. Die abgebrochnen Blüten werden zur Her¬<lb/> stellung von wohlriechenden Essenzen, namentlich zur Gewinnung von Kölnischen<lb/> Wasser, verwertet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1753" next="#ID_1754"> Die Limone blüht fortgesetzt und bringt das ganze Jahr hindurch Früchte.<lb/> Man erntet infolgedessen drei- bis viermal im Jahre. Daher sieht man auch<lb/> Blüten, halbreife und reife Früchte an einem Baume. An der Riviera über¬<lb/> wiegt die Zitrone, die hauptsächlich wegen ihrer hohen Anforderung an die<lb/> Milde des Klimas in geschützten Lagen angebaut wird. Die Pomeranze, die<lb/> ebenfalls an der Riviera vorkommt, hat eine rauhe Schale von goldgelber<lb/> Farbe und bitterm Geschmack. Die Blüten werden zur Fabrikation von Parfümerien<lb/> verwandt. Die chinesischen Maudarinenbüume sind an der Riviera sehr ver¬<lb/> breitet. Ihre Früchte sind kleiner als die Apfelsinen. Im Geschmacke steht sie<lb/> jedoch wesentlich hinter der sizilianischen zurück. Die Ergiebigkeit der Agrumen¬<lb/> bäume ist bei genügendem Schutz vor Frost, bei hinreichender Bewässerung und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0460]
Die pflanzen der Riviera
Völlig zusagend, da sie in manchen Wintern durch Frost und Schnee zu leiden
haben. Man überdeckt sie deshalb dort im Winter sorgfältig mit Strohmatten,
während sie an der Riviera ohne Schutzvorrichtungen durch den Winter kommen.
Wäre aber die Riviera nicht gegen Norden von der hohen Kette der Seealpen
abgeschlossen, so würde die Kultur der Orangen in dieser geographischen Breite
nicht möglich sein. An zahlreichen Stellen zwischen Savona und Nizza ge¬
deihen sie sogar ebensogut wie in Neapel, während man sie sonst in Ober-
und Mittelitalien nicht antrifft. Das Bild dieser Gewächse in Verbindung mit
dem der Zypressen und Pinien ist in unsrer Phantasie so eng mit dem des
Südens verknüpft, daß wir uns Italien nicht anders als im Glänze der Gold¬
orangen vorstellen können, wozu wohl am meisten Goethes Mignonlied bei¬
getragen hat. So sehr die Orangen und Zitronen in die Landschaft Italiens
Hineinzugehören scheinen, so sind sie doch nur auf einen bestimmten Teil
dieses Landes beschränkt. Auch ist ihre Kultur erst verhältnismäßig spät dort
hingelangt. Die echte Zitrone (Leäro) ist wahrscheinlich nach Christi Geburt
gelegentlich in Sizilien eingeführt worden, von wo sie dann nach der Riviera
gelangt ist. Die Limone ist zur Zeit der Kreuzzüge im zwölften Jahrhundert
eingeführt worden, ihre Heimat ist Indien. Die Apfelsine ist dagegen später
nach Italien gekommen. Man nimmt an, daß sie im sechzehnten Jahrhundert
durch Ozeanfahrer, die den Seeweg nach Ostindien entdeckten, nach Europa
gebracht worden ist. Die bittere Pomeranze stammt aus China und wurde
durch Araber nach Italien eingeführt. Die Mandarine, ebenfalls aus China
stammend, wird erst seit etwa fünfundsiebzig Jahren in Italien angebaut. Eine
Voraussetzung für ihre Kultur ist die künstliche Zufuhr von Wasser, die unter
Umständen mit nicht geringer Mühe und einem größern Kostenaufwands durch¬
geführt werden muß. In der Riviera werden nun überall in geschützten Lagen,
wo nur Wasser auch in geringer Menge dauernd rinnt, entsprechend der ver¬
fügbaren Wassermenge, Orangen und Zitronen angepflanzt. Auch wird der
Boden an Bcrgwandungen ähnlich wie beim Weinbau terrassenförmig zur
Kultur hergerichtet. Von den Agrumen werden an der Riviera und überhaupt
in Italien die Orange oder Apfelsine, die Limone, die Zitrone des Handels,
die kleinere chinesische Mandarine und die widerstandsfähige Pomeranze an¬
gebaut. Die Orange blüht hauptsächlich im Frühjahr, obgleich auch zu jeder
Jahreszeit Blüten in größerer Anzahl vorkommen. Im Herbst und Winter
wird geerntet. Um aber auch zu andern Jahreszeiten Früchte zu haben, werden
im Frühjahr die Blüten abgebrochen, die betreffenden Zweige bringen dann
später noch einmal Blüten hervor. Die abgebrochnen Blüten werden zur Her¬
stellung von wohlriechenden Essenzen, namentlich zur Gewinnung von Kölnischen
Wasser, verwertet.
Die Limone blüht fortgesetzt und bringt das ganze Jahr hindurch Früchte.
Man erntet infolgedessen drei- bis viermal im Jahre. Daher sieht man auch
Blüten, halbreife und reife Früchte an einem Baume. An der Riviera über¬
wiegt die Zitrone, die hauptsächlich wegen ihrer hohen Anforderung an die
Milde des Klimas in geschützten Lagen angebaut wird. Die Pomeranze, die
ebenfalls an der Riviera vorkommt, hat eine rauhe Schale von goldgelber
Farbe und bitterm Geschmack. Die Blüten werden zur Fabrikation von Parfümerien
verwandt. Die chinesischen Maudarinenbüume sind an der Riviera sehr ver¬
breitet. Ihre Früchte sind kleiner als die Apfelsinen. Im Geschmacke steht sie
jedoch wesentlich hinter der sizilianischen zurück. Die Ergiebigkeit der Agrumen¬
bäume ist bei genügendem Schutz vor Frost, bei hinreichender Bewässerung und
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