Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches herbeizuführen. Von unserm Standpunkt aus gesehen, würde das bedeuten, daß Wenn wir also die Grundlagen der englisch-deutschen Beziehungen ohne Dabei können wir nicht umhin, auch darauf hinzuweisen, daß bei uns weite In diesen Tagen ist auf dem Gebiete der innern Politik nicht viel von be¬ Im Reichstage herrscht jetzt in den Kommissionen eine außergewöhnliche Maßgebliches und Unmaßgebliches herbeizuführen. Von unserm Standpunkt aus gesehen, würde das bedeuten, daß Wenn wir also die Grundlagen der englisch-deutschen Beziehungen ohne Dabei können wir nicht umhin, auch darauf hinzuweisen, daß bei uns weite In diesen Tagen ist auf dem Gebiete der innern Politik nicht viel von be¬ Im Reichstage herrscht jetzt in den Kommissionen eine außergewöhnliche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0377" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312728"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1450" prev="#ID_1449"> herbeizuführen. Von unserm Standpunkt aus gesehen, würde das bedeuten, daß<lb/> wir einen Krieg für englische Interessen zu führen gehabt hätten. Dieser Politik<lb/> müssen wir allerdings das sogenannte „Eingekreistwerden" vorziehn, es sei denn,<lb/> daß die einkreisenden Mächte eine wirkliche geschlossene Interessengemeinschaft mit<lb/> dem Ziele, Deutschland gemeinsam anzugreifen, darstellen, wovon vorläufig gar<lb/> nicht die Rede sein kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1451"> Wenn wir also die Grundlagen der englisch-deutschen Beziehungen ohne<lb/> Illusionen und Schönfärberei, aber auch ohne Schwarzseherei betrachten, so ergibt<lb/> sich, daß wir schwerlich eine Änderung in der Gruppierung der Mächte und in<lb/> der allgemeinen Richtung ihrer Politik erwarten dürfen, daß aber das gegenseitige<lb/> Mißtrauen, das daraus zwischen Deutschland und England erwachsen ist, keine not¬<lb/> wendige Beigabe dieser Politik ist, sondern sehr wohl in Zukunft dem guten<lb/> Willen und dem nüchternen, sachlichen Verständnis der Bedürfnisse und Interessen<lb/> beider Völker Platz machen kann. Nur bedarf es einstweilen für dieses gegenseitige<lb/> Berstehen noch von Zeit zu Zeit eines kräftigen Anstoßes und eines äußern An¬<lb/> lasses, der die gewohnheitsmäßigen Hetzer eine Zeit lang in den Hintergrund schiebt.<lb/> So haben wir auch jetzt alle Ursache, uns des Besuchs König Eduards herzlich<lb/> zu freuen/und hoffentlich werden die Wirkungen nicht so schnell vorübergehn.</p><lb/> <p xml:id="ID_1452"> Dabei können wir nicht umhin, auch darauf hinzuweisen, daß bei uns weite<lb/> Kreise in dem Irrtum befangen gewesen sind, alles, was uns an der englischen<lb/> Politik der letzten Jahre unerfreulich gewesen ist, sei das persönliche Werk des<lb/> Königs und entspringe den Gefühlen, die er gegen Deutschland hege. Wie aus<lb/> unsern Betrachtungen hervorgeht, entspricht das nicht der Wahrheit. König Eduard<lb/> hat keine persönliche Gefühlspolitik getrieben, sondern er hat mit großer Klugheit<lb/> und Unermüdlichkeit seine persönlichen Fähigkeiten und Beziehungen in den Dienst<lb/> der von den verantwortlichen britischen Staatsmännern betriebnen Politik gestellt.<lb/> Es ist doch einfach selbstverständlich, daß ein König die Politik seines Landes treibt,<lb/> und wenn er das mit soviel Staatsklugheit, Hingebung und Verständnis für die<lb/> Eigenart und die Wünsche seines Volkes tut wie König Eduard, so entspricht es<lb/> unsrer nationalen Würde am besten, wenn wir das freimütig anerkennen, auch wo<lb/> es uns unbequem ist. Wer gerecht zu urteilen vermag, kann der Art, wie der König,<lb/> ohne die von der Verfassung gezognen Grenzen zu überschreiten, sein hohes Amt<lb/> mit eiuer Bedeutung erfüllt hat wie keiner seiner Vorgänger seit zweihundert<lb/> Jahren, aufrichtige Bewunderung nicht versagen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1453"> In diesen Tagen ist auf dem Gebiete der innern Politik nicht viel von be¬<lb/> sondern Ergebnissen zu verzeichnen. Einen bemerkenswerten Erfolg hat allerdings<lb/> die preußische Regierung im Abgeordnetenhause gehabt, da die Besoldungsvorlagen<lb/> glücklich alle drei Lesungen passiert haben und zuletzt sogar einstimmig angenommen<lb/> worden sind. Das will sagen, daß sogar die Sozialdemokraten dafür gestimmt<lb/> haben, weil sie sich doch nicht vorhalten lassen wollen, daß sie gegen ein Gesetz<lb/> gestimmt haben, das unter anderen die Lage der Unterbeamten wesentlich verbessert.<lb/> Ganz stilgerecht ist ja diese Zustimmung nicht; sie streift bedenklich an die vom<lb/> Parteitag verdammte Budgetbewilligung der Süddeutschen, aber die gestrenge<lb/> Parteileitung wird wohl hier ein Auge zudrücken. Die glückliche Vollendung des<lb/> Werks der neuen Besoldungsordnung für Beamte, Lehrer und Geistliche wird<lb/> wahrscheinlich auch auf das Herrenhaus nicht ohne Eindruck bleiben, und so darf<lb/> man annehmen, daß die schwierige Arbeit ohne weitere Hindernisse bald gänzlich<lb/> vollendet werden wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1454" next="#ID_1455"> Im Reichstage herrscht jetzt in den Kommissionen eine außergewöhnliche<lb/> Emsigkeit, während sich das Plenum der zweiten Beratung des Etats in der üb¬<lb/> lichen Weitläufigkeit zugewandt hat. Das wichtigste ist jetzt freilich die Arbeit<lb/> hinter den Kulissen, um eine Verständigung der Parteien über die Gestaltung der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0377]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
herbeizuführen. Von unserm Standpunkt aus gesehen, würde das bedeuten, daß
wir einen Krieg für englische Interessen zu führen gehabt hätten. Dieser Politik
müssen wir allerdings das sogenannte „Eingekreistwerden" vorziehn, es sei denn,
daß die einkreisenden Mächte eine wirkliche geschlossene Interessengemeinschaft mit
dem Ziele, Deutschland gemeinsam anzugreifen, darstellen, wovon vorläufig gar
nicht die Rede sein kann.
Wenn wir also die Grundlagen der englisch-deutschen Beziehungen ohne
Illusionen und Schönfärberei, aber auch ohne Schwarzseherei betrachten, so ergibt
sich, daß wir schwerlich eine Änderung in der Gruppierung der Mächte und in
der allgemeinen Richtung ihrer Politik erwarten dürfen, daß aber das gegenseitige
Mißtrauen, das daraus zwischen Deutschland und England erwachsen ist, keine not¬
wendige Beigabe dieser Politik ist, sondern sehr wohl in Zukunft dem guten
Willen und dem nüchternen, sachlichen Verständnis der Bedürfnisse und Interessen
beider Völker Platz machen kann. Nur bedarf es einstweilen für dieses gegenseitige
Berstehen noch von Zeit zu Zeit eines kräftigen Anstoßes und eines äußern An¬
lasses, der die gewohnheitsmäßigen Hetzer eine Zeit lang in den Hintergrund schiebt.
So haben wir auch jetzt alle Ursache, uns des Besuchs König Eduards herzlich
zu freuen/und hoffentlich werden die Wirkungen nicht so schnell vorübergehn.
Dabei können wir nicht umhin, auch darauf hinzuweisen, daß bei uns weite
Kreise in dem Irrtum befangen gewesen sind, alles, was uns an der englischen
Politik der letzten Jahre unerfreulich gewesen ist, sei das persönliche Werk des
Königs und entspringe den Gefühlen, die er gegen Deutschland hege. Wie aus
unsern Betrachtungen hervorgeht, entspricht das nicht der Wahrheit. König Eduard
hat keine persönliche Gefühlspolitik getrieben, sondern er hat mit großer Klugheit
und Unermüdlichkeit seine persönlichen Fähigkeiten und Beziehungen in den Dienst
der von den verantwortlichen britischen Staatsmännern betriebnen Politik gestellt.
Es ist doch einfach selbstverständlich, daß ein König die Politik seines Landes treibt,
und wenn er das mit soviel Staatsklugheit, Hingebung und Verständnis für die
Eigenart und die Wünsche seines Volkes tut wie König Eduard, so entspricht es
unsrer nationalen Würde am besten, wenn wir das freimütig anerkennen, auch wo
es uns unbequem ist. Wer gerecht zu urteilen vermag, kann der Art, wie der König,
ohne die von der Verfassung gezognen Grenzen zu überschreiten, sein hohes Amt
mit eiuer Bedeutung erfüllt hat wie keiner seiner Vorgänger seit zweihundert
Jahren, aufrichtige Bewunderung nicht versagen.
In diesen Tagen ist auf dem Gebiete der innern Politik nicht viel von be¬
sondern Ergebnissen zu verzeichnen. Einen bemerkenswerten Erfolg hat allerdings
die preußische Regierung im Abgeordnetenhause gehabt, da die Besoldungsvorlagen
glücklich alle drei Lesungen passiert haben und zuletzt sogar einstimmig angenommen
worden sind. Das will sagen, daß sogar die Sozialdemokraten dafür gestimmt
haben, weil sie sich doch nicht vorhalten lassen wollen, daß sie gegen ein Gesetz
gestimmt haben, das unter anderen die Lage der Unterbeamten wesentlich verbessert.
Ganz stilgerecht ist ja diese Zustimmung nicht; sie streift bedenklich an die vom
Parteitag verdammte Budgetbewilligung der Süddeutschen, aber die gestrenge
Parteileitung wird wohl hier ein Auge zudrücken. Die glückliche Vollendung des
Werks der neuen Besoldungsordnung für Beamte, Lehrer und Geistliche wird
wahrscheinlich auch auf das Herrenhaus nicht ohne Eindruck bleiben, und so darf
man annehmen, daß die schwierige Arbeit ohne weitere Hindernisse bald gänzlich
vollendet werden wird.
Im Reichstage herrscht jetzt in den Kommissionen eine außergewöhnliche
Emsigkeit, während sich das Plenum der zweiten Beratung des Etats in der üb¬
lichen Weitläufigkeit zugewandt hat. Das wichtigste ist jetzt freilich die Arbeit
hinter den Kulissen, um eine Verständigung der Parteien über die Gestaltung der
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