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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Die deutschen Kolonien im Jahre

NUN auch das Großkapital auf dem für seine Tätigkeit geeigneten Gebiet ein¬
gegriffen, auf dem der Verkehrsanlagen, des Bergbaus und der Industrie. So
sind die Ostafrikanische Eisenbahn gesellschaft, die Otavi-Minen- und Eisenbahn¬
gesellschaft, die Kamerun-Eisenbahngesellschaft, die Deutsche Südsee-Phosphat¬
aktiengesellschaft entstanden, um Unternehmungen zu verwirklichen, für die das
Privatkapital nicht ausreicht. Es ist gewiß, daß die Person eines gewiegten
Finanzmannes an der Spitze der Kolonialverwaltung einen starken Antrieb für
die Entwicklung in dieser Richtung gegeben hat, und darum halte ich es für
weiter kein Unglück, daß Dernburg in seiner jüngsten Neichstagsrede -- wohl un¬
beabsichtigt -- den Anstoß zu einer Art von Eröfsnungshausse gegeben hat. Die
Kolonialwerte sind damit mit Hurra an der Börse eingeführt worden, und ich
glaube nicht, daß -- wie ängstliche Gemüter fürchten -- allzuviele Spargroschen
dadurch gefährdet worden sind. Es sind jedenfalls nur große Kapitalisten
gewesen, die dabei schlimmstenfalls hereingefallen sein könnten. Der Dämpfer
ist außerdem nicht ausgeblieben, und ich glaube, daß sich Dernburg künftig
größere Zurückhaltung auferlegen wird.

Es sind zunächst nur einige südwestafrikanische Werte gewesen, die direkt
durch diesen Vorgang profitiert haben. Einen gewissen moralischen Gewinn
aber haben die kolonialen Unternehmungen überhaupt dabei davongetragen.
Und der ist durchaus berechtigt und wird sich mit der Zeit realisieren. Denn
daß der Dernburgsche Optimismus nicht unangebracht ist, dafür geben die
kolonialen Jahresberichte die tatsächliche Grundlage. Noch sind nur ganz
kleine Teile der Kolonien wirklich erschlossen und rationell nutzbar gemacht
worden, und von diesen bringt wiederum nur ein Teil volle Erträge, während
viele Kulturanlagen mancherlei Art erst in einigen Jahren produktiv werden.
Trotzdem ist der Warenumsatz von Jahr zu Jahr gestiegen, und jede neue
Kultur, jedes Stück Weg, das neu angelegt wurde, jedes Stück Eisenbahn hat
in einem Anwachsen der Handelsziffern seinen Ausdruck gefunden. Dabei ist
noch zu berücksichtigen, daß auf der andern Seite Naturereignisse, Aufstände
und dergleichen ungünstig auf die Entwicklung des Landes eingewirkt haben.
Man denke nur an den Aufstand in Ostafrika im Jahre 1905, der ganze Be¬
zirke nahezu entvölkert hat. Bei Berücksichtigung dieser Hemmungen gewinnen
die folgenden Handelsziffern erst die richtige Bedeutung. Es betrug in den letzten

^ Einfuhr 1900/01 01/02 02/03 03/04 04/06 05/06 06/07 07/08
(in Tausend Mark)
in den afrikanischen Kolonien 36,761 33,706 37,024 34,862 40.672 62,514 113,577 80,199 in den Sudseekolonien.... 4,369 4,450 5,379 6,946 5,797 8,858 8,381 8,546 zusammen: 41,130 38,156 42.903 41,808 46,469 71,372 121,958 88,745 die Ausfuhr in den afrikanischen Kolonien 14.147 15.820 18,342 21,679 20,822 23,433 26,523 36,823 in den Südseekolonien. . . . 2,831 3,563 3,777 3.884 3,922 4,398 6,641 6,240 zusammen: 16,978 19,388 22,119 26.663 24,744 27,836 31.164 41,063
acht Jahren


Die deutschen Kolonien im Jahre

NUN auch das Großkapital auf dem für seine Tätigkeit geeigneten Gebiet ein¬
gegriffen, auf dem der Verkehrsanlagen, des Bergbaus und der Industrie. So
sind die Ostafrikanische Eisenbahn gesellschaft, die Otavi-Minen- und Eisenbahn¬
gesellschaft, die Kamerun-Eisenbahngesellschaft, die Deutsche Südsee-Phosphat¬
aktiengesellschaft entstanden, um Unternehmungen zu verwirklichen, für die das
Privatkapital nicht ausreicht. Es ist gewiß, daß die Person eines gewiegten
Finanzmannes an der Spitze der Kolonialverwaltung einen starken Antrieb für
die Entwicklung in dieser Richtung gegeben hat, und darum halte ich es für
weiter kein Unglück, daß Dernburg in seiner jüngsten Neichstagsrede — wohl un¬
beabsichtigt — den Anstoß zu einer Art von Eröfsnungshausse gegeben hat. Die
Kolonialwerte sind damit mit Hurra an der Börse eingeführt worden, und ich
glaube nicht, daß — wie ängstliche Gemüter fürchten — allzuviele Spargroschen
dadurch gefährdet worden sind. Es sind jedenfalls nur große Kapitalisten
gewesen, die dabei schlimmstenfalls hereingefallen sein könnten. Der Dämpfer
ist außerdem nicht ausgeblieben, und ich glaube, daß sich Dernburg künftig
größere Zurückhaltung auferlegen wird.

Es sind zunächst nur einige südwestafrikanische Werte gewesen, die direkt
durch diesen Vorgang profitiert haben. Einen gewissen moralischen Gewinn
aber haben die kolonialen Unternehmungen überhaupt dabei davongetragen.
Und der ist durchaus berechtigt und wird sich mit der Zeit realisieren. Denn
daß der Dernburgsche Optimismus nicht unangebracht ist, dafür geben die
kolonialen Jahresberichte die tatsächliche Grundlage. Noch sind nur ganz
kleine Teile der Kolonien wirklich erschlossen und rationell nutzbar gemacht
worden, und von diesen bringt wiederum nur ein Teil volle Erträge, während
viele Kulturanlagen mancherlei Art erst in einigen Jahren produktiv werden.
Trotzdem ist der Warenumsatz von Jahr zu Jahr gestiegen, und jede neue
Kultur, jedes Stück Weg, das neu angelegt wurde, jedes Stück Eisenbahn hat
in einem Anwachsen der Handelsziffern seinen Ausdruck gefunden. Dabei ist
noch zu berücksichtigen, daß auf der andern Seite Naturereignisse, Aufstände
und dergleichen ungünstig auf die Entwicklung des Landes eingewirkt haben.
Man denke nur an den Aufstand in Ostafrika im Jahre 1905, der ganze Be¬
zirke nahezu entvölkert hat. Bei Berücksichtigung dieser Hemmungen gewinnen
die folgenden Handelsziffern erst die richtige Bedeutung. Es betrug in den letzten

^ Einfuhr 1900/01 01/02 02/03 03/04 04/06 05/06 06/07 07/08
(in Tausend Mark)
in den afrikanischen Kolonien 36,761 33,706 37,024 34,862 40.672 62,514 113,577 80,199 in den Sudseekolonien.... 4,369 4,450 5,379 6,946 5,797 8,858 8,381 8,546 zusammen: 41,130 38,156 42.903 41,808 46,469 71,372 121,958 88,745 die Ausfuhr in den afrikanischen Kolonien 14.147 15.820 18,342 21,679 20,822 23,433 26,523 36,823 in den Südseekolonien. . . . 2,831 3,563 3,777 3.884 3,922 4,398 6,641 6,240 zusammen: 16,978 19,388 22,119 26.663 24,744 27,836 31.164 41,063
acht Jahren


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[0382] Die deutschen Kolonien im Jahre NUN auch das Großkapital auf dem für seine Tätigkeit geeigneten Gebiet ein¬ gegriffen, auf dem der Verkehrsanlagen, des Bergbaus und der Industrie. So sind die Ostafrikanische Eisenbahn gesellschaft, die Otavi-Minen- und Eisenbahn¬ gesellschaft, die Kamerun-Eisenbahngesellschaft, die Deutsche Südsee-Phosphat¬ aktiengesellschaft entstanden, um Unternehmungen zu verwirklichen, für die das Privatkapital nicht ausreicht. Es ist gewiß, daß die Person eines gewiegten Finanzmannes an der Spitze der Kolonialverwaltung einen starken Antrieb für die Entwicklung in dieser Richtung gegeben hat, und darum halte ich es für weiter kein Unglück, daß Dernburg in seiner jüngsten Neichstagsrede — wohl un¬ beabsichtigt — den Anstoß zu einer Art von Eröfsnungshausse gegeben hat. Die Kolonialwerte sind damit mit Hurra an der Börse eingeführt worden, und ich glaube nicht, daß — wie ängstliche Gemüter fürchten — allzuviele Spargroschen dadurch gefährdet worden sind. Es sind jedenfalls nur große Kapitalisten gewesen, die dabei schlimmstenfalls hereingefallen sein könnten. Der Dämpfer ist außerdem nicht ausgeblieben, und ich glaube, daß sich Dernburg künftig größere Zurückhaltung auferlegen wird. Es sind zunächst nur einige südwestafrikanische Werte gewesen, die direkt durch diesen Vorgang profitiert haben. Einen gewissen moralischen Gewinn aber haben die kolonialen Unternehmungen überhaupt dabei davongetragen. Und der ist durchaus berechtigt und wird sich mit der Zeit realisieren. Denn daß der Dernburgsche Optimismus nicht unangebracht ist, dafür geben die kolonialen Jahresberichte die tatsächliche Grundlage. Noch sind nur ganz kleine Teile der Kolonien wirklich erschlossen und rationell nutzbar gemacht worden, und von diesen bringt wiederum nur ein Teil volle Erträge, während viele Kulturanlagen mancherlei Art erst in einigen Jahren produktiv werden. Trotzdem ist der Warenumsatz von Jahr zu Jahr gestiegen, und jede neue Kultur, jedes Stück Weg, das neu angelegt wurde, jedes Stück Eisenbahn hat in einem Anwachsen der Handelsziffern seinen Ausdruck gefunden. Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß auf der andern Seite Naturereignisse, Aufstände und dergleichen ungünstig auf die Entwicklung des Landes eingewirkt haben. Man denke nur an den Aufstand in Ostafrika im Jahre 1905, der ganze Be¬ zirke nahezu entvölkert hat. Bei Berücksichtigung dieser Hemmungen gewinnen die folgenden Handelsziffern erst die richtige Bedeutung. Es betrug in den letzten ^ Einfuhr 1900/01 01/02 02/03 03/04 04/06 05/06 06/07 07/08 (in Tausend Mark) in den afrikanischen Kolonien 36,761 33,706 37,024 34,862 40.672 62,514 113,577 80,199 in den Sudseekolonien.... 4,369 4,450 5,379 6,946 5,797 8,858 8,381 8,546 zusammen: 41,130 38,156 42.903 41,808 46,469 71,372 121,958 88,745 die Ausfuhr in den afrikanischen Kolonien 14.147 15.820 18,342 21,679 20,822 23,433 26,523 36,823 in den Südseekolonien. . . . 2,831 3,563 3,777 3.884 3,922 4,398 6,641 6,240 zusammen: 16,978 19,388 22,119 26.663 24,744 27,836 31.164 41,063 acht Jahren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/382>, abgerufen am 23.07.2024.