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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Lin Hochzeiisschwank Friedrichs des lKroßett

Der Marquis hatte kaum Zeit, sich über deu Diener zu ärgern, weil dieser
dem hohen Geistesfluge, den sein Herr während seines nnn drei Wochen
dauernden Aufenthalts in Paris genommen hat, nicht folgen will; denn schon
kommt der Architekt mit den Plänen für das Landhaus, das sich der Marquis
bauen will.

Es war gerade die Zeit, wo in Friedrich selbst der Gedanke, sich in den
Weinbergen vor Potsdam ein Lusthaus zu bauen, greifbare Gestalt gewann.
Nichts fördert die Künste so sehr wie das Banen, sagt der Kunstmäcen herab¬
lassend, ganz im Stile Friedrichs, der der Meinung war, daß große Könige
auch immer große Baumeister seien. Und damit die Selbstironie unverkennbar
sei, läßt er den Baumeister, als er die Pläne ausbreitet, dem Marquis ver¬
sichern: "Sie werden wie ein König wohnen." Aber der Marquis hat vieles
an den Plänen auszusetzen. Vor allem wünscht er, daß der Empfangsraum
kleiner sei als die Wohnräume. Das würde dem Zweck der Räume wider¬
sprechen, meint der Baumeister. Aber das ist es gerade, was der Marquis
will, das ist neu, ungewöhnlich, paradox, mit einem Worte modern. Die Fassade
findet er zu einfach, er will sie in korinthischen Stil haben. Alles soll zu¬
gleich überladen und doch nicht schwerfällig sein.

Der verzweifelte Baumeister wendet ein, was er fordere, liefe ja allen
Regeln zuwider. Aber der Marquis setzt ihm auseinander: Was den Regeln
entspräche, könne nicht ungezwungen und leicht sein. Der Charakter eines Land¬
hauses aber ist gerade Leichtigkeit, Gefälligkeit. Es muß infolgedessen regel¬
widrig sein, wenn es seinen Zweck erfüllen soll. Er ist von der Größe seiner
Ideen selbst entzückt. Er findet, daß sich seine künstlerische Auffassung schon
sehr vervollkommnet haben müsse, wenn es schon so schwer sei, ihn zufrieden¬
zustellen. Den Architekten aber tröstet er herablassend: "Wenn Sie immer mit
Leuten zu tun haben werden, die so feinen Geschmack haben wie ich, werden
Sie in Ihrer Kunst große Fortschritte machen." Er erwartet nun seinen eng¬
lischen Lehrer, aber vergebens. Statt seiner kommt die Nachricht, er habe den
Spleen und habe sich soeben aufgehängt. Er lasse sich entschuldigen. Der
Marquis wundert sich weiter nicht darüber. Das würde ihm ganz ähnlich
sehen, meint er, denn er war ein richtiger Engländer. Aber wo bekomme ich
jetzt einen andern Engländer her! Denn Englisch muß ich lernen. Es ist jetzt
modern, Newton und Pope im Original zu lesen. Man erinnert sich, daß
Cäsarion für Pope schwärmte, und daß er in Königsberg mathematische Vor¬
lesungen gehört hatte.

"Ein Manu von Welt muß jetzt von Attraktionen, von Vakuum und von
Äquinoktinlsprüzessioneu sprechen können."

Was sollen uns diese Prozessionen? fragt der Diener. Der Marquis
gibt sich weiter keine Mühe, die Verwechslung aufzuklären, er bedauert nur,
daß er einen so fabelhaft dummen Menschen in seinem Dienst habe, und nimmt
statt der englischen Stunde seine Fechtübnng vor. Die Hofleute, die aus dem


Grenzboten I I90S 5
Lin Hochzeiisschwank Friedrichs des lKroßett

Der Marquis hatte kaum Zeit, sich über deu Diener zu ärgern, weil dieser
dem hohen Geistesfluge, den sein Herr während seines nnn drei Wochen
dauernden Aufenthalts in Paris genommen hat, nicht folgen will; denn schon
kommt der Architekt mit den Plänen für das Landhaus, das sich der Marquis
bauen will.

Es war gerade die Zeit, wo in Friedrich selbst der Gedanke, sich in den
Weinbergen vor Potsdam ein Lusthaus zu bauen, greifbare Gestalt gewann.
Nichts fördert die Künste so sehr wie das Banen, sagt der Kunstmäcen herab¬
lassend, ganz im Stile Friedrichs, der der Meinung war, daß große Könige
auch immer große Baumeister seien. Und damit die Selbstironie unverkennbar
sei, läßt er den Baumeister, als er die Pläne ausbreitet, dem Marquis ver¬
sichern: „Sie werden wie ein König wohnen." Aber der Marquis hat vieles
an den Plänen auszusetzen. Vor allem wünscht er, daß der Empfangsraum
kleiner sei als die Wohnräume. Das würde dem Zweck der Räume wider¬
sprechen, meint der Baumeister. Aber das ist es gerade, was der Marquis
will, das ist neu, ungewöhnlich, paradox, mit einem Worte modern. Die Fassade
findet er zu einfach, er will sie in korinthischen Stil haben. Alles soll zu¬
gleich überladen und doch nicht schwerfällig sein.

Der verzweifelte Baumeister wendet ein, was er fordere, liefe ja allen
Regeln zuwider. Aber der Marquis setzt ihm auseinander: Was den Regeln
entspräche, könne nicht ungezwungen und leicht sein. Der Charakter eines Land¬
hauses aber ist gerade Leichtigkeit, Gefälligkeit. Es muß infolgedessen regel¬
widrig sein, wenn es seinen Zweck erfüllen soll. Er ist von der Größe seiner
Ideen selbst entzückt. Er findet, daß sich seine künstlerische Auffassung schon
sehr vervollkommnet haben müsse, wenn es schon so schwer sei, ihn zufrieden¬
zustellen. Den Architekten aber tröstet er herablassend: „Wenn Sie immer mit
Leuten zu tun haben werden, die so feinen Geschmack haben wie ich, werden
Sie in Ihrer Kunst große Fortschritte machen." Er erwartet nun seinen eng¬
lischen Lehrer, aber vergebens. Statt seiner kommt die Nachricht, er habe den
Spleen und habe sich soeben aufgehängt. Er lasse sich entschuldigen. Der
Marquis wundert sich weiter nicht darüber. Das würde ihm ganz ähnlich
sehen, meint er, denn er war ein richtiger Engländer. Aber wo bekomme ich
jetzt einen andern Engländer her! Denn Englisch muß ich lernen. Es ist jetzt
modern, Newton und Pope im Original zu lesen. Man erinnert sich, daß
Cäsarion für Pope schwärmte, und daß er in Königsberg mathematische Vor¬
lesungen gehört hatte.

„Ein Manu von Welt muß jetzt von Attraktionen, von Vakuum und von
Äquinoktinlsprüzessioneu sprechen können."

Was sollen uns diese Prozessionen? fragt der Diener. Der Marquis
gibt sich weiter keine Mühe, die Verwechslung aufzuklären, er bedauert nur,
daß er einen so fabelhaft dummen Menschen in seinem Dienst habe, und nimmt
statt der englischen Stunde seine Fechtübnng vor. Die Hofleute, die aus dem


Grenzboten I I90S 5
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[0041] Lin Hochzeiisschwank Friedrichs des lKroßett Der Marquis hatte kaum Zeit, sich über deu Diener zu ärgern, weil dieser dem hohen Geistesfluge, den sein Herr während seines nnn drei Wochen dauernden Aufenthalts in Paris genommen hat, nicht folgen will; denn schon kommt der Architekt mit den Plänen für das Landhaus, das sich der Marquis bauen will. Es war gerade die Zeit, wo in Friedrich selbst der Gedanke, sich in den Weinbergen vor Potsdam ein Lusthaus zu bauen, greifbare Gestalt gewann. Nichts fördert die Künste so sehr wie das Banen, sagt der Kunstmäcen herab¬ lassend, ganz im Stile Friedrichs, der der Meinung war, daß große Könige auch immer große Baumeister seien. Und damit die Selbstironie unverkennbar sei, läßt er den Baumeister, als er die Pläne ausbreitet, dem Marquis ver¬ sichern: „Sie werden wie ein König wohnen." Aber der Marquis hat vieles an den Plänen auszusetzen. Vor allem wünscht er, daß der Empfangsraum kleiner sei als die Wohnräume. Das würde dem Zweck der Räume wider¬ sprechen, meint der Baumeister. Aber das ist es gerade, was der Marquis will, das ist neu, ungewöhnlich, paradox, mit einem Worte modern. Die Fassade findet er zu einfach, er will sie in korinthischen Stil haben. Alles soll zu¬ gleich überladen und doch nicht schwerfällig sein. Der verzweifelte Baumeister wendet ein, was er fordere, liefe ja allen Regeln zuwider. Aber der Marquis setzt ihm auseinander: Was den Regeln entspräche, könne nicht ungezwungen und leicht sein. Der Charakter eines Land¬ hauses aber ist gerade Leichtigkeit, Gefälligkeit. Es muß infolgedessen regel¬ widrig sein, wenn es seinen Zweck erfüllen soll. Er ist von der Größe seiner Ideen selbst entzückt. Er findet, daß sich seine künstlerische Auffassung schon sehr vervollkommnet haben müsse, wenn es schon so schwer sei, ihn zufrieden¬ zustellen. Den Architekten aber tröstet er herablassend: „Wenn Sie immer mit Leuten zu tun haben werden, die so feinen Geschmack haben wie ich, werden Sie in Ihrer Kunst große Fortschritte machen." Er erwartet nun seinen eng¬ lischen Lehrer, aber vergebens. Statt seiner kommt die Nachricht, er habe den Spleen und habe sich soeben aufgehängt. Er lasse sich entschuldigen. Der Marquis wundert sich weiter nicht darüber. Das würde ihm ganz ähnlich sehen, meint er, denn er war ein richtiger Engländer. Aber wo bekomme ich jetzt einen andern Engländer her! Denn Englisch muß ich lernen. Es ist jetzt modern, Newton und Pope im Original zu lesen. Man erinnert sich, daß Cäsarion für Pope schwärmte, und daß er in Königsberg mathematische Vor¬ lesungen gehört hatte. „Ein Manu von Welt muß jetzt von Attraktionen, von Vakuum und von Äquinoktinlsprüzessioneu sprechen können." Was sollen uns diese Prozessionen? fragt der Diener. Der Marquis gibt sich weiter keine Mühe, die Verwechslung aufzuklären, er bedauert nur, daß er einen so fabelhaft dummen Menschen in seinem Dienst habe, und nimmt statt der englischen Stunde seine Fechtübnng vor. Die Hofleute, die aus dem Grenzboten I I90S 5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/41>, abgerufen am 12.12.2024.