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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Über die Forderung der Persönlichkeitserziehung

Auch die Tatsache der Bekanntschaft mit Burtzew kann Lopuchin vor
Gericht als belastendes Moment kaum ausgelegt werden. Burtzew ist wohl
Sozialrevolutionär, aber nicht Terrorist, überdies ähnlich wie Krapotkin ein
in ganz Rußland geachteter Schriftsteller und Historiker der russischen Revo¬
lutionsgeschichte, mit dem man sich nach dem Manifest von 1905 in Peters¬
burg nicht scheute, auf der Straße zu zeigen. Burtzew ist überdies Heraus¬
geber der in Petersburg erscheinenden historischen Zeitschrift Byloje.*) Ich
glaube, daß die Beziehungen Lopuchins zu ihm eben in der Redaktionsstube
zusammenlaufen. Lopuchin mag dem Historiker ergänzendes Material geliefert
haben, und wenn er wirklich auch nur das Amtsgeheimnis verletzte, so wird
sich das auf alte Prozesse bezogen haben, keinesfalls auf persönliche Be¬
ziehungen zu Agenten der Polizei. Zu seiner eignen Sicherheit war Lopuchin
gezwungen zu schweigen; denn in dem Augenblick, wo er einen Agenten offen
preisgab, war er gerichtet, entweder durch die Revolution oder durch den Staat.
Indiae Beziehungen zu den Terroristen scheinen mir ausgeschlossen. Es
drängt sich somit der Gedanke auf, daß der Verrat an Asew von
einer dritten Stelle begangen wurde, die ein Interesse daran hat,
sich sowohl Lopuchins wie Asews zu entledigen. Auch die Verhaftung
des ehemaligen Polizeichefs braucht nicht gegen ihn zu sprechen; sie kann sehr
wohl eine Schutzmaßregel für das Leben des so hart bedrängten sein.

Anders steht es mit Lopuchins Beziehungen zur konstitutionell¬
demokratischen Partei; schon heute wird in den Wandelgängen der Reichs¬
duma behauptet, bei ihr habe sich ein interessantes Material über den Fall
zusammengefunden. Es soll darüber im nächsten Briefe berichtet werden.




Über die Forderung der Persönlichkeitserziehung

el der Feststellung der äußern Ergebnisse am Schlüsse des Schul¬
jahrs müssen sich den Lehrern und Schulvorständen Gedanken¬
gänge aufdrängen, die mit allgemeinen Erwägungen aufs engste
zusammenhängen, wie sie uns dermalen in den freien Er¬
örterungen der pädagogischen Literatur entgegentreten und auch
manchen Maßnahmen der obern Schulbehörden in deutschen Landen nicht fern
zu liegen scheinen. Das Ziel einer jeden Erziehung, hören wir da, und so
auch unsrer Schulerziehung, sei nicht das Wissen, sondern neben der mit der
Wissenspflege freilich aufs engste zusammenhängenden Ausbildung der Denk-



1907 sistiert und gegenwärtig seit Januar 1908 durch "Minuwschije Gody" fortgesetzt,
herausgegeben von N, W, Mjeschkow, Burtzew figuriert hier nur als Mitarbeiter, und zwar
gemeinsam mit so geschützten Persönlichkeiten wie Arssenjew, Karejew, Kowalewski, Lappo-
Danilewski, Miljukow, Struve u, a.
Über die Forderung der Persönlichkeitserziehung

Auch die Tatsache der Bekanntschaft mit Burtzew kann Lopuchin vor
Gericht als belastendes Moment kaum ausgelegt werden. Burtzew ist wohl
Sozialrevolutionär, aber nicht Terrorist, überdies ähnlich wie Krapotkin ein
in ganz Rußland geachteter Schriftsteller und Historiker der russischen Revo¬
lutionsgeschichte, mit dem man sich nach dem Manifest von 1905 in Peters¬
burg nicht scheute, auf der Straße zu zeigen. Burtzew ist überdies Heraus¬
geber der in Petersburg erscheinenden historischen Zeitschrift Byloje.*) Ich
glaube, daß die Beziehungen Lopuchins zu ihm eben in der Redaktionsstube
zusammenlaufen. Lopuchin mag dem Historiker ergänzendes Material geliefert
haben, und wenn er wirklich auch nur das Amtsgeheimnis verletzte, so wird
sich das auf alte Prozesse bezogen haben, keinesfalls auf persönliche Be¬
ziehungen zu Agenten der Polizei. Zu seiner eignen Sicherheit war Lopuchin
gezwungen zu schweigen; denn in dem Augenblick, wo er einen Agenten offen
preisgab, war er gerichtet, entweder durch die Revolution oder durch den Staat.
Indiae Beziehungen zu den Terroristen scheinen mir ausgeschlossen. Es
drängt sich somit der Gedanke auf, daß der Verrat an Asew von
einer dritten Stelle begangen wurde, die ein Interesse daran hat,
sich sowohl Lopuchins wie Asews zu entledigen. Auch die Verhaftung
des ehemaligen Polizeichefs braucht nicht gegen ihn zu sprechen; sie kann sehr
wohl eine Schutzmaßregel für das Leben des so hart bedrängten sein.

Anders steht es mit Lopuchins Beziehungen zur konstitutionell¬
demokratischen Partei; schon heute wird in den Wandelgängen der Reichs¬
duma behauptet, bei ihr habe sich ein interessantes Material über den Fall
zusammengefunden. Es soll darüber im nächsten Briefe berichtet werden.




Über die Forderung der Persönlichkeitserziehung

el der Feststellung der äußern Ergebnisse am Schlüsse des Schul¬
jahrs müssen sich den Lehrern und Schulvorständen Gedanken¬
gänge aufdrängen, die mit allgemeinen Erwägungen aufs engste
zusammenhängen, wie sie uns dermalen in den freien Er¬
örterungen der pädagogischen Literatur entgegentreten und auch
manchen Maßnahmen der obern Schulbehörden in deutschen Landen nicht fern
zu liegen scheinen. Das Ziel einer jeden Erziehung, hören wir da, und so
auch unsrer Schulerziehung, sei nicht das Wissen, sondern neben der mit der
Wissenspflege freilich aufs engste zusammenhängenden Ausbildung der Denk-



1907 sistiert und gegenwärtig seit Januar 1908 durch „Minuwschije Gody" fortgesetzt,
herausgegeben von N, W, Mjeschkow, Burtzew figuriert hier nur als Mitarbeiter, und zwar
gemeinsam mit so geschützten Persönlichkeiten wie Arssenjew, Karejew, Kowalewski, Lappo-
Danilewski, Miljukow, Struve u, a.
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[0394] Über die Forderung der Persönlichkeitserziehung Auch die Tatsache der Bekanntschaft mit Burtzew kann Lopuchin vor Gericht als belastendes Moment kaum ausgelegt werden. Burtzew ist wohl Sozialrevolutionär, aber nicht Terrorist, überdies ähnlich wie Krapotkin ein in ganz Rußland geachteter Schriftsteller und Historiker der russischen Revo¬ lutionsgeschichte, mit dem man sich nach dem Manifest von 1905 in Peters¬ burg nicht scheute, auf der Straße zu zeigen. Burtzew ist überdies Heraus¬ geber der in Petersburg erscheinenden historischen Zeitschrift Byloje.*) Ich glaube, daß die Beziehungen Lopuchins zu ihm eben in der Redaktionsstube zusammenlaufen. Lopuchin mag dem Historiker ergänzendes Material geliefert haben, und wenn er wirklich auch nur das Amtsgeheimnis verletzte, so wird sich das auf alte Prozesse bezogen haben, keinesfalls auf persönliche Be¬ ziehungen zu Agenten der Polizei. Zu seiner eignen Sicherheit war Lopuchin gezwungen zu schweigen; denn in dem Augenblick, wo er einen Agenten offen preisgab, war er gerichtet, entweder durch die Revolution oder durch den Staat. Indiae Beziehungen zu den Terroristen scheinen mir ausgeschlossen. Es drängt sich somit der Gedanke auf, daß der Verrat an Asew von einer dritten Stelle begangen wurde, die ein Interesse daran hat, sich sowohl Lopuchins wie Asews zu entledigen. Auch die Verhaftung des ehemaligen Polizeichefs braucht nicht gegen ihn zu sprechen; sie kann sehr wohl eine Schutzmaßregel für das Leben des so hart bedrängten sein. Anders steht es mit Lopuchins Beziehungen zur konstitutionell¬ demokratischen Partei; schon heute wird in den Wandelgängen der Reichs¬ duma behauptet, bei ihr habe sich ein interessantes Material über den Fall zusammengefunden. Es soll darüber im nächsten Briefe berichtet werden. Über die Forderung der Persönlichkeitserziehung el der Feststellung der äußern Ergebnisse am Schlüsse des Schul¬ jahrs müssen sich den Lehrern und Schulvorständen Gedanken¬ gänge aufdrängen, die mit allgemeinen Erwägungen aufs engste zusammenhängen, wie sie uns dermalen in den freien Er¬ örterungen der pädagogischen Literatur entgegentreten und auch manchen Maßnahmen der obern Schulbehörden in deutschen Landen nicht fern zu liegen scheinen. Das Ziel einer jeden Erziehung, hören wir da, und so auch unsrer Schulerziehung, sei nicht das Wissen, sondern neben der mit der Wissenspflege freilich aufs engste zusammenhängenden Ausbildung der Denk- 1907 sistiert und gegenwärtig seit Januar 1908 durch „Minuwschije Gody" fortgesetzt, herausgegeben von N, W, Mjeschkow, Burtzew figuriert hier nur als Mitarbeiter, und zwar gemeinsam mit so geschützten Persönlichkeiten wie Arssenjew, Karejew, Kowalewski, Lappo- Danilewski, Miljukow, Struve u, a.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/394>, abgerufen am 12.12.2024.