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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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tVildenbruchs erster dramatischer Lrfolg

es kommt zum Streit, zum Kampf, zum Verrat. Währenddessen haben die
Germanen, geführt von dem Verlobten der Svanhild, die Insel erstürmt, die
Römer werden niedergemacht, und das heilige Eiland wird wieder befreit. Mit
einer prächtigen Dithyrambe auf Deutschlands mächtige Zukunft schließt
das Stück.

Wir machten dem Dichter den Vorschlag, dem Drama, um den lokalen
Charakter etwas abzuschwächen, einen allgemeinern Titel zu geben, etwa
"Svanhild". Da Wildenbruch derselben Ansicht war, so hatten wir unsrer¬
seits nun nichts mehr gegen die Aufführung des Stückes einzuwenden.

Allein die Techniker fanden an der Dichtung manches auszusetzen. Kahle
meinte, daß die Sprache im Anfang etwas an Richard den Dritten erinnere,
und daß das hochflutende Pathos kaum von Studenten in erträglicher Weise
wiedergegeben werden könne. Der Regisseur Fuchs machte die Bemerkung,
daß eine Kampfszene auf der Bühne eines der schwierigsten Kunststücke sei,
und daß Dilettanten bei solchen Gelegenheiten leicht den ganzen Eindruck ins
Lächerliche zögen, daß überdies das auflodernde Brennen eines Baumes, wie
es im Stücke verlangt wird, auf der Bühne schwer darstellbar sei; kurz sie
hatten so viele Ausstellungen zu machen, daß Wildenbruch in Unruhe und Be¬
sorgnis geriet. Aber wir hielten an unsrer Wahl fest, obgleich wir uns nicht
verhehlen konnten, daß es für uns Studenten ein großes Wagnis sei, das
Erstlingsdrama eines unbekannten Dichters aufzuführen.

So war die eine wichtige Frage in kurzer Zeit erledigt. Nun aber be¬
gannen die langwierigen diplomatischen Verhandlungen mit Van Hell, dem
damaligen Direktor des Nationaltheaters, der nur mit Mühe und Not sein schon
unter Borsdorffs Leitung leck gewordnes Fahrzeug über Wasser halten konnte.

Van Hell empfing uns mit so viel Würde und Selbstbewußtsein, wie
etwa Apollo eine irdische Künstlerschar empfangen würde.

Natürlich hatte er an der Wahl der Stücke alles mögliche auszusetzen.
Schiller, Hans Sachs, Wildenbruch -- nehmen Sie mirs nicht übel, meine
Herren, das geht in die Brüche. Wer ist denn Wildenbruch? Lassen Sie
sich um Himmels willen auf keine Premieren ein. Überlegen Sie doch: Sie
wollen als Dilettanten eine Premiere spielen! Auf einer der größten Bühnen
Deutschlands! Sie wollen neue Rollen schaffen! Nehmen Sie mirs nicht
übel, aber das ist ein wenig unverfroren -- unvorsichtig wollte ich sagen.
Sie müssen ein Stück spielen, das schon als großartige Dichtung allein auf
das Publikum wirkt, ein Stück, das gar nicht zu verderben ist, wo sich jeder
Spieler nach einem vorhandnen Muster richten kann. Aber bei allen Göttern,
keine nagelneuen Rollen!

Wir wurden etwas kleinmütig, denn aus dem Munde eines erfahrnen
Bühnenleiters mußten wir die Wahrheit dieser Worte anerkennen.

Das Publikum -- fuhr er mit fein gespielter Erregung fort -- wird vor
Lachen bersten, und unfreiwillige Komik ist für uns das Todesurteil. Sie
^unen nicht verlangen, daß ich meine Bühne solcher Gefahr aussetze. Auch


tVildenbruchs erster dramatischer Lrfolg

es kommt zum Streit, zum Kampf, zum Verrat. Währenddessen haben die
Germanen, geführt von dem Verlobten der Svanhild, die Insel erstürmt, die
Römer werden niedergemacht, und das heilige Eiland wird wieder befreit. Mit
einer prächtigen Dithyrambe auf Deutschlands mächtige Zukunft schließt
das Stück.

Wir machten dem Dichter den Vorschlag, dem Drama, um den lokalen
Charakter etwas abzuschwächen, einen allgemeinern Titel zu geben, etwa
„Svanhild". Da Wildenbruch derselben Ansicht war, so hatten wir unsrer¬
seits nun nichts mehr gegen die Aufführung des Stückes einzuwenden.

Allein die Techniker fanden an der Dichtung manches auszusetzen. Kahle
meinte, daß die Sprache im Anfang etwas an Richard den Dritten erinnere,
und daß das hochflutende Pathos kaum von Studenten in erträglicher Weise
wiedergegeben werden könne. Der Regisseur Fuchs machte die Bemerkung,
daß eine Kampfszene auf der Bühne eines der schwierigsten Kunststücke sei,
und daß Dilettanten bei solchen Gelegenheiten leicht den ganzen Eindruck ins
Lächerliche zögen, daß überdies das auflodernde Brennen eines Baumes, wie
es im Stücke verlangt wird, auf der Bühne schwer darstellbar sei; kurz sie
hatten so viele Ausstellungen zu machen, daß Wildenbruch in Unruhe und Be¬
sorgnis geriet. Aber wir hielten an unsrer Wahl fest, obgleich wir uns nicht
verhehlen konnten, daß es für uns Studenten ein großes Wagnis sei, das
Erstlingsdrama eines unbekannten Dichters aufzuführen.

So war die eine wichtige Frage in kurzer Zeit erledigt. Nun aber be¬
gannen die langwierigen diplomatischen Verhandlungen mit Van Hell, dem
damaligen Direktor des Nationaltheaters, der nur mit Mühe und Not sein schon
unter Borsdorffs Leitung leck gewordnes Fahrzeug über Wasser halten konnte.

Van Hell empfing uns mit so viel Würde und Selbstbewußtsein, wie
etwa Apollo eine irdische Künstlerschar empfangen würde.

Natürlich hatte er an der Wahl der Stücke alles mögliche auszusetzen.
Schiller, Hans Sachs, Wildenbruch — nehmen Sie mirs nicht übel, meine
Herren, das geht in die Brüche. Wer ist denn Wildenbruch? Lassen Sie
sich um Himmels willen auf keine Premieren ein. Überlegen Sie doch: Sie
wollen als Dilettanten eine Premiere spielen! Auf einer der größten Bühnen
Deutschlands! Sie wollen neue Rollen schaffen! Nehmen Sie mirs nicht
übel, aber das ist ein wenig unverfroren — unvorsichtig wollte ich sagen.
Sie müssen ein Stück spielen, das schon als großartige Dichtung allein auf
das Publikum wirkt, ein Stück, das gar nicht zu verderben ist, wo sich jeder
Spieler nach einem vorhandnen Muster richten kann. Aber bei allen Göttern,
keine nagelneuen Rollen!

Wir wurden etwas kleinmütig, denn aus dem Munde eines erfahrnen
Bühnenleiters mußten wir die Wahrheit dieser Worte anerkennen.

Das Publikum — fuhr er mit fein gespielter Erregung fort — wird vor
Lachen bersten, und unfreiwillige Komik ist für uns das Todesurteil. Sie
^unen nicht verlangen, daß ich meine Bühne solcher Gefahr aussetze. Auch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/303>, abgerufen am 12.12.2024.