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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Karl öchurz

die Banken ihre Verbindlichkeiten auf Depositenrechnung anwachsen lassen.
Die Bedeutung dieser Hilfsaktionen wird anschaulich, wenn man hört, daß die
Regierungsdepositen von 50 Millionen im Februar 1906 auf 173 Millionen
im Mai 1907 angewachsen waren.

Nach alledem kann man die Finanzverwaltung der Vereinigten Staaten
vom Vorwurf einer gewissen Kurzsichtigkeit nicht freisprechen; aber nur schwach
fällt er ins Gewicht neben der ersichtlichen Laxheit und mangelnden wirtschafts¬
politischen Umsicht, die sie in ihrer Vankgesetzgebnng an den Tag gelegt haben.
Übersehn darf man freilich nicht die ungeheuern Schwierigkeiten, die räumliche
Ausdehnung, territoriale Sonderheiten und nicht zuletzt eifersüchtige Wahrung
einzelstaatlicher Gesetzgebungsrechte einer einheitlichen und übersichtlichen Re¬
gelung in den Weg legen. Die wirtschaftliche Entwicklung hatte sich eben in
einer bei uns unbekannten Geschwindigkeit, zuweilen Sprunghaftigkeit voll¬
zogen, ihr entsprangen auch im letzten Grunde jene früher erwähnten unge¬
sunden Eigenschaften des amerikanischen Wirtschaftslebens. Der Erkenntnis,
daß es um die Elastizität und Widerstandskraft des Finanzsystems übel bestellt
sei, konnte sich zuletzt auch der amerikanische Optimismus nicht mehr ver¬
schließen; nur so ist es zu versteh", daß einzelne Zusammenbruche im Herbst
1907 nicht auf ihre lokale Wirkung beschränkt blieben, sondern im ganzen
Lande als der Beginn der Katastrophe angesehn wurden und in der Tat zu
dieser wurden. Der Boden war eben schon zu sehr erschüttert!




Karl Schurz

AeMMem in den Grenzboten (1907, Heft 51) schon erwähnten ersten
Bande der "Lebenserinnerungen von Karl Schurz" ist im Verlage
I von Georg Reimer in Berlin vor einigen Monaten der zweite
Band gefolgt, der dem ersten an anziehenden Inhalt kaum nach¬
steht, obgleich er nur noch lose mit Deutschland im Zusammen¬
hange steht.*) Der erste Band, der die Erlebnisse des Verfassers bis zum
Jahre 1852 in deutscher Sprache behandelte, ist von der Kritik mehrfach mit
einem fesselnden Roman verglichen worden, dessen Inhalt nichts weniger als
eine Dichtung, sondern vielmehr eine einfache, mit Kraft und Frische vor¬
getragne Beschreibung der an Kämpfen und Schicksalen ungewöhnlich reichen
Jugendzeit des Verfassers ist. Sein ausgesprochnes Erzählertalent und die
anschaulichen Schilderungen der Erlebnisse, die in einer hochbewegten Zeit



*) Karl Schurz, Lebenserinnerungen. Bd. I 7 Mark, gebunden 8 Mark, Bd. II 9 Mark,
gebunden 10 Mark. Berlin, Georg Nenner. -- Georg v. Bosse, Karl Schurz, Deutschlands beste
Gabe an Amerika. 80 Pf. Stuttgart, Chr. Belfer. (Zeitfragen des christlichen Volkslebens
Bd. 38, Heft 1.)
Karl öchurz

die Banken ihre Verbindlichkeiten auf Depositenrechnung anwachsen lassen.
Die Bedeutung dieser Hilfsaktionen wird anschaulich, wenn man hört, daß die
Regierungsdepositen von 50 Millionen im Februar 1906 auf 173 Millionen
im Mai 1907 angewachsen waren.

Nach alledem kann man die Finanzverwaltung der Vereinigten Staaten
vom Vorwurf einer gewissen Kurzsichtigkeit nicht freisprechen; aber nur schwach
fällt er ins Gewicht neben der ersichtlichen Laxheit und mangelnden wirtschafts¬
politischen Umsicht, die sie in ihrer Vankgesetzgebnng an den Tag gelegt haben.
Übersehn darf man freilich nicht die ungeheuern Schwierigkeiten, die räumliche
Ausdehnung, territoriale Sonderheiten und nicht zuletzt eifersüchtige Wahrung
einzelstaatlicher Gesetzgebungsrechte einer einheitlichen und übersichtlichen Re¬
gelung in den Weg legen. Die wirtschaftliche Entwicklung hatte sich eben in
einer bei uns unbekannten Geschwindigkeit, zuweilen Sprunghaftigkeit voll¬
zogen, ihr entsprangen auch im letzten Grunde jene früher erwähnten unge¬
sunden Eigenschaften des amerikanischen Wirtschaftslebens. Der Erkenntnis,
daß es um die Elastizität und Widerstandskraft des Finanzsystems übel bestellt
sei, konnte sich zuletzt auch der amerikanische Optimismus nicht mehr ver¬
schließen; nur so ist es zu versteh«, daß einzelne Zusammenbruche im Herbst
1907 nicht auf ihre lokale Wirkung beschränkt blieben, sondern im ganzen
Lande als der Beginn der Katastrophe angesehn wurden und in der Tat zu
dieser wurden. Der Boden war eben schon zu sehr erschüttert!




Karl Schurz

AeMMem in den Grenzboten (1907, Heft 51) schon erwähnten ersten
Bande der „Lebenserinnerungen von Karl Schurz" ist im Verlage
I von Georg Reimer in Berlin vor einigen Monaten der zweite
Band gefolgt, der dem ersten an anziehenden Inhalt kaum nach¬
steht, obgleich er nur noch lose mit Deutschland im Zusammen¬
hange steht.*) Der erste Band, der die Erlebnisse des Verfassers bis zum
Jahre 1852 in deutscher Sprache behandelte, ist von der Kritik mehrfach mit
einem fesselnden Roman verglichen worden, dessen Inhalt nichts weniger als
eine Dichtung, sondern vielmehr eine einfache, mit Kraft und Frische vor¬
getragne Beschreibung der an Kämpfen und Schicksalen ungewöhnlich reichen
Jugendzeit des Verfassers ist. Sein ausgesprochnes Erzählertalent und die
anschaulichen Schilderungen der Erlebnisse, die in einer hochbewegten Zeit



*) Karl Schurz, Lebenserinnerungen. Bd. I 7 Mark, gebunden 8 Mark, Bd. II 9 Mark,
gebunden 10 Mark. Berlin, Georg Nenner. — Georg v. Bosse, Karl Schurz, Deutschlands beste
Gabe an Amerika. 80 Pf. Stuttgart, Chr. Belfer. (Zeitfragen des christlichen Volkslebens
Bd. 38, Heft 1.)
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[0292] Karl öchurz die Banken ihre Verbindlichkeiten auf Depositenrechnung anwachsen lassen. Die Bedeutung dieser Hilfsaktionen wird anschaulich, wenn man hört, daß die Regierungsdepositen von 50 Millionen im Februar 1906 auf 173 Millionen im Mai 1907 angewachsen waren. Nach alledem kann man die Finanzverwaltung der Vereinigten Staaten vom Vorwurf einer gewissen Kurzsichtigkeit nicht freisprechen; aber nur schwach fällt er ins Gewicht neben der ersichtlichen Laxheit und mangelnden wirtschafts¬ politischen Umsicht, die sie in ihrer Vankgesetzgebnng an den Tag gelegt haben. Übersehn darf man freilich nicht die ungeheuern Schwierigkeiten, die räumliche Ausdehnung, territoriale Sonderheiten und nicht zuletzt eifersüchtige Wahrung einzelstaatlicher Gesetzgebungsrechte einer einheitlichen und übersichtlichen Re¬ gelung in den Weg legen. Die wirtschaftliche Entwicklung hatte sich eben in einer bei uns unbekannten Geschwindigkeit, zuweilen Sprunghaftigkeit voll¬ zogen, ihr entsprangen auch im letzten Grunde jene früher erwähnten unge¬ sunden Eigenschaften des amerikanischen Wirtschaftslebens. Der Erkenntnis, daß es um die Elastizität und Widerstandskraft des Finanzsystems übel bestellt sei, konnte sich zuletzt auch der amerikanische Optimismus nicht mehr ver¬ schließen; nur so ist es zu versteh«, daß einzelne Zusammenbruche im Herbst 1907 nicht auf ihre lokale Wirkung beschränkt blieben, sondern im ganzen Lande als der Beginn der Katastrophe angesehn wurden und in der Tat zu dieser wurden. Der Boden war eben schon zu sehr erschüttert! Karl Schurz AeMMem in den Grenzboten (1907, Heft 51) schon erwähnten ersten Bande der „Lebenserinnerungen von Karl Schurz" ist im Verlage I von Georg Reimer in Berlin vor einigen Monaten der zweite Band gefolgt, der dem ersten an anziehenden Inhalt kaum nach¬ steht, obgleich er nur noch lose mit Deutschland im Zusammen¬ hange steht.*) Der erste Band, der die Erlebnisse des Verfassers bis zum Jahre 1852 in deutscher Sprache behandelte, ist von der Kritik mehrfach mit einem fesselnden Roman verglichen worden, dessen Inhalt nichts weniger als eine Dichtung, sondern vielmehr eine einfache, mit Kraft und Frische vor¬ getragne Beschreibung der an Kämpfen und Schicksalen ungewöhnlich reichen Jugendzeit des Verfassers ist. Sein ausgesprochnes Erzählertalent und die anschaulichen Schilderungen der Erlebnisse, die in einer hochbewegten Zeit *) Karl Schurz, Lebenserinnerungen. Bd. I 7 Mark, gebunden 8 Mark, Bd. II 9 Mark, gebunden 10 Mark. Berlin, Georg Nenner. — Georg v. Bosse, Karl Schurz, Deutschlands beste Gabe an Amerika. 80 Pf. Stuttgart, Chr. Belfer. (Zeitfragen des christlichen Volkslebens Bd. 38, Heft 1.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/292>, abgerufen am 12.12.2024.