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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

verschärft und bis aufs äußerste gesteigert, weil demagogische Mittel am sichersten
geeignet sind, das sonst leicht schwindende politische Interesse festzuhalten, dessen
eine Vertretung wirtschaftlicher Sonderinteressen bedarf, wenn sie sich als Macht¬
faktor behaupten will. Eine so schöne Gelegenheit zur Opposition dürfte sich der
Bund nicht entgehn lassen, sonst wird er eine zwar nützliche, aber politisch be¬
deutungslose Berufsgenossenschaft, und seine Mitglieder könnten am Ende den
Glauben verlieren, daß die Regierung nicht aus freier Einsicht der Landwirtschaft
gibt, was ihr gebührt, sondern unter dem Druck der politischen Macht des Bundes.
Darum entwickeln die Agrarier einen wahren Feuereifer in der Bekämpfung der
Nachlaßsteuer.

Die Methode, die dabei angewandt wird, ist sehr bezeichnend. Vor allem
gilt es, immer wieder die sachlichen Gründe aufmarschieren zu lasse", die gegen
das Projekt einer allgemeinen Nachlaßsteuer ohne Einschränkungen sprechen, und
die ja in der Tat für den kleinen und mittlern Grundbesitz von verhängnisvoller
Bedeutung werden können. Natürlich muß aber dabei sorgfältig verschwiegen werden,
daß diese Gründe in dem Negierungsentwnrf gar nicht in Frage kommen, da sie
bereits berücksichtigt sind und noch weiter berücksichtigt werdeu können. Der Ent¬
wurf hat zunächst jeden Nachlaß nnter 20000 Mark als steuerfrei angenommen
und die Steuersätze auch für recht beträchtliche Nachlaßwerte sehr niedrig festgesetzt,
abgesehen von den besondern Rücksichten, die den Erben von Immobilien außerdem
noch eingeräumt werden. Diese Vorschläge hat die Regierung gemacht, weil sie
doch in irgendeiner greifbaren Form das Prinzip festlegen mußte. Es ist aber
zur Genüge bekannt, daß die Mehrheitsparteien bereit sind, den Wünschen der
Landwirtschaft noch weiter entgegenzukommen, und daß die Regierung gar nichts
dagegen haben wird, wenn nur das gleiche finanzielle Ergebnis annähernd erreicht
wird. So wird man wahrscheinlich die untere Grenze von 20000 Mark wesentlich
hinausschieben, wahrscheinlich auf 70000 Mark, und dann bei höhern Nachlaßwerten
eine stärkere Progression eintreten lassen. Man wird auch sonst bemüht sein, be¬
sonders bei der Vererbung von Grundbesitz alle Härten bei der Besteuerung zu
beseitigen. Aber wenn das den Agrariern entgegengehalten wird, so erklären sie
trocken: das berührt uns gar nicht; wir siud im Prinzip gegen die Nachlaßsteuer.
Auch damit würde man sich abfinden können, wenn die agrarische Presse und ihre
Agitatoren den Bauern dasselbe Lied vorpfiffen. Aber das fällt ihnen gar nicht
ein. Sie unterlassen sorgfältig jede Aufklärung über das wirklich geplante und
fahren statt dessen fort, das Bild von dem Steuerexekutor zu zeichnen, der jedem
notleidenden Kleinbauern, der von seinem Vater den Besitz übernimmt, rücksichtslos
einen Steuerbetrag erpreßt, der ihn ruinieren muß. So wird in echt demagogischer
Weise die Abneigung der kleinen Landwirte gegen die Nachlaßsteuer auf Grund
einer vollständig wahrheitswidrigen Darstellung der Tatsachen und mit Hilfe der
Verschweigung der Wahrheit genährt. Damit gewinnt auch der Egoismus der
Großgrundbesitzer einen geeigneten Vorwand, sich hinter "Prinzipien" zu verstecken,
die in ihrer sentimentalen Verschwommenheit noch mehr ihren demagogischen Cha¬
rakter offenbaren. Immer wieder wird der Unsinn wiederholt, daß die Nachlciß-
stcuer den deutschen Familiensinn untergraben müsse. Fragt man aber die Herren,
warum denn von den vielen irdischen, zum Teil noch viel unangenehmern Ge¬
schäften, die mit einer Nachlaßregulierung verbunden sind, gerade die Steuerforderung
des Staats die verderbliche Wirkung auf die Anhänglichkeit an den Verstorbnen
und den Familiensinn der Überlebenden oder die störende Wirkung auf die pietät¬
volle Trauerstimmung haben soll, so bleiben sie die Antwort schuldig. Wir er¬
fahren auch nicht, warum diese Wirkungen da, wo diese Steuer schon besteht, bisher
nicht eingetreten sind, und warum der deutsche Familiensinn, der schon manche un¬
angenehme Auseinandersetzungen zwischen Hiuterbliebnen überdauert hat, plötzlich


Maßgebliches und Unmaßgebliches

verschärft und bis aufs äußerste gesteigert, weil demagogische Mittel am sichersten
geeignet sind, das sonst leicht schwindende politische Interesse festzuhalten, dessen
eine Vertretung wirtschaftlicher Sonderinteressen bedarf, wenn sie sich als Macht¬
faktor behaupten will. Eine so schöne Gelegenheit zur Opposition dürfte sich der
Bund nicht entgehn lassen, sonst wird er eine zwar nützliche, aber politisch be¬
deutungslose Berufsgenossenschaft, und seine Mitglieder könnten am Ende den
Glauben verlieren, daß die Regierung nicht aus freier Einsicht der Landwirtschaft
gibt, was ihr gebührt, sondern unter dem Druck der politischen Macht des Bundes.
Darum entwickeln die Agrarier einen wahren Feuereifer in der Bekämpfung der
Nachlaßsteuer.

Die Methode, die dabei angewandt wird, ist sehr bezeichnend. Vor allem
gilt es, immer wieder die sachlichen Gründe aufmarschieren zu lasse», die gegen
das Projekt einer allgemeinen Nachlaßsteuer ohne Einschränkungen sprechen, und
die ja in der Tat für den kleinen und mittlern Grundbesitz von verhängnisvoller
Bedeutung werden können. Natürlich muß aber dabei sorgfältig verschwiegen werden,
daß diese Gründe in dem Negierungsentwnrf gar nicht in Frage kommen, da sie
bereits berücksichtigt sind und noch weiter berücksichtigt werdeu können. Der Ent¬
wurf hat zunächst jeden Nachlaß nnter 20000 Mark als steuerfrei angenommen
und die Steuersätze auch für recht beträchtliche Nachlaßwerte sehr niedrig festgesetzt,
abgesehen von den besondern Rücksichten, die den Erben von Immobilien außerdem
noch eingeräumt werden. Diese Vorschläge hat die Regierung gemacht, weil sie
doch in irgendeiner greifbaren Form das Prinzip festlegen mußte. Es ist aber
zur Genüge bekannt, daß die Mehrheitsparteien bereit sind, den Wünschen der
Landwirtschaft noch weiter entgegenzukommen, und daß die Regierung gar nichts
dagegen haben wird, wenn nur das gleiche finanzielle Ergebnis annähernd erreicht
wird. So wird man wahrscheinlich die untere Grenze von 20000 Mark wesentlich
hinausschieben, wahrscheinlich auf 70000 Mark, und dann bei höhern Nachlaßwerten
eine stärkere Progression eintreten lassen. Man wird auch sonst bemüht sein, be¬
sonders bei der Vererbung von Grundbesitz alle Härten bei der Besteuerung zu
beseitigen. Aber wenn das den Agrariern entgegengehalten wird, so erklären sie
trocken: das berührt uns gar nicht; wir siud im Prinzip gegen die Nachlaßsteuer.
Auch damit würde man sich abfinden können, wenn die agrarische Presse und ihre
Agitatoren den Bauern dasselbe Lied vorpfiffen. Aber das fällt ihnen gar nicht
ein. Sie unterlassen sorgfältig jede Aufklärung über das wirklich geplante und
fahren statt dessen fort, das Bild von dem Steuerexekutor zu zeichnen, der jedem
notleidenden Kleinbauern, der von seinem Vater den Besitz übernimmt, rücksichtslos
einen Steuerbetrag erpreßt, der ihn ruinieren muß. So wird in echt demagogischer
Weise die Abneigung der kleinen Landwirte gegen die Nachlaßsteuer auf Grund
einer vollständig wahrheitswidrigen Darstellung der Tatsachen und mit Hilfe der
Verschweigung der Wahrheit genährt. Damit gewinnt auch der Egoismus der
Großgrundbesitzer einen geeigneten Vorwand, sich hinter „Prinzipien" zu verstecken,
die in ihrer sentimentalen Verschwommenheit noch mehr ihren demagogischen Cha¬
rakter offenbaren. Immer wieder wird der Unsinn wiederholt, daß die Nachlciß-
stcuer den deutschen Familiensinn untergraben müsse. Fragt man aber die Herren,
warum denn von den vielen irdischen, zum Teil noch viel unangenehmern Ge¬
schäften, die mit einer Nachlaßregulierung verbunden sind, gerade die Steuerforderung
des Staats die verderbliche Wirkung auf die Anhänglichkeit an den Verstorbnen
und den Familiensinn der Überlebenden oder die störende Wirkung auf die pietät¬
volle Trauerstimmung haben soll, so bleiben sie die Antwort schuldig. Wir er¬
fahren auch nicht, warum diese Wirkungen da, wo diese Steuer schon besteht, bisher
nicht eingetreten sind, und warum der deutsche Familiensinn, der schon manche un¬
angenehme Auseinandersetzungen zwischen Hiuterbliebnen überdauert hat, plötzlich


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[0276] Maßgebliches und Unmaßgebliches verschärft und bis aufs äußerste gesteigert, weil demagogische Mittel am sichersten geeignet sind, das sonst leicht schwindende politische Interesse festzuhalten, dessen eine Vertretung wirtschaftlicher Sonderinteressen bedarf, wenn sie sich als Macht¬ faktor behaupten will. Eine so schöne Gelegenheit zur Opposition dürfte sich der Bund nicht entgehn lassen, sonst wird er eine zwar nützliche, aber politisch be¬ deutungslose Berufsgenossenschaft, und seine Mitglieder könnten am Ende den Glauben verlieren, daß die Regierung nicht aus freier Einsicht der Landwirtschaft gibt, was ihr gebührt, sondern unter dem Druck der politischen Macht des Bundes. Darum entwickeln die Agrarier einen wahren Feuereifer in der Bekämpfung der Nachlaßsteuer. Die Methode, die dabei angewandt wird, ist sehr bezeichnend. Vor allem gilt es, immer wieder die sachlichen Gründe aufmarschieren zu lasse», die gegen das Projekt einer allgemeinen Nachlaßsteuer ohne Einschränkungen sprechen, und die ja in der Tat für den kleinen und mittlern Grundbesitz von verhängnisvoller Bedeutung werden können. Natürlich muß aber dabei sorgfältig verschwiegen werden, daß diese Gründe in dem Negierungsentwnrf gar nicht in Frage kommen, da sie bereits berücksichtigt sind und noch weiter berücksichtigt werdeu können. Der Ent¬ wurf hat zunächst jeden Nachlaß nnter 20000 Mark als steuerfrei angenommen und die Steuersätze auch für recht beträchtliche Nachlaßwerte sehr niedrig festgesetzt, abgesehen von den besondern Rücksichten, die den Erben von Immobilien außerdem noch eingeräumt werden. Diese Vorschläge hat die Regierung gemacht, weil sie doch in irgendeiner greifbaren Form das Prinzip festlegen mußte. Es ist aber zur Genüge bekannt, daß die Mehrheitsparteien bereit sind, den Wünschen der Landwirtschaft noch weiter entgegenzukommen, und daß die Regierung gar nichts dagegen haben wird, wenn nur das gleiche finanzielle Ergebnis annähernd erreicht wird. So wird man wahrscheinlich die untere Grenze von 20000 Mark wesentlich hinausschieben, wahrscheinlich auf 70000 Mark, und dann bei höhern Nachlaßwerten eine stärkere Progression eintreten lassen. Man wird auch sonst bemüht sein, be¬ sonders bei der Vererbung von Grundbesitz alle Härten bei der Besteuerung zu beseitigen. Aber wenn das den Agrariern entgegengehalten wird, so erklären sie trocken: das berührt uns gar nicht; wir siud im Prinzip gegen die Nachlaßsteuer. Auch damit würde man sich abfinden können, wenn die agrarische Presse und ihre Agitatoren den Bauern dasselbe Lied vorpfiffen. Aber das fällt ihnen gar nicht ein. Sie unterlassen sorgfältig jede Aufklärung über das wirklich geplante und fahren statt dessen fort, das Bild von dem Steuerexekutor zu zeichnen, der jedem notleidenden Kleinbauern, der von seinem Vater den Besitz übernimmt, rücksichtslos einen Steuerbetrag erpreßt, der ihn ruinieren muß. So wird in echt demagogischer Weise die Abneigung der kleinen Landwirte gegen die Nachlaßsteuer auf Grund einer vollständig wahrheitswidrigen Darstellung der Tatsachen und mit Hilfe der Verschweigung der Wahrheit genährt. Damit gewinnt auch der Egoismus der Großgrundbesitzer einen geeigneten Vorwand, sich hinter „Prinzipien" zu verstecken, die in ihrer sentimentalen Verschwommenheit noch mehr ihren demagogischen Cha¬ rakter offenbaren. Immer wieder wird der Unsinn wiederholt, daß die Nachlciß- stcuer den deutschen Familiensinn untergraben müsse. Fragt man aber die Herren, warum denn von den vielen irdischen, zum Teil noch viel unangenehmern Ge¬ schäften, die mit einer Nachlaßregulierung verbunden sind, gerade die Steuerforderung des Staats die verderbliche Wirkung auf die Anhänglichkeit an den Verstorbnen und den Familiensinn der Überlebenden oder die störende Wirkung auf die pietät¬ volle Trauerstimmung haben soll, so bleiben sie die Antwort schuldig. Wir er¬ fahren auch nicht, warum diese Wirkungen da, wo diese Steuer schon besteht, bisher nicht eingetreten sind, und warum der deutsche Familiensinn, der schon manche un¬ angenehme Auseinandersetzungen zwischen Hiuterbliebnen überdauert hat, plötzlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/276>, abgerufen am 12.12.2024.