Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.Hcxriette volge vertauscht worden. Die Mutter, die außer dem Töchterchen uoch zwei Söhne Den ersten Klavierunterricht hatte ihr der Thomasschüler .Karl Neißiger, Ihr Wunsch, uoch bei Ludwig Berger Unterricht zu nehmen, wurde Die Familie Bendemann pflegte alljährlich eine größere Reise zu macheu Hcxriette volge vertauscht worden. Die Mutter, die außer dem Töchterchen uoch zwei Söhne Den ersten Klavierunterricht hatte ihr der Thomasschüler .Karl Neißiger, Ihr Wunsch, uoch bei Ludwig Berger Unterricht zu nehmen, wurde Die Familie Bendemann pflegte alljährlich eine größere Reise zu macheu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0406" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312757"/> <fw type="header" place="top"> Hcxriette volge</fw><lb/> <p xml:id="ID_1539" prev="#ID_1538"> vertauscht worden. Die Mutter, die außer dem Töchterchen uoch zwei Söhne<lb/> zu versorgen hatte, wußte manchen Tag nicht, wie sie am nächsten die Nahrung<lb/> beschaffen sollte. Um nur ein paar Pfennige zu verdienen, mußte Jettchen,<lb/> ihrer Mutter zulieb zu jedem Dienste bereit, im Haudkörbchen Strickgarn von<lb/> Haus zu Haus anbieten. Dabei zeichnete sie sich in der Schule so aus. daß<lb/> der seinerzeit sehr angesehene Direktor Gebiete bei ihrem Abgänge von ihr<lb/> sagte, es habe nie eine bessere Schülerin seine Schule verlassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1540"> Den ersten Klavierunterricht hatte ihr der Thomasschüler .Karl Neißiger,<lb/> der nachmalige Tonsetzer, erteilt. Später kam sie auf Veranlassung ihres<lb/> väterlich für sie sorgenden Paten Schalter, der abwechselnd in Leipzig und in<lb/> Petersburg lebte, in das Haus einer Frau Tutter in Berlin, um sich dort<lb/> in Musik, Französisch usw. so weit zu vervollkommnen, daß sie eine Stelle<lb/> als Erzieherin annehmen könnte. Aus dieser Zeit rührt ein mit „Tutter<lb/> gen. 1825" bezeichnetes Bildnis von ihr her, in Deckfarben auf blaugrauem<lb/> Papier: ein sinniges Gesicht, ernste braune Augen unter feingewölbtcn Brauen,<lb/> reiches, welliges, dnnkelaschblondes Haar, zierlich geschwungner Mund, um deu<lb/> entblößten Hals ein Korallenkettchcn. Ein Jahr etwa hatte sie bei Frau<lb/> Tutter gewohnt, als der treffliche alte Bendemann, der Oheim des damals<lb/> noch jungen Malers, ein hochgebildeter Musikfreund, angezogen durch ihren<lb/> Geist und ihr anmutiges Wesen, sie als Pflegetochter in sein Haus aufnahm.<lb/> Hier faud ihre Vegabuug für Musik die beste Anregung und Förderung. Ihr<lb/> Klavierlehrer erklärte eines Tages, er getraue sich nicht, sie noch weiter zu<lb/> unterrichten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1541"> Ihr Wunsch, uoch bei Ludwig Berger Unterricht zu nehmen, wurde<lb/> wiederum durch ihren Paten erfüllt, der ihr hundert Taler dafür aussetzte.<lb/> Freilich reichte das nur zu fünfzig Stunden, aber sie benutzte diese so trefflich,<lb/> daß Berger selbst ihr zu öffentlichem Auftreten riet. Hierzu ließ sie sich<lb/> jedoch schlechterdings nicht bewegen. Dagegen spielte sie sowohl im Bende-<lb/> mcmnscheu Haus als in andern befreundeten Kreisen gern vierbändig, namentlich<lb/> mit Felix Mendelssohn und mit Wilhelm Taubert, die, etwas jünger als sie.<lb/> zu derselben Zeit Bergers Schüler waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1542" next="#ID_1543"> Die Familie Bendemann pflegte alljährlich eine größere Reise zu macheu<lb/> und die Pflegetochter als Begleiterin mitzunehmen. So lernte sie nach und<lb/> nach viele Gegenden Deutschlands, auch das Elsaß und die Niederlande kennen<lb/> und brachte mancherlei Anschauungen und Erfahrungen mit heim. Kurz, es<lb/> waren Jahre voll edler geistiger Genüsse. Trotzdem entschloß sich Henriette<lb/> im Mürz 1828, diese glänzende Umgebung wieder mit dem bescheidnen Heim<lb/> ihrer Mutter in Leipzig zu vertauschen, wo sie sich ihren Lebensunterhalt mit<lb/> Klavierunterricht zu verdienen und der Mutter eine Stütze zu werden gedachte.<lb/> Nicht leicht wurde ihr der Abschied — um so schwerer, als sie sich zugleich<lb/> von ihrer Herzensfreundin Henriette Magenhöfer, später verehelichte Witte,<lb/> trennen mußte, in deren Hanse — der Vater war Oberstleutnant a. D. — sie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0406]
Hcxriette volge
vertauscht worden. Die Mutter, die außer dem Töchterchen uoch zwei Söhne
zu versorgen hatte, wußte manchen Tag nicht, wie sie am nächsten die Nahrung
beschaffen sollte. Um nur ein paar Pfennige zu verdienen, mußte Jettchen,
ihrer Mutter zulieb zu jedem Dienste bereit, im Haudkörbchen Strickgarn von
Haus zu Haus anbieten. Dabei zeichnete sie sich in der Schule so aus. daß
der seinerzeit sehr angesehene Direktor Gebiete bei ihrem Abgänge von ihr
sagte, es habe nie eine bessere Schülerin seine Schule verlassen.
Den ersten Klavierunterricht hatte ihr der Thomasschüler .Karl Neißiger,
der nachmalige Tonsetzer, erteilt. Später kam sie auf Veranlassung ihres
väterlich für sie sorgenden Paten Schalter, der abwechselnd in Leipzig und in
Petersburg lebte, in das Haus einer Frau Tutter in Berlin, um sich dort
in Musik, Französisch usw. so weit zu vervollkommnen, daß sie eine Stelle
als Erzieherin annehmen könnte. Aus dieser Zeit rührt ein mit „Tutter
gen. 1825" bezeichnetes Bildnis von ihr her, in Deckfarben auf blaugrauem
Papier: ein sinniges Gesicht, ernste braune Augen unter feingewölbtcn Brauen,
reiches, welliges, dnnkelaschblondes Haar, zierlich geschwungner Mund, um deu
entblößten Hals ein Korallenkettchcn. Ein Jahr etwa hatte sie bei Frau
Tutter gewohnt, als der treffliche alte Bendemann, der Oheim des damals
noch jungen Malers, ein hochgebildeter Musikfreund, angezogen durch ihren
Geist und ihr anmutiges Wesen, sie als Pflegetochter in sein Haus aufnahm.
Hier faud ihre Vegabuug für Musik die beste Anregung und Förderung. Ihr
Klavierlehrer erklärte eines Tages, er getraue sich nicht, sie noch weiter zu
unterrichten.
Ihr Wunsch, uoch bei Ludwig Berger Unterricht zu nehmen, wurde
wiederum durch ihren Paten erfüllt, der ihr hundert Taler dafür aussetzte.
Freilich reichte das nur zu fünfzig Stunden, aber sie benutzte diese so trefflich,
daß Berger selbst ihr zu öffentlichem Auftreten riet. Hierzu ließ sie sich
jedoch schlechterdings nicht bewegen. Dagegen spielte sie sowohl im Bende-
mcmnscheu Haus als in andern befreundeten Kreisen gern vierbändig, namentlich
mit Felix Mendelssohn und mit Wilhelm Taubert, die, etwas jünger als sie.
zu derselben Zeit Bergers Schüler waren.
Die Familie Bendemann pflegte alljährlich eine größere Reise zu macheu
und die Pflegetochter als Begleiterin mitzunehmen. So lernte sie nach und
nach viele Gegenden Deutschlands, auch das Elsaß und die Niederlande kennen
und brachte mancherlei Anschauungen und Erfahrungen mit heim. Kurz, es
waren Jahre voll edler geistiger Genüsse. Trotzdem entschloß sich Henriette
im Mürz 1828, diese glänzende Umgebung wieder mit dem bescheidnen Heim
ihrer Mutter in Leipzig zu vertauschen, wo sie sich ihren Lebensunterhalt mit
Klavierunterricht zu verdienen und der Mutter eine Stütze zu werden gedachte.
Nicht leicht wurde ihr der Abschied — um so schwerer, als sie sich zugleich
von ihrer Herzensfreundin Henriette Magenhöfer, später verehelichte Witte,
trennen mußte, in deren Hanse — der Vater war Oberstleutnant a. D. — sie
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